Darßbahn

Bei diesen Worten seufzen nicht nur Bahnnostalgiker: die Darßbahn.

Als die bahntechnische Erschließung von Mecklenburg und Vorpommern mit der Planung der Hauptstecke zwischen Rostock und Stralsund begann, wollte man das kleine Städtchen Barth zuerst mit in die Streckenführung integrieren. Dies wurde jedoch verworfen, und das Städtchen Barth wurde über eine von der Hauptstrecke in Velgast abzweigende Stichstrecke als Nebenbahn in Normalspurweite angeschlossen. Die Eröffnung der Hauptstecke und der Stichstrecke bis Barth erfolgte im Jahre 1888.

Kurz darauf begannen Überlegungen, die Strecke von Barth aus auf die Halbinsel Darß zu verlängern. Insbesondere der langsam einsetzende Tourismus – wiederum durch die Bahn beschleunigt – weckte Begehrlichkeiten bei den Ostseebädern Zingst, Prerow und Ahrenshoop. Im Dezember 1904 gab es in Stettin eine extra Konferenz zum Thema Darßbahn, auf der die zukünftige Streckenführung grundsätzlich beschlossen wurde. Jedoch wurde die ursprünglich geplante Strecke aus Kostengründen gekürzt und eine Anbindung von Ahrenshoop war vom Tisch.

1905 begannen die ersten Vermessungsarbeiten an der künftigen Bahntrasse.

Es dauerte dann noch bis zum Jahr 1908, bis die notwendigen Finanzmittel bereit standen. Erst im Frühjahr 1909 begannen die Bauarbeiten an der Trasse. Es wurde parallel an mehreren Streckenabschnitten gleichzeitig gearbeitet, so dass die gesamte Strecke schon im November 1910 fertig gestellt werden konnte!

Das bautechnische Highlight dieser Strecke ist definitiv die Meiningenbrücke.

Ganze 470 Metern spannt sich die Fachwerkbrücke aus Eisenträgern über den Meiningenstrom. Ein Teil der Brücke ist drehbar, um größeren Schiffen die Durchfahrt zu ermöglichen. Das Brückenwärterhäuschen sitzt oberhalb der Brücke. Mit dem Bau dieser Brücke wurde bereits 1908 begonnen. Restarbeiten (hauptsächlich Verstärkungsarbeiten an den Böschungen) zogen sich noch bis 1912 hin – bei laufendem Betrieb.

Offiziell wurde die Strecke von Bart nach Prerow am 01.Dezember 1910 für den öffentlichen Verkehr freigegeben: Im Amtsblatt der Königlichen Regierung zu Stralsund liest sich das dann so: „Am 01. Dezember 1910 wird die normalspurige Bahnstrecke Barth – Prerow als Nebenbahn mit den Bahnhöfen Tannenheim, Pruchten, Bresewitz, Zingst und Prerow für den Personen-, Güter – und Gepäckverkehr sowie für die Abfertigung von Leichen und lebenden Tieren eröffnet

Als zulässige Höchstgeschwindigkeit für den Bahnverkehr auf der Trasse waren 50 Kilometer pro Stunde zugelassen. Für damalige Verhältnisse richtig schnell. Für die auch durch Barth geführte Nebenbahn der Franzburger Kreisbahnen waren nur 30 Kilometer pro Stunde zugelassen. Der Erfolg der Bahnstrecke war so gigantisch, das bereits 14 Tage nach deren Eröffnung sämtliche Dampfschifflinien, die bis dahin zwischen Barth und den Ostseebädern verkehrten, ihren Betrieb komplett einstellten.

Bei einer Sturmflut am 30.Dezember 1913 wurde die Meiningenbrücke beschädigt und die Kloer-Brücke zwischen Pruchten und Bresewitz stürzte ein. Bis zum Neubau der Kloer-Brücke 1916 kam der Bahnverkehr zeitweise zum erliegen. Als Folge des ersten Weltkrieges brachen die Fahrgastzahlen ein. Als sich dies auch Anfang der 1920er Jahre noch nicht besserte, sollte die Strecke attraktiver gemacht werden. Geplant war (wieder einmal) eine Verlängerung der Strecke bis Ahrenshoop und weiter bis nach Graal-Müritz, um dort einen Anschluß herzustellen zur Mecklenburgischen Bäderbahn. Die Reichsbahndirektion in Stettin lehnte diese Pläne jedoch im Jahre 1925 ab.

Anfang der 1930er Jahre stiegen die Passagierzahlen auf der Strecke wieder an. Nach 1933 explodierten sie gerade zu. Zum einen durch die massive Förderung des Urlaubs in den Ostseebädern durch den KdF. Zum anderen durch die massive Aufrüstung im Dritten Reich. Barth erhielt einen Fliegerhorst nebst Gleisanschluß; im Barther Stadtforst entstand ein großes Rüstungsunternehmen (PIW Pommersche Industriewerke), die ausgehend vom Bahnhof in Tannenheim mit einem Bahngleis an die Strecke angebunden wurden. Auf dem östlichen Ende der Halbinsel Darß entstand ein Flak-Schießplatz, der über den Bahnhof Zingst versorgt wurde.

Nach einem schweren Zugünglück im Bahnhof Prerow im April des Jahres 1944 wurde der Bahnbetrieb zwischen Zingst und Prerow eingestellt. Ein Zug war wegen einer falsch gestellten Weiche entgleist. Sieben Menschen starben bei dem Unglück.

In den letzten Kriegstagen des Jahres 1945 sollte die Meiningenbrücke noch gesprengt werden. Zum Glück konnte dies verhindert werden. Einmarschierende russische Truppen fanden die Strecke unversehrt vor. Nach dem Ende des Krieges wurde sämtliche auf dem Darß verlaufende Gleise demontiert und als Reparationsleistung in die Sowjetunion verbracht.

Bahntrasse Richtung Zingst von der Meiningenbrücke aus gesehen – heute als Radweg genutzt

Aus Richtung Barth lief der Bahnbetrieb bis 1947 bis zum letzten Halt vor der Meiningenbrücke: Bresewitz. Schließlich wurde auch diese Strecke als Reparationsleistung demontiert.

Die Meiningenbrücke wurde fortan als Straßenbrücke genutzt, obwohl die Gleise auf der Brücke immernoch vorhanden waren.

Anfang der 1950er Jahre forderten die Städte und Dörfer entlang der ehemaligen Strecke den Wideraufbau. Jedoch erst durch das massive Interesse der Nationalen Volksarmee, die den ehemaligen Flak-Schießplatz „Sundische Wiesen“ östlich von Zingst wieder in Betrieb genommen hatte, kam Bewegung in die Sache. Zudem stationierte die Nationale Volksarmee im Wald vor den Toren der Stadt Barth (in unmittelbarer Nähe zum inzwischen ebenfalls demontierten Werk der Pommerschen Industriewerke) eine Flugabwehr-Raketenstellung. Der Transportbedarf der NVA gab schließlich den Ausschlag zum teilweisen Wideraufbau der Strecke. 1967 errichteten Eisenbahnpioniere der NVA die Strecke – jedoch nur bis Bresewitz. Da die hinter Bresewitz liegende Meiningenbrücke nun als Straßenbrücke genutzt wurde, wäre ein Brückenneubau erforderlich gewesen, um die Bahntrasse – wie ursprünglich geplant – bis nach Zingst (und zum Flak-Schießplatz) weiter zu führen. Aus Kostengründen wurde dies nicht realisiert. Das wider errichtete Teilstück der Darßbahn wurde jedoch nur militärisch genutzt – regulärer und fahrplanmäßiger Passagier- und Güterverkehr endete nach wie vor in Barth (aus Velgast kommend).

Nach dem Ende der DDR und der Auflösung der Nationalen Volksarmee kam der Verkehr auf dem Teilstück Barth – Bresewitz zum erliegen. Ziviler Bedarf bestand zunächst nicht. Die letzten Züge rollten hier 1997, als ein paar Wagen nach Bresewitz überführt wurden. Seit dem ruht der Bahnverkehr – als offiziell stillgelegt gilt die Strecke nicht, obwohl seit mehr als 30 Jahren die Gleise keine Züge mehr gesehen haben.

Die Strecke endet aus Richtung Barth kurz nach dem Bahnhof an einem Prellbock. Einige Bahnübergänge wurden inzwischen asphaltiert, so dass die Strecke nicht mehr ohne weiteres durchgängig befahr ist.

Viele Jahre (bis etwa 2017) drohte sogar eine völlige Einstellung des Bahnbetriebes auf der Strecke von Velgast nach Barth. Nachdem die Deutsche Bahn viele Jahre nichts in die Strecke investiert hatte und wesentliche Bahnanlagen sogar zurück gebaut hatte, wurde der ehemaligen Bahnhof Barth (von dem sogar Schnellzüge nach Berlin und Frankfurt / Main abgingen) zum bloßen Haltepunkt zurückgestuft.

Im Wesentlichen gibt es seit Mitte der 1990er Jahre Bestrebungen, die Darßbahn in ihrer ursprünglichen Streckenführung wieder herzustellen. Ein Planfeststellungsverfahren läuft seit dem Jahre 2010 eher schleppend. Nach ganzen 6 (!) Jahren erging zumindest der Planfeststellungsbeschluß für den Streckenabschnitt von Barth nach Bresewitz. Völlig absurd erscheint für den außenstehenden Betrachter, das man sich in eben jenem Planfeststellungsbeschluß auf den originären Planungs-Beschluß aus dem Jahre 1908 berufen muss: Ein Großteil der baulichen Maßnahmen zur Wiederinbetriebnahme der Darßbahn – wie beispielsweise die Ertüchtigung der Gleisanlage – findet seine Rechtsgrundlage bereits in der Planfeststellung aus dem Jahre 1908. Insoweit macht die Vorhabensträgerin von ihrem Recht Gebrauch, ohne dass es hierfür einer neuerlichen behördlichen Entscheidung […] bedürfte. Damit meint man, heute geltende Regelungen völlig außer Kraft setzen zu müssen – was natürlich Wasser auf die Mühlen der Kritiker der Darßbahn darstellt. Im Wesentlichen scheint das Projekt „Widerherstellung der Darßbahn“ zum Spielball politischer Entscheidungen und Wahlkampftaktik geworden zu sein.

Im Jahre 2020 gab es grundsätzlich „grünes Licht“ für eine Widererrichtung. Geplant ist eine schrittweise Inbetriebnahme – ab dem Fahrplanwechsel Dezember 2022 bis Bresewitz und bis zum Jahr 2028 bis nach Prerow. (Man erinnere sich: der Neubau der gesamten Strecke dauerte „damals vor einhundert Jahren“ nur etwas länger als ein Jahr!). Ganze 115 Millionen Euro soll das Ganze (Stand 2020) kosten – mal sehen, welche Summe am Schluss aufgelaufen sein wird.

Auch ist wieder eine Verlängerung der Darßbahnstrecke in der Diskussion: über Ahrenshoop nach Graal-Müritz. Irgendwie scheint sich Geschichte manchmal zu widerholen…

Darßbahn – Streckenverlauf,
Copyright: Martin Hoffmann, 2008, angepasst LostPlaceWunderland, 2021
Permission is granted to copy, distribute and/or modify this document under the terms of the GNU Free Documentation License, Version 1.1 or any later version published by the Free Software Foundation https://www.gnu.org/licenses/old-licenses/fdl-1.1.html

Der Streckenverlauf (km – Angaben entsprechen nicht der offiziellen Bahn-Nomenklatur)

km 0,0 Barth (ehemaliger Bahnhof) – Umsteigepunkt zur FKB Franzburger Kreisbahnen

km 3,2 Tannenheim

km 5,1 Pruchten

km 7,5 Bresewitz

km 11,9 Zingst

km 18,3 Prerow

Quellen:

[Hrsg.] Eisenbahnbundesamt „Planfeststellungsbeschluss gemäß § 18 AEG für das Vorhaben Wiederinbetriebnahme Darßbahn. Streckenabschnitt Barth – Bresewitz in den Gemeinden Barth und Pruchten, Landkreis Vorpommern – Rügen. Bahn-km 29,875 bis 38,301 der Strecke 6778 Velgast – Zingst“, 24.04.2016

Fritzsche, Sascha „Die Eisenbahn auf dem Darß“, 2010

Hofmann, Martin, „Historischer Atlas der Eisenbahnstrecken in der Bundesrepublik Deutschland. Entwicklungsfassung“, 2008; veröffentlicht unter GNU Free Documentation License Version 1.1 or any later version

Niemeyer, Robert „Bahnanbindung vor dem Aus“, Ostsee-Zeitung, 17.11.2015

2 Gedanken zu „Darßbahn

  1. Pingback: Lagerstadt Barth – Pausenraum Rostock

  2. Von Velgast nach Barth, 3 Jahre lang, im Schnitt alle 6 Wochen – da war die Stimmung immer getrübt, ging es doch zurück in die Kaserne.
    Von Barth nach Velgast war die Stimmung dagegen immer super. Und in Velgast war genügend Umsteigezeit, um sich im Dorfkonsum mit ein paar Bierflaschen einzudecken, die Fahrt bis Magdeburg war schließlich lang.
    Ich glaube mich zu erinnern, 1980 oder 1981 von Magdeburg mit nem Sonderzug bis Bresewitz? gefahren zu sein, um mit anderen Jugendlichen gemeinsame Zeit im Lager der Gesellschaft für Spiel und Tanz in Prerow zu verbringen.
    Gruß
    Nelkenjosef

    Like

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..