Tübingen – Tiergarten

Wer einen kleinen Ausflug in das Tübinger Landschaftsschutzgebiet rund um die Ödenburg unternimmt, stößt mitten im Wald auf Beton. Keine öder Burg, wie man zunächst vermuten möchte. Im Jahre 1906 kaufte ein gewisser Eugen Mannheim mehrere Hektar Wald und Wiesen auf dem Spitzberg. Neben einigen Stallungen und Scheunen entstand ein größerer Gastronomie- und Kulturbetrieb. Hier wurden sogar Operetten aufgeführt. Doch Herr Mannheim hatte noch mehr vor. Er erwarb einen größeren Tierbestand aus dem gerade geschlossenen Stuttgarter Nill´s Zoologischem Garten und richtete hier oben am Berg einen Zoo ein. Die Tübinger nannten den Zoologischen Garten bald schon Mannheims Tiergarten.

Tübingen Tiergarten 002

Eröffnet wurde der Tübinger Tiergarten am 19. Mai 1907. Schnell wurde er eine beliebte Ausflugsattraktion. Schon einen Monat nach der Eröffnung besuchte sogar der württembergische König Wilhelm II. mit seinen beiden Enkeln den Zoo und hinterließ eine Spende von 20 Mark. Der reguläre Eintrittspreis belief sich damals auf 20 Pfennige. Zu sehen gab es hier einiges: insgesamt 12 Braunbären, drei Eisbären, 12 Löwen (von denen zwei sogar im Zoo geboren wurden); ein Königstiger, ein Leopard, zwei Pumas, drei Ozelots, verschiedene Affenarten, Gänsegeier, Hirsche, Dachse, Wildschweine, Kakadus und Sittiche. Zusätzlich befand sich im Gebäude des Restaurants noch ein kleines Reptilienhaus, das sogar einen Alligator beherbergte. Der Tierbestand war nicht statisch, da Herr Mannheim ständig Tiere mit anderen Zoos tauschte (unter anderem mit Carl Hagenbecks Zoo in Hamburg) oder über Tierhändler verkaufte. Zoos waren zur damaligen Zeit „schwer in Mode“. Um den Futterbedarf der Tiere zu decken, wurden pro Woche drei Pferde geschlachtet. Die Stadt Tübingen unterstützte den Zoo mit einem Steuernachlass. Lange hatte der Tiergarten jedoch nicht Bestand. Drei Tage nach Beginn des ersten Weltkrieges wurde Eugen Mannheim zum Wehrdienst einberufen. Er fehlte im Zoo an alle Ecken und Enden, was schließlich zu seinem Niedergang führte. Seine Frau verkaufte nach und nach den Großtierbestand. Im Jahre 1919 musste der Zoo gänzlich schließen. Eugen Mannheim starb 1974. Die Reste einiger Tiergehege seines Zoos haben im Wald die Zeiten überdauert.

Quellen:

Bilder: Alexander Köhler, mit freundlicher Genehmigung

Das Wiki der Stadt Tübingen unter tuepedia Punkt de, Eintrag „Tiergarten“

„Die Eisbären von der Ödenburg“ Reutlinger General-Anzeiger (online), 30.12.2008

Grewe, Professor Bernd-Stefan „Löwen im Tübinger Wald“, 26. November 2019, veröffentlicht online unter historischer minus augenblick Punkt de

Sommer, Katharina „111 Orte in und um Tübingen, die man gesehen haben muss“, 2016

Woller, Moritz „Tiger in Tübingen“ in: Der verrückteste Reiseführer Deutschlands. Geheimnisvolle und vergessene Lost Places“, München, 2023

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