Prora – KdF – Bad

In Beton gegossener Größenwahn: der Koloss von Prora. Mehr als vier Kilometer Bettenburg liegen parallel zum malerischen Strand der Prorer Wiek in den Dünenwäldern auf halbem Weg zwischen Sassnitz und Binz auf der malerischen Insel Rügen.

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Ein Bau, der schon immer polarisiert hat.

Geplant waren die Betonklötze am Strand als Seebad für die Arbeiter des Dritten Reiches. Die nationalsozialistische Organisation „Kraft durch Freude“ (KdF) plante hier Massentourismus für 20.000 Urlauber gleichzeitig. Da es einen Ort Prora bisher nicht gab, musste hier zunächst die komplette Infrastruktur aus dem Boden gestampft werden. Der Rügendamm als Straßenverbindung zum Festland wurde ebenso für dieses Riesenprojekt errichtet sowie eine Bahnstrecke.

1935 wurde das Gelände vom bisherigen Eigentümer Fürst Malte von Putbus erworben. Die offizielle Grundsteinlegung erfolgte im Februar 1936 – da lief das Ausschreibungsverfahren für den Bau noch. Der Kölner Architekt Clemens Klotz wurde mit der Planung beauftragt. Eine unbeabsichtigte Ironie der Geschichte, dass der Architekt Klotz derartig klotzige Bauten errichtete.

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Nichtsdestotrotz, der Entwurf des Architekten Klotz, der acht baugleiche Hotel-Blöcke vorsah, jeder sechs Etagen hoch und 500 Meter lang, gewann 1937 auf der Weltausstellung in Paris den ersten Preis. Die Hotelanlage gliederte sich in einen Nordteil und einen Südteil, jeder 2,2 Kilometer lang. Ein Wandelgang sollte alle Blöcke miteinander verbinden.  Im Erdgeschoss waren öffentliche Einrichtungen vorgesehen: Kaffees, Restaurants, Bibliotheken, kleine Läden und Dienstleistungseinrichtungen. In allen anderen Etagen der Gebäude waren die Gästezimmer – alle mit Meerblick.

Die Flure und Treppenhäuser waren alle landseitig angeordnet. Geplant waren die Zimmer alle als Zwei-Bettzimmer mit (heute) recht spartanischer Ausstattung: zwei Betten, eine kleine Sitzecke und ein Waschbecken. Toiletten und Duschen waren als Gemeinschaftseinrichtung in den landseitigen Anbauten geplant.

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Zwischen den Hotelblöcken waren – wie Wellenbrecher in Richtung Seeseite – große Zwischenbauten als Gemeinschaftshäuser vorgesehen. Zehn Stück waren geplant, acht seeseitig und zwei im Mittelteil der Anlage zur Landseite hin.

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Hier sollten überdachte Liegehallen, Schwimmbäder, Kinos und große Speisesäle untergebracht werden. Seeseitig im Mittelteil der Anlage war eine Kaianlage geplant. Große Schiffe hätten hier jedoch nicht anlegen können, da die Wassertiefe in der Bucht dafür nicht ausreichte.

Die Bauarbeiten an der Anlage begannen im Sommer 1937.

Zu Beginn des Zweiten Weltkrieges, im September 1939, waren sieben der acht Hotelblöcke im Rohbau fertig gestellt. Der achte etwa zur Hälfte. Der Bahnanschluss war auch fertig gestellt worden nebst einem Bahnhof „KdF-Seebad Rügen“; die landseitigen Gemeinschaftshäuser, Küchen, Lagerräume und die Unterkünfte für die Hotelbediensteten standen vor der Fertigstellung.

Die Eröffnung der Anlage war für 1940 vorgesehen. Dazu kam es jedoch nicht mehr. Mit Beginn des Krieges wurden alle Arbeiten eingestellt; alles was nicht unmittelbar kriegswichtig war, wurde nun nicht mehr (weiter) gebaut. 1940 fanden als einzige Maßnahme noch Abdichtungsarbeiten an den Dächern der Hotelbauten statt, um den Rohbau zu sichern. Rohbau hieß hier: Bau ohne Fenster und Putz.

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Geplant war ein Weiterbau nach dem Ende des Krieges. Umgerechnet in heutige Währung hätte die Gesamtanlage weit über eine Milliarde Euro gekostet!

Während des Krieges wurden in Teilen der unfertigen Anlage Luftwaffenhelferinnen ausgebildet und ein Polizeibataillon. Teile des südlichen Blockes wurden 1943 ausgebaut, um hier ausgebombten Hamburger Familien eine Notunterkunft zur Verfügung zu stellen. Ab 1944 befand sich in einem Teil der Gebäude (vermutlich im Mittelteil) ein Lazarett der Deutschen Wehrmacht.

1945 zogen die russischen Truppen im Block V ein und nutzten Teile der Anlage als Internierungslager.

Natürlich wurde die Anlage von den russischen Truppen geplündert und alles, was nicht niet- und nagelfest war, wurde ausgebaut und in die Sowjetunion verschifft. Die Gleise der Bahntrasse von Binz nach Lietzow wurden zum Zwecke der Reparation demontiert. Die sowjetischen Besatzer blieben bis 1953 in der Anlage. Sie sprengten unter anderem den unfertigen südlichen Hotelblock zur Baumaterialgewinnung. Die beiden nördlichen Blocks wurden ebenfalls zu Sprengübungen genutzt, jedoch nicht vollständig abgebrochen. Sie stehen noch heute.

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Nach dem Abzug der russischen Truppen stellte die DDR-Organisation FDJ (Freie Deutsche Jugend) „Rückforderungsansprüche“ auf das Gelände. Doch die Führung der DDR hatte nun andere Pläne, als hier eine Hotelanlage zu vollenden… die übrig gebliebenen fünf Blöcke (Gesamtlänge mehr als 2,5 Kilometer!) wurde zwischen 1950 und 1956 zur größten Kasernenanlage der DDR ausgebaut. Die noch als unfertige Rohbauten stehenden Gebäude der geplanten Hotelanlage wurden aufgemauert und fertig gestellt. Die Gebäude erhielten nun ihren charakteristischen grau-braunen Putz.

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Die abgebaute Bahntrasse wurde wieder errichtet und sogar noch ein zweiter Bahnhof („Prora Ost“) errichtet. Bis zum Ende der DDR und der NVA im Jahre 1990 war Prora nun ein Militärstandort. In der Spitze waren hier zwischen 10.000 und 15.000 Soldaten stationiert! Endlose Betonplattenstraßen verbanden die einzelnen Gebäude.

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Block I wurde bis 1990 – separat abgeschirmt – als Erholungsheim „Walter Ulbricht“ für ranghohe und ausgezeichnete Militärangehörige genutzt und nahm eine Sonderrolle in der militärischen Nutzung des Objektes ein.

In den Blöcken II und III war die berüchtigte Militärtechnische Schule „Erich Habersaath“ untergebracht. Hier wurden hauptsächlich Unteroffiziere und Fähnriche ausgebildet. Im Block II fand die Ausbildung für die Raketentruppen der Luftstreitkräfte / Luftverteidigung statt; im Block III die Ausbildung für die Nachrichtentruppen.

Im Block IV war bis 1964 das Panzerregiment 8 (PR-8) mit mehr als 100 Panzern untergebracht. Danach das motorisierte Schützenregiment 29 und ab 1981 (nach einem Umbau) die Offiziershochschule „Otto Winzer“ für die Ausbildung von ausländischen Offizieren.

Im Block V wurde etwa ab 1960 das einzige Fallschirmjägerregiment der DDR ausgebildet. Später wurde daraus das Lufsturmregiment-40 gebildet. Die Fallschirmjäger übten unter anderem in den Ruinen der beiden nördlichen Blöcke der Anlage den Häuserkampf und nutzten die Ruinen auch zu Sprengübungen. Ab 1982 zogen hier die sogenannten „Bausoldaten“ als Pionierbaubataillon Mukran ein – Wehrpflichtige der DDR, die den Dienst an der der Waffe verweigerten.

