NVA – Kdo MB V Territoriale Führungsstelle Alt Rehse

Hier war immer alles „Streng Geheim“. „Betreten Verboten“ – Schilder, Zäune und bewaffnete Posten sicherten das Gelände. Spätestens mit dem Einzug der NVA auf das Gelände des Schlossparkes Alt Rehse  begann die Geheimniskrämerei. Zunächst war im ehemaligen Gutshaus ein Gästehaus für hochrangige Besucher eingerichtet worden, die ihre Gesprächspartner im Kommando des Militärbezirkes V in Neubrandenburg besuchen wollten oder an militärischen Tagungen teilnahmen.

Alt Rehse - Herrenhaus 07

Auch ein Armee-Musikcorps hatte bis Mitte der 1970er Jahre hier seinen Sitz. Ab 1978 begannen jedoch umfangreiche Baumaßnahmen in dem hügeligen Gelände, die bis 1982 andauerten. Südlich des Schlosspark-Geländes im stark bewaldeten Gebiet, vor Blicken von außen gut versteckt, entstand eine recht große Bunkerlandschaft. Was hier gebaut wurde, war natürlich „streng geheim“. Die Gerüchteküche brodelte bei den wenigen Dorfbewohnern. Hinter vorgehaltener Hand munkelte man von einem Chemiewaffenlager.

Führungsstelle Kdo MB V Alt Rehse 022


Kleiner Exkurs NVA – Militärgeschichte

Zur Verwaltung war die Nationalen Volksarmee der DDR in zwei Militärbezirke aufgeteilt. Der südliche Militärbezirk III umfasste die Bezirke Cottbus, Halle, Leipzig, Gera, Suhl, Karl-Marx-Stadt, Dresden und Erfurt ; der nördliche Militärbezirk V umfasste die Bezirke Rostock, Neubrandenburg, Schwerin, Potsdam, Magdeburg und Frankfurt / Oder. Die beiden Militärbezirke bestanden aus territorialen Verbänden, Truppenteilen, Einheiten und militärischen Einheiten verschiedenster Waffengattungen. Unterstellt waren die Militärbezirke in Friedenszeiten zunächst dem Ministerium für Nationale Verteidigung und später (ab 1972) dem extra für die Truppenverwaltung neu gegründetem Kommando der Landstreitkräfte. In bestimmten Militärkreisen machte man sich darüber lustig: Was ist überflüssiger als ein Kropf? Das Kommando der Landstreitkräfte!  Im Kriegsfall wären aus den Militärbezirken jeweils eine Armee (die 3. und die 5. Armee) mit insgesamt 11 Divisionen geformt worden. Beide Armeen wären dann Bestandteil der sowjetischen 1. Front geworden, die dann aus 6 sowjetischen Armeen der GSSD und den beiden Armeen der NVA bestanden hätte und dem Generalstab der GSSD unterstand.

Mit der Gründung der NVA zum 01. März 1956 wurde aus der Territorialen Verwaltung Nord der Kasernierten Volkspolizei die Verwaltung des Militärbezirkes V; aus der Territorialen Verwaltung Süd der Kasernierten Volkspolizei wurde die Verwaltung des Militärbezirkes III. Da das Wort „Verwaltung“ nicht militärisch genug erschien, erfolgte am 15. Mai 1957 die Umbenennung in „Kommando“. Die Kommandos der Militärbezirke (abgekürzt Kdo. MB, manchmal auch KMB) waren in Friedenszeiten also die territoriale Kommando (und Verwaltungs-) Behörden für die in ihrem Gebiet befindlichen Truppenteile, Dienststellen und Einrichtungen.

Aus den Kommandos der Militärbezirke wäre im Kriegsfall jeweils ein Armeestab und ein Kommando des territorialen Militärbezirks entstanden. Die Armeestäbe hätten dann dem Frontstab der sowjetischen Truppen unterstanden. Die „restlichen“ territorialen Truppen der NVA wären weiter unter nationalem Kommando der territorialen Militärbezirke der NVA geblieben. Zu ihren Aufgaben zählten unter anderem die zentrale personelle, technische und rückwärtige Sicherstellung, die Sicherstellung der Heranführung der Streitkräfte in die Verteidigungsräume, die Bereitstellung von Einheiten für die Instandhaltung des gesamten Verkehrsnetzes (Straße, Bahn, Wasserstraßen), die Sicherung und Aufrechterhaