NVA – OHS „Otto Winzer“ Prora

Prora – die größte Kasernenanlage der Nationalen Volksarmee der DDR. Der nie fertig gestellte Bau des geplanten KdF-Bades wurde ab 1950 zu einer gigantische Kasernenanlage. Sämtliche noch erhaltene Rohbauten mit einer Gesamtlänge von mehr als zwei Kilometern wurden fertig gestellt.

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Da der ursprüngliche südliche Block der Gesamtanlage von den sowjetischen Besatzern abgerissen worden war, änderte sich auch die Nummerierung der verbliebenen Blöcke. Im nun neuen Block IV des sogenannten Koloss von Prora war zunächst die Kasernierte Volkspolizei als Teil der 8. Motorisierten Schützendivision (8. MSD) untergebracht.  Ab 1956 wurden die im Aufbau befindlichen mechanisierten Divisionen in reine motorisierte Schützendivisionen und zu Panzerdivisionen umformiert. In Prora entstand so das Panzerregiment 8 (PR-8) mit mehr als 100 Panzern. Das PR-8 blieb bis 1964 und verlegte dann nach Goldberg. Aus dieser Nutzungsperiode stammt noch der Garagenkomplex und die Technische Zone.

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Die leeren Räumlichkeiten wurden nun vom motorisierten Schützenregiment 29 (MSR-29) belegt, die bis zu diesem Zeitpunkt den Block II in Prora belegten. Dieser musste jedoch für die Militärtechnische Schule „Erich Habersaath“  freigezogen werden. Das MSR-29 blieb bis zur Verlegung nach Hagenow im Jahre 1980 im Block IV in Prora. Die Mauern des Blockes IV müssen viel Leid gesehen haben. Das MSR-29 war in der NVA verrufen als „Springerregiment“. Militärischer Drill und Schikanen waren hier an der Tagesordnung. Überdurchschnittliche viele Rekruten sahen keinen anderen Ausweg, als den Sprung aus dem Fenster.

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Auf Befehl Nr. 113/80 des Ministers für Nationale Verteidigung vom November 1980 wurde eine Offiziershochschule für ausländische Militärkader  gegründet. Sie sollte „als Stätte der internationalistischen Erziehung und hochschulgemäßen Ausbildung“ ausländische Militärangehörige zur Wahrnehmung politischer und militärischer Führungsfunktionen und Lehraufgaben in ihren Heimatländern befähigen. Manche dieser Länder gelten auch heute noch als Krisen- und Konfliktherde. Als Standort für diese spezielle OHS wurde das abseits gelegene Prora festgelegt. Hier befand sich schon die Militärtechnische Schule (MTS) „Erich Habersaath“ für die Ausbildung von Unteroffizieren und Fähnrichen der NVA. Lehrpersonal der MTS „Erich Habersaath“ wurde nun befohlen, die Ausbildung an der neu gegründeten OHS zu übernehmen. Unterstützt wurden sie von abkommandierten Lehrkräften der Offiziershochschule der Landstreitkräfte in Löbau.

Ab 01. September 1981 wurde der Ausbildungsbetrieb für die neu gegründete Offiziers-Hochschule (OHS) „Otto Winzer“ aufgenommen.  Benannt wurde die OHS in Prora nach dem ehemaligen Außenminister der DDR.

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Eine in der OHS aufgestellte Statue mit dem Konterfei des Namensgebers wurde nach 1990 beschmiert, umgestoßen und lag einige Jahre im Treppenhaus des Stabsgebäudes herum – vermutlich war sie den Metalldieben zu schwer. Der Verbleib dieser Statue ist ungeklärt.

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Im Oktober 1983 haben die ersten Absolventen, die aus dem Kongo stammten, ihre Ausbildung beendet.

1984 betrug der NVA-Personalbestand an der OHS 158 Offiziere, 31 Fähnriche, 55 Berufsunteroffiziere, 24 Unteroffiziere auf Zeit, 49 Grundwehrdienstleistende und 98 Zivilbeschäftigte. Ausgebildet wurde hier in 6 Kompanien vor allem Politoffiziere und Offiziere auf Bataillonsebene. Die Ausbildungskosten wurden in der Regel von der DDR getragen. Das sollte vor allem das außenpolitische Ansehen der DDR in der sogenannten Dritten Welt steigern.

Ausbildungssprache war Deutsch. Dazu wurden auch obligatorische Sprachkurse für die Offiziersschüler angeboten. Ausgebildet wurde unter anderem in den Waffengattungen Kfz-Dienst, Panzer-Dienst, Chemischer Dienst, Pionierdienst, Nachrichtendienst, Rückwärtige Sicherstellung, mot. Schützen und Panzer-Dienst.

Die Ausbildung begann regulär mit einem Sprachkurs, der ein Jahr dauerte – entweder hier an der OHS Pora oder im Spracheninstitut der NVA in Naumburg. Daran schloss sich die militärische Ausbildung an, die zwischen einem Jahr (Fähnrich-Laufbahn) und vier Jahre (Offizierslaufbahn) dauerten.

Die Ausbildung in Prora erfolgte kriegsbezogen und gefechtsnah. Die Vermittlung stabiler praktischer Fertigkeiten im Rahmen von Übungen im Taktikausbildungsgelände und im zentralen Feldlager (auf dem TüP Lübtheen) hatte besonderen Stellenwert. Eine intensive Schießausbildung war hier mit eingeschlossen.

Trainiert wurden unter anderem: Kampf im Hinterland und in großen Waldgebieten, Einsatz in Gebirgen und Sümpfen, Sicherung der Kampftechnik unter extremen Klimabedingungen, Begleitschutz für Fahrzeugkolonnen, Beseitigung von Minensperren, Tarnung im Gelände, Nachtangriff und Abwehr von Seeangriffen.

Spezielle Wünsche der Auftraggeber-Länder wurden ebenso berücksichtigt. Für die Volksrepublik Kongo und die Republik Tansania wurden Qualifizierungslehrgänge für Offiziere zum Kompaniechef bzw. Bataillonskommandeur durchgeführt; für die Volkrepublik Jemen wurden spezielle Kurzlehrgänge durchgeführt, bei denen Flak-Offiziere an der 57 mm Flak-Kanone ausgebildet wurden.

Bis 1990 erlernten an der OHS Prora 1.040 ausländische Militärkader aus 16 Ländern das militärische Offiziershandwerk.

Mit dem Ende der DDR kam auch das Ender der OHS „Otto Winzer“. Sie wurde formal am 03. Oktober 1990 an die Bundeswehr übergeben. Lehrgänge fanden zu diesem Zeitpunkt keine mehr statt. Formal war es nun die „Offiziershochschule der Bundeswehr in Prora“, jedoch fand kein regulärer Betrieb mehr statt. Die Offiziershochschule wurde am 14. Dezember 1990 aufgelöst. Die Gebäude wurden sich selbst überlassen. Zehn Jahre tat sich recht wenig auf dem Gelände. Ab 2004 wurden einzelne Blöcke der Gesamtanlage Prora verkauft und umgebaut. Die Arbeiten dauern an. Vom Gesamtbild des Kasernenkomplexes wird wahrscheinlich nichts übrig bleiben.

Ein kleiner Rundgang über das Gelände der ehemaligen OHS „Otto Winzer“ – Zustand zwischen 1993 und 1995:

Eingangsbereich – KdL (=Kontrolldurchlass) genannt. Die Wehrpflichtigen und Unteroffiziere auf Zeit kamen konnten das Kasernengelände nur mit Ausgangskarte, Urlaubsschein oder besonderem Dienstauftrag verlassen.

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Der Weg vom KdL führte fast geradeaus auf direktem Weg zum Betonklotz.

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Block V (Soldatenunterkunft) von der Seeseite aus gesehen – ein Zugang zum Strand war für die Armeeangehörigen nicht möglich und auch nicht vorgesehen – ein bewachter Zaun mit Stacheldraht trennte die Kaserne vom Küstenwald und der nahen Ostsee.

Die Etagen 3 – 6 wurden von der OHS „Otto Winzer“  als Unterkünfte für deutsche Soldaten (hauptsächlich Grundwehrdienstleistende und Unteroffiziere auf Zeit) genutzt

  • 3. Etage Unteroffizier vom Dienst, Waffenkammer und Zugang zum Ledigenwohnheim (in der Regel für Berufsunteroffiziere und Fähnriche, die keine Wohnung außerhalb der Kaserne hatten)
  • 4. Etage: Unterkünfte V-Zug (Versorgungszug)
  • 5. Etage: Unterkünfte I-Zug (Instandsetzungszug)
  • 6. Etage: Unterkünfte KSA (Kompanie zur Sicherstellung der Ausbildung)

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Landseitiger Blick auf den unfertigen  „Wellenbrecher“ zwischen Block IV und V

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Das Innere der Gebäude war Anfang der 1990er Jahre noch recht gut erhalten, jedoch in großen Teilen ausgeräumt.

Blick zur ehemaligen Waffenkammer (3. Etage)

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Bekannt war Prora für seine endlos langen Flure – hier Blick auf den Flur des Instandsetzungszuges in der 5. Etage

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Ein Blick in die verbliebenen Reste einer soldatischen Unterkunft (hier Zimmer 5174). Belegt war das Zimmer mit 5 Grundwehrdienstleistenden (Soldaten oder Gefreiten). NVA-Standard war das nicht; meistens waren die Grundwehrdienstleistenden in 10 – oder 12 – Mann-Zimmern untergebracht, die Unteroffiziere auf Zeit in 4-Mann-Zimmern. Pro Mann stand ein kleiner Spind aus Holz zur Verfügung – viel Platz war darin nicht.

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Die sanitären Anlagen (Waschräume, Duschen, Toiletten) befanden sich in den landseitigen Querbauten, in denen auch das Treppenhaus untergebracht war. NVA-typisch für Kasernen waren die Waschbecken aus riesigen Steingut-Trögen.

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Typischerweise befand sich immer auch ein Dienstzimmer des Unteroffiziers vom Dienst (UvD) im Unterkunftsbereich. Der UvD und sein Gehilfe (GUvD) waren für die Durchführung des jeweiligen Tagesablaufes verantwortlich und waren immer für 24 Stunden im Dienst. In der dritten Etage der Soldatenunterkunft befand sich der Zugang zum Ledigenwohnheim der OHS; die Zugangstür konnte nur vom UvD geöffnet werden.

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Was der UvD bei den Soldaten war, das war der OvD (Offizier vom Dienst) für die Stabsoffiziere. Entsprechend gab es auch ein Dienstzimmer für den OvD und seinen Gehilfen im Stabsgebäude. Der OvD führte hier auch unter anderem die Vergatterungen für die 24-Stunden-Dienste durch (z.B. für den Wachdienst und den UvD).

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Ein Blick in den Flur des Stabsgebäudes. Ursprünglich war der Boden mit einem Teppich ausgelegt.

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Direkt vor dem Kasernenkomplex befand sich der Sportplatz. Links im Hintergrund die Technische Zone, im damaligen Sprachgebrauch „Park“ genannt – es gab sogar einen OvP – Offizier vom Park.

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Der „Park“ – die Technische Zone – war ein großer Garagenkomplex mit Werkstattbereich und Tankstelle. Hier wurde sämtliches rollende Material nicht nur abgestellt, sondern regelmäßig gewartet und bei Bedarf auch repariert. Ausbildung fand hier auch statt, sofern das am stehenden Gerät möglich war. Der Bereich war separat umzäunt und hatte eine eigene bewachte Zufahrt. Die Bewachung erfolgte durch die Grundwehrdienstleistenden der OHS.

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Ein Blick aus dem Unterkunftsbereich zur Technischen Zone verdeutlicht die Größenverhältnisse – heute ist vom „Park“ fast nichts mehr übrig.

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Bestandteil der Versorgung in der NVA war auch die Militärische Handelsorganisation (MHO); diese betrieb kleine Läden (für Offiziere und Soldaten natürlich getrennt) und kleinere Gaststätten auf dem Kasernen-Gelände. In die MHO-Gaststätte durften Grundwehrdienstleistende und Unteroffiziere auf Zeit nur mit Ausgangskarte und entsprechend in Ausgangsuniform. Hier ein Blick in den Speisesaal der MHO-Gaststätte der OHS (inzwischen verschwunden und komplett umgebaut).

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Küche und Speisesaal für die (all-) tägliche Versorgung befanden sich im Erdgeschoss von Block IV. Der Speisesaal wurde sowohl von den deutschen Soldaten als auch von den ausländischen Militärangehörigen genutzt – meist wurde in Schichten mit vorgegebenen (und meist knappen) Zeitfenstern gegessen.

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Der Blick zur Essen-Ausgabe – Zugang von rechts (nicht auf dem Bild)

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Ein Blick in die Küche war im soldatischen Alltag normalerweise nicht möglich, es sei denn, man war zum Küchendienst eingeteilt.

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Küche und Speiseaal sind heute verschwunden – dieser Gebäudeteil wurde inzwischen komplett umgebaut. Nichts erinnert vor Ort an die Geschichte der OHS.