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1980 umfasste die militärische Ausrüstung in der Kasernen-Anlage Prora 150 Schützenpanzer, 140 Panzer, je 54 Haubitzen und Flugabwehrkanonen, 12 Flugabwehrraketen, 250 LKW und 150 Spezial-Fahrzeuge.

Trotz der idyllischen Lage: hier herrschte absoluter militärischer Drill. Der Strand durfte ohne Genehmigung nicht betreten werden!

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Nach dem Ende der DDR übernahm die Bundeswehr 1990 den Standort formell, hatte jedoch keine Verwendung dafür und zog 1992 ab.

Noch im selben Jahr (1992) wurde die Gesamtanlage als „ehemaliges KdF-Bad“ unter Denkmalschutz gestellt. Dies ist insoweit irritierend, als dass es eine solche Nutzung nie gegeben hat und die einzige tatsächliche Nutzung als gigantischer Kasernenkomplex der DDR völlig unterschlägt und ignoriert. Hier liegt die Tragik und Herausforderung dieses Geländes: eine angemessene Erinnerungskultur zu schaffen. Lange stritt man sich, was mit diesem Koloss aus Beton zu tun sei. 1994 wurden dazu Symposien veranstaltet, um Nachnutzungskonzepte zu entwickeln. 1997 wurde eine Machbarkeitsstudie für die touristische Entwicklung des Geländes erstellt; ab 2004 wurden die einzelnen Blöcke an verschiedene Investoren verkauft. Ein großer Teil der Blöcke ist inzwischen saniert und wird als Hotel, Ferienwohnung und zum Teil zu Wohnzwecken genutzt; einige Restaurants und kleine Läden befinden sich in den landseitigen Anbauten. Seeseitig wurde ein großer Streifen des Küstenwaldes gerodet. Der optische Eindruck einer trostlosen Betonwüste wird dadurch noch verstärkt.

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Gegenwärtig laufen Umbauarbeiten am ehemaligen, zentralen und landseitigen Teil der Anlage. Die lokalen Verkehrsschilder weisen zum „KdF-Bad“ – sehr befremdlich!

Die noch erhaltenen Ruinen der beiden nördlichen Blöcke werden ebenfalls touristisch vermarktet – Wegweiser zeigen den Weg und es gibt einen bewirtschafteten Parkplatz. Hinweistafeln, die sich mit der Geschichte des Ortes auseinandersetzen, fehlen.

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In die erhaltenen Ruinen des nördlichen Teil der Anlage verirrte sich lange Zeit kein Mensch. Die Reste der Hotelblöcke schlummern im Wald – zumindest der neuzeitliche Mythos, das die Gebäude nicht zu sprengen gewesen sein sollen, wird hier widerlegt. Auch eine U-Bahn hat es hier nie gegeben…

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Vom geplanten Gemeinschaftshaus – dem nördlichen seeseitigen „Wellenbrecher“ – stehen noch die Fundamente. Sie ragen fast bis an den Strand.

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Die Plattform „Denk-Mal-Prora“ stellt fest: Die Chance, Prora mit seinem DDR-Flair als echten Erinnerungsort und Mahnmal zu erhalten, ist inzwischen verspielt. Der Bau der Jugendherberge setzte das Fanal für die Umwandlung des Kolosses zu einem modernen strahlendweißen Seebad. Auch das Klientel des Ortes hat sich gründlich gewandelt. Und inzwischen wird diese Entwicklung Proras mehrheitlich begrüßt. Tatsächlich ist die Transformation ein spannender Prozess, der dem Ort Zukunft bietet. Angesichts der herrlichen Strandlage kann man das begrüßen. Allerdings hat der fälschlicherweise nach KdF-Plänen gestaltete Ort seine zum Innehalten gebietende Atmosphäre und letztlich ein ganzes Stück seiner wahren Geschichte verloren.

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Quellen:

[Hrsg.] Fischer, Torben / Lorenz, Matthias M. „Lexikon der Vergangenheitsbewältigung in Deutschland. Debatten und Diskursgeschichte des Nationalsozialismus nach 1945“, 2007

Internetpräsenz denkmalprora Punkt de

Ellenbogen, Michael „Rügen: “Prora“, das größte Hotel der Welt“, in: „Gigantische Visionen“, 2006

Philpott, Colin „Relics of the The Reich. The buildings the Nazis left behind”, 2016

Rostock, Jürgen / Zadnicek, Franz „Paradiesruinen. Das KdF-Seebad der Zwanzigtausend auf Rügen“, 9. Aktualisierte Auflage, 2012

Wolter, Stefan Stadtherr „Auferstanden aus KdF- Ruinen. Der stalinistische Kasernengroßbau Prora und seine heutige Konzeption.“, in: [Hrsg.] Handorf, Dirk / Kirchner, Jörg „Alles Platte? Architektur im Norden der DDR als kulturelles Erbe“, Landesamt für Kultur und Denkmalpflege Mecklenburg-Vorpommern, Abteilung Landesdenkmalpflege, 2018

8 Gedanken zu „Prora – KdF – Bad

  1. Toller Bericht, danke dafür.
    Von November 88 bis Februar 90 habe ich in der OHS Otto Winzer meinen GWD abgeleitet. Seitdem bin ich öfter dort, mache Fotos und schaue mir die Veränderungen an, meist aber nur das Gelände der ehemaligen OHS.
    Grüße Thomas

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    • Hallo Thomas, Danke für das Lob! Ich wusste bis jetzt gar nicht, das man an der OHS seinen Grundwehrdienst ableisten musste – dachte, das wäre nur für „die ausländischen Kader“. Falls Du noch Bilder aus der Zeit der OHS haben solltest, oder aus der Zeit des Leerstandes, wäre das toll.
      Viele Grüße, der Frank

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      • Hallo Frank,
        ja, an der OHS gab es einen V-Zug (Versorgungszug) für „Hausmeister“ und Küchenpersonal, eine Kompanie zur Sicherstellung der Ausbildung (KSA) für Fahrzeuge zum Transport und für die Ausbildung und einen I-Zug (Instandsetzung) für die Wartung und Reparatur der Fahrzeuge. Dort waren normale Soldaten und Gefreite im GWD eingesetzt.
        Bilder habe ich auch noch – während der Zeit dort, aber nur in Papierform, in Schwarz – Weiß und hauptsächlich mit Personen, nach der Wende auch nur in Papierform, aber in Farbe von den Gebäuden – teilweise von innen, teilweise von außen ( leider ist mir eine Festplatte mit Bildern abgeschmiert). Wenn du daran interesse hast …?
        Grüße Thomas

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      • Hallo Thomas, Danke für die Informationen zur OHS – sehr interessant. Na klar hab ich an den Bildern Interesse 😉 Kannst mich gerne über das Kontaktformular anschreiben. Danke Dir und viele Grüße, der Frank

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    • Danke für das Lob. In der Tat, schwierig, hier vollständig neutral zu bleiben… Ich hatte es ja auch als Statement im Text: dieser Ort (und seine Geschichte) polarisieren eben; der Umgang damit auch. Sehr schade, das oft fast ausschließlich eben nur auf die nie stattgefundene Nutzung fokussiert wird. Ich hoffe, ich konnte hier einen kleinen Beitrag leisten, das Bild etwas gerade zu rücken 😉

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      • Gerade das finde ich sehr gut. Ich war letztes Jahr in Prora und für mich war es auch nur das KdF-Bad. Zwar wissend, dass es das nie geworden ist, aber eben auch nicht so richtig wissend, wie man es sonst sehen sollte. Dein Beitrag eröffnet ganz neue Perspektiven. Nun fehlt uns nur noch ein kurzer knackiger Begriff, der das auf den Punkt bringt (und auch auf Schilder passt). 🙂

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      • Ja, so ging es mir auch bei der Titelwahl für diesen Beitrag – mir ist „auf die Schnelle“ auch nichts knackiges eingefallen… und da das wirklich jeder nur als „KdF-Bad“ kennt, blieb es erstmal dabei.

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