NVA – FRA 4321 Abtshagen

Um es vorweg zu nehmen: Von der Raketenstellung der FRA 4321 in Abtshagen gibt es so gut wie nichts mehr zu sehen. Ein Ausflug hierher lohnt sich definitiv nicht. Es sei denn, man steht darauf, durch einen halbsumpfigen Urwald mit vielen kleinen Wasserläufen, Feuchtwiesen und Dickicht zu laufen, nein, sich eher den Weg frei zu kämpfen.

Nicht umsonst wurde diese Raketenstellung von den hier Dienenden „Sumpfloch“ genannt. Die Feuchtwiesen und der Schlamm waren legendär. Über viele Jahre wurden Unmengen Schotter verkippt zur Stabilisierung des Untergrundes. Die schwere Technik drohte regelmäßig im Schlamm zu versinken. Alles vergebens. Selbst die höher und dammförmig angelegten Hauptwege sackten nach und nach ab.

Bis auf einige wenige Meter sind die ehemaligen Betonplattenstraßen verschwunden. Der Rückbau war hier umfänglich und mehr als gründlich. Es blieben nur zwei (!) Wohnblöcke der Offiziere an der Zufahrtstraße stehen, die noch heute bewohnt sind. 

FRA 4321 Abtshagen 01

Im Gebiet der ehemaligen Feuerstellung kann man noch einen der Radarhügel entdecken und einige Hügel zugeschütteter FB-3 Bunker, von denen manche zu Fledermausquartieren umgebaut wurden – nur eine kleine Öffnung für die Flattertiere schaut mitunter noch aus der Erde. That´s it.

Raketenlagerbunker, Tankstelle, das komplette A-Objekt, die komplette Technische Zone…. alles weg. Ungeliebtes Erbe, ungeliebte Geschichte.

Aufgestellt wurde diese FRA (interessant, das das konkrete Datum noch bekannt ist) vom 14.12. – 21.12.1961 in Pinnow beim Lehr- und Ausbildungsregiment (LAR-12). Zu dieser Zeit lautete die taktische Bezeichnung noch Flak-Abteilung 1 im Flakregiment 18 (FR-18). Die Rückwärtigen Dienste beziehen als Vorauskommando erstmalig den zukünftigen Standort Abtshagen bei Grimmen am 22.12.1961. Kurz vor Weihnachten in eine halbfertige Kasernenanlage zu ziehen, war sicher kein Vergnügen. Der Stellungsausbau erfolgte regelmäßig in Truppeneigenleistung. Sprich: alles musste selber gemacht werden. Bis alles final bezugsfertig war, trainierten die Startbatterie und der Technische Zug weiter in Pinnow.
Am Montag, den 21.05.1962 wird am Nachmittag (nach vorhergehendem gründlichen Revierreinigen am Vormittag) der Marschbefehl verlesen. Verlegungsbeginn für die Raketentechnik war 22.00 Uhr, natürlich aus Gründen der Geheimhaltung.
In der Nacht zum Dienstag werden die Stellungen bezogen, die Technik aufgebaut . Am Nachmittag ist Freizeit befohlen. Innerhalb der nächsten Tage werden die Arbeiten in den Stellungen fortgesetzt: Aufbocken der mobilen Radar-Kabinen, Verlegen der Kabel, Übernahme der Raketentechnik (genutzt wurde hier das russische System „Dwina“), Herstellen der Einsatzbereitschaft.

Wegen des besseren Auffassungswinkels stand die mobile Radartechnik zunächst etwas außerhalb der Feuerstellung, in der Nähe des Dörfchens Sievertshagen. Die Signalübertragung zum Tochtersichtgerät in der Raketenleitstation erfolgte mittels Richtfunk.

Die FRA wird am Donnerstag, den 24.05.1961, gefechtsbereit gemeldet. In den folgenden Wochen und Monaten werden die Raketenstellungen weiter ausgebaut und befestigt und der Kasernenbereich eingerichtet. Das erste Gefechtsschießen auf dem Staatspolygon in Ashuluk erfolgte noch im selben Jahr.

Im sozialistischen Wettbewerb innerhalb des FRR – 18 erreicht die 1. Flak-Abteilung Abtshagen am 01.03.1962 (dem ehemaligen Tag der NVA in der DDR – ein beliebter Stichtag für Auszeichnungen und Belobigungen) den 1. Platz. 

Am 25.September 1962 wurde das gesamte FR-18 (also auch die 1. Flak-Abteilung Abtshagen) in das Diensthabende System der Luftverteidigung der DDR integriert.

1963 gab es Strukturanpassungen, bei der aus dem Flak-Regiment FR-18 das Fla-Raketenregiment FRR-18 wurde und aus der 1. Flak Abteilung wurde die Fla-Raketen-Abteilung FRA 181.

Im Jahre 1965 hatte die Raketentechnik vom Typ „Dwina“ ausgedient und wurde auf das neue System „Wolchow“ umgestellt.

Neue Strukturänderungen zum Ende des Jahres 1971 gingen mit größeren Veränderungen einher. Das FRR-18 wurde zum taktischen Verband der 43. Fla-Raketenbrigade umformiert. Aus der FRA 181 wurde zunächst die FRA 431 und später (ab Beginn der 1980er Jahre) die FRA 4321. Die Bezeichnung FRA 432x bedeutete, das diese FRA mit S-75 Raketen (Typ „Wolchow“) ausgerüstet war.

Unter großer Geheimhaltung begann 1983 in der FRA 4321 in Abtshagen die Aufstellung einer weitere FRA, die für eine neue Stellung auf der Insel Rügen vorgesehen war (die spätere FRA 4325 Neuenkirchen).

Weil dies so gut klappte, wurde in Abtshagen dann in den Jahren 1984 und 1985 die künftige FRA 4335 Dranske ausgebildet und aufgestellt. Da sich in Dranske allerdings die Bauarbeiten an den Kasernen und der technischen Zone verzögerten, befand sich ein großer Teil des für Dranske vorgesehenen Personals noch bis Februar 1986 in Abtshagen.

Ab Februar 1986 begann endlich der Bau einer neuen Feuerstellung für die FRA 4321. Die Zustände und Schwierigkeiten durch das feuchte Gelände müssen wirklich unhaltbar gewesen sein. Die neue Feuerstellung hatte einen Nachteil: Sie befand sich deutlich weiter entfernt vom gesamten Objekt. Statt des gewohnten knappen einen Kilometer waren es nun mehr als fünf Kilometer – eine unauffällige Verlegung in die neue Feuerstellung, die im Oktober 1986 fertig gestellt wurde, war nicht mehr möglich, da einige öffentliche Straßen benutzt werden mussten. Dies führte dazu, das bei höheren Stufen der Gefechtsbereitschaft fast das gesamte A-Objekt in die neue Feuerstellung verlegen musste. Vermutlich haben dann in der neuen Feuerstellung feldlagermäßige Zustände geherrscht.

Vermutlich ist der Bau der neuen Feuerstellung die Erklärung dafür, warum von der originären so gut wie nichts mehr vorhanden ist. In der neuen Feuerstellung (die komplett fertig wurde) finden sich alle üblichen Bauten: Mittelpunktsdeckung, Fahrzeugunterstände, Raketenleitstation, Nachrichtenbunker, DHS-Gebäude, Raketenstellungen, die übliche Ringstraße usw. Die neue Feuerstellung ist heute noch fast komplett erhalten (sogar mit KDL-Gebäude), in Privatbesitz und in Nachnutzung. Jedoch wünschen die Eigentümer weder Bilder noch genaue Angaben darüber, um unerwünschte Besucher nicht zu einem unerlaubten und unerwünschten Besuch zu ermuntern. Ich bitte, dies zu respektieren!

Die FRA 4321 ereilte das Schicksal der meisten derartigen Standorte. Nach dem Ende der DDR und der NVA kam sie formal zwar in das Eigentum der Bundeswehr, wurden jedoch Ende 1991 geschlossen, fast vollständig zurück gebaut und dem Vergessen Preis gegeben.

 

Quellen:

„Aus der Geschichte der 43. FRBr (Folge 1)“, posting vom 18.August 2009 unter bernd minus sanitz Punkt blogspot Punkt com

„LSK-LV DDR. FRR 18/43. FRBr“ Internetpräsenz lsklv minus ddr Punkt de (unbekannter bzw. nicht genannter Verfasser)

 

3 Gedanken zu „NVA – FRA 4321 Abtshagen

  1. Hab hier einen grossteil meiner Kindheit verbracht -kenne noch die 57mm-Flak mit ATS als Zugmittel. Unser Möbelwagen wurde im September 1963 von einer durch den Schlamm vor die Haustür gezogen. Wohnung im ersten Block aus Richtung Abtshagen.Die Wohnung war unten rechts -Kinderzimmer mit Blick auf die Straße

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