Quellen:

Internetpräsenz denkmalprora Punkt de

„Bestandsverzeichnis der Offiziershochschule Prora“, Deutsche Digitale Bibliothek

Bilder und Zeitzeugen-Informationen: Thomas Kubala (mit freundlicher Genehmigung)

Prora – KdF – Bad

In Beton gegossener Größenwahn: der Koloss von Prora. Mehr als vier Kilometer Bettenburg liegen parallel zum malerischen Strand der Prorer Wiek in den Dünenwäldern auf halbem Weg zwischen Sassnitz und Binz auf der malerischen Insel Rügen.

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Ein Bau, der schon immer polarisiert hat.

Geplant waren die Betonklötze am Strand als Seebad für die Arbeiter des Dritten Reiches. Die nationalsozialistische Organisation „Kraft durch Freude“ (KdF) plante hier Massentourismus für 20.000 Urlauber gleichzeitig. Da es einen Ort Prora bisher nicht gab, musste hier zunächst die komplette Infrastruktur aus dem Boden gestampft werden. Der Rügendamm als Straßenverbindung zum Festland wurde ebenso für dieses Riesenprojekt errichtet sowie eine Bahnstrecke.

1935 wurde das Gelände vom bisherigen Eigentümer Fürst Malte von Putbus erworben. Die offizielle Grundsteinlegung erfolgte im Februar 1936 – da lief das Ausschreibungsverfahren für den Bau noch. Der Kölner Architekt Clemens Klotz wurde mit der Planung beauftragt. Eine unbeabsichtigte Ironie der Geschichte, dass der Architekt Klotz derartig klotzige Bauten errichtete.

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Nichtsdestotrotz, der Entwurf des Architekten Klotz, der acht baugleiche Hotel-Blöcke vorsah, jeder sechs Etagen hoch und 500 Meter lang, gewann 1937 auf der Weltausstellung in Paris den ersten Preis. Die Hotelanlage gliederte sich in einen Nordteil und einen Südteil, jeder 2,2 Kilometer lang. Ein Wandelgang sollte alle Blöcke miteinander verbinden.  Im Erdgeschoss waren öffentliche Einrichtungen vorgesehen: Kaffees, Restaurants, Bibliotheken, kleine Läden und Dienstleistungseinrichtungen. In allen anderen Etagen der Gebäude waren die Gästezimmer – alle mit Meerblick.

Die Flure und Treppenhäuser waren alle landseitig angeordnet. Geplant waren die Zimmer alle als Zwei-Bettzimmer mit (heute) recht spartanischer Ausstattung: zwei Betten, eine kleine Sitzecke und ein Waschbecken. Toiletten und Duschen waren als Gemeinschaftseinrichtung in den landseitigen Anbauten geplant.

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Zwischen den Hotelblöcken waren – wie Wellenbrecher in Richtung Seeseite – große Zwischenbauten als Gemeinschaftshäuser vorgesehen. Zehn Stück waren geplant, acht seeseitig und zwei im Mittelteil der Anlage zur Landseite hin.

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Hier sollten überdachte Liegehallen, Schwimmbäder, Kinos und große Speisesäle untergebracht werden. Seeseitig im Mittelteil der Anlage war eine Kaianlage geplant. Große Schiffe hätten hier jedoch nicht anlegen können, da die Wassertiefe in der Bucht dafür nicht ausreichte.

Die Bauarbeiten an der Anlage begannen im Sommer 1937.

Zu Beginn des Zweiten Weltkrieges, im September 1939, waren sieben der acht Hotelblöcke im Rohbau fertig gestellt. Der achte etwa zur Hälfte. Der Bahnanschluss war auch fertig gestellt worden nebst einem Bahnhof „KdF-Seebad Rügen“; die landseitigen Gemeinschaftshäuser, Küchen, Lagerräume und die Unterkünfte für die Hotelbediensteten standen vor der Fertigstellung.

Die Eröffnung der Anlage war für 1940 vorgesehen. Dazu kam es jedoch nicht mehr. Mit Beginn des Krieges wurden alle Arbeiten eingestellt; alles was nicht unmittelbar kriegswichtig war, wurde nun nicht mehr (weiter) gebaut. 1940 fanden als einzige Maßnahme noch Abdichtungsarbeiten an den Dächern der Hotelbauten statt, um den Rohbau zu sichern. Rohbau hieß hier: Bau ohne Fenster und Putz.

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Geplant war ein Weiterbau nach dem Ende des Krieges. Umgerechnet in heutige Währung hätte die Gesamtanlage weit über eine Milliarde Euro gekostet!

Während des Krieges wurden in Teilen der unfertigen Anlage Luftwaffenhelferinnen ausgebildet und ein Polizeibataillon. Teile des südlichen Blockes wurden 1943 ausgebaut, um hier ausgebombten Hamburger Familien eine Notunterkunft zur Verfügung zu stellen. Ab 1944 befand sich in einem Teil der Gebäude (vermutlich im Mittelteil) ein Lazarett der Deutschen Wehrmacht.

1945 zogen die russischen Truppen im Block V ein und nutzten Teile der Anlage als Internierungslager.

Natürlich wurde die Anlage von den russischen Truppen geplündert und alles, was nicht niet- und nagelfest war, wurde ausgebaut und in die Sowjetunion verschifft. Die Gleise der Bahntrasse von Binz nach Lietzow wurden zum Zwecke der Reparation demontiert. Die sowjetischen Besatzer blieben bis 1953 in der Anlage. Sie sprengten unter anderem den unfertigen südlichen Hotelblock zur Baumaterialgewinnung. Die beiden nördlichen Blocks wurden ebenfalls zu Sprengübungen genutzt, jedoch nicht vollständig abgebrochen. Sie stehen noch heute.

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Nach dem Abzug der russischen Truppen stellte die DDR-Organisation FDJ (Freie Deutsche Jugend) „Rückforderungsansprüche“ auf das Gelände. Doch die Führung der DDR hatte nun andere Pläne, als hier eine Hotelanlage zu vollenden… die übrig gebliebenen fünf Blöcke (Gesamtlänge mehr als 2,5 Kilometer!) wurde zwischen 1950 und 1956 zur größten Kasernenanlage der DDR ausgebaut. Die noch als unfertige Rohbauten stehenden Gebäude der geplanten Hotelanlage wurden aufgemauert und fertig gestellt. Die Gebäude erhielten nun ihren charakteristischen grau-braunen Putz.

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Die abgebaute Bahntrasse wurde wieder errichtet und sogar noch ein zweiter Bahnhof („Prora Ost“) errichtet. Bis zum Ende der DDR und der NVA im Jahre 1990 war Prora nun ein Militärstandort. In der Spitze waren hier zwischen 10.000 und 15.000 Soldaten stationiert! Endlose Betonplattenstraßen verbanden die einzelnen Gebäude.

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Block I wurde bis 1990 – separat abgeschirmt – als Erholungsheim „Walter Ulbricht“ für ranghohe und ausgezeichnete Militärangehörige genutzt und nahm eine Sonderrolle in der militärischen Nutzung des Objektes ein.

In den Blöcken II und III war die berüchtigte Militärtechnische Schule „Erich Habersaath“ untergebracht. Hier wurden hauptsächlich Unteroffiziere und Fähnriche ausgebildet. Im Block II fand die Ausbildung für die Raketentruppen der Luftstreitkräfte / Luftverteidigung statt; im Block III die Ausbildung für die Nachrichtentruppen.

Im Block IV war bis 1964 das Panzerregiment 8 (PR-8) mit mehr als 100 Panzern untergebracht. Danach das motorisierte Schützenregiment 29 und ab 1981 (nach einem Umbau) die Offiziershochschule „Otto Winzer“ für die Ausbildung von ausländischen Offizieren.

Im Block V wurde etwa ab 1960 das einzige Fallschirmjägerregiment der DDR ausgebildet. Später wurde daraus das Lufsturmregiment-40 gebildet. Die Fallschirmjäger übten unter anderem in den Ruinen der beiden nördlichen Blöcke der Anlage den Häuserkampf und nutzten die Ruinen auch zu Sprengübungen. Ab 1982 zogen hier die sogenannten „Bausoldaten“ als Pionierbaubataillon Mukran ein – Wehrpflichtige der DDR, die den Dienst an der der Waffe verweigerten.

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1980 umfasste die militärische Ausrüstung in der Kasernen-Anlage Prora 150 Schützenpanzer, 140 Panzer, je 54 Haubitzen und Flugabwehrkanonen, 12 Flugabwehrraketen, 250 LKW und 150 Spezial-Fahrzeuge.

Trotz der idyllischen Lage: hier herrschte absoluter militärischer Drill. Der Strand durfte ohne Genehmigung nicht betreten werden!

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Nach dem Ende der DDR übernahm die Bundeswehr 1990 den Standort formell, hatte jedoch keine Verwendung dafür und zog 1992 ab.

Noch im selben Jahr (1992) wurde die Gesamtanlage als „ehemaliges KdF-Bad“ unter Denkmalschutz gestellt. Dies ist insoweit irritierend, als dass es eine solche Nutzung nie gegeben hat und die einzige tatsächliche Nutzung als gigantischer Kasernenkomplex der DDR völlig unterschlägt und ignoriert. Hier liegt die Tragik und Herausforderung dieses Geländes: eine angemessene Erinnerungskultur zu schaffen. Lange stritt man sich, was mit diesem Koloss aus Beton zu tun sei. 1994 wurden dazu Symposien veranstaltet, um Nachnutzungskonzepte zu entwickeln. 1997 wurde eine Machbarkeitsstudie für die touristische Entwicklung des Geländes erstellt; ab 2004 wurden die einzelnen Blöcke an verschiedene Investoren verkauft. Ein großer Teil der Blöcke ist inzwischen saniert und wird als Hotel, Ferienwohnung und zum Teil zu Wohnzwecken genutzt; einige Restaurants und kleine Läden befinden sich in den landseitigen Anbauten. Seeseitig wurde ein großer Streifen des Küstenwaldes gerodet. Der optische Eindruck einer trostlosen Betonwüste wird dadurch noch verstärkt.

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Gegenwärtig laufen Umbauarbeiten am ehemaligen, zentralen und landseitigen Teil der Anlage. Die lokalen Verkehrsschilder weisen zum „KdF-Bad“ – sehr befremdlich!

Die noch erhaltenen Ruinen der beiden nördlichen Blöcke werden ebenfalls touristisch vermarktet – Wegweiser zeigen den Weg und es gibt einen bewirtschafteten Parkplatz. Hinweistafeln, die sich mit der Geschichte des Ortes auseinandersetzen, fehlen.

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In die erhaltenen Ruinen des nördlichen Teil der Anlage verirrte sich lange Zeit kein Mensch. Die Reste der Hotelblöcke schlummern im Wald – zumindest der neuzeitliche Mythos, das die Gebäude nicht zu sprengen gewesen sein sollen, wird hier widerlegt. Auch eine U-Bahn hat es hier nie gegeben…

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Vom geplanten Gemeinschaftshaus – dem nördlichen seeseitigen „Wellenbrecher“ – stehen noch die Fundamente. Sie ragen fast bis an den Strand.

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Die Plattform „Denk-Mal-Prora“ stellt fest: Die Chance, Prora mit seinem DDR-Flair als echten Erinnerungsort und Mahnmal zu erhalten, ist inzwischen verspielt. Der Bau der Jugendherberge setzte das Fanal für die Umwandlung des Kolosses zu einem modernen strahlendweißen Seebad. Auch das Klientel des Ortes hat sich gründlich gewandelt. Und inzwischen wird diese Entwicklung Proras mehrheitlich begrüßt. Tatsächlich ist die Transformation ein spannender Prozess, der dem Ort Zukunft bietet. Angesichts der herrlichen Strandlage kann man das begrüßen. Allerdings hat der fälschlicherweise nach KdF-Plänen gestaltete Ort seine zum Innehalten gebietende Atmosphäre und letztlich ein ganzes Stück seiner wahren Geschichte verloren.

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Quellen:

[Hrsg.] Fischer, Torben / Lorenz, Matthias M. „Lexikon der Vergangenheitsbewältigung in Deutschland. Debatten und Diskursgeschichte des Nationalsozialismus nach 1945“, 2007

Internetpräsenz denkmalprora Punkt de

Ellenbogen, Michael „Rügen: “Prora“, das größte Hotel der Welt“, in: „Gigantische Visionen“, 2006

Philpott, Colin „Relics of the The Reich. The buildings the Nazis left behind”, 2016

Rostock, Jürgen / Zadnicek, Franz „Paradiesruinen. Das KdF-Seebad der Zwanzigtausend auf Rügen“, 9. Aktualisierte Auflage, 2012

Wolter, Stefan Stadtherr „Auferstanden aus KdF- Ruinen. Der stalinistische Kasernengroßbau Prora und seine heutige Konzeption.“, in: [Hrsg.] Handorf, Dirk / Kirchner, Jörg „Alles Platte? Architektur im Norden der DDR als kulturelles Erbe“, Landesamt für Kultur und Denkmalpflege Mecklenburg-Vorpommern, Abteilung Landesdenkmalpflege, 2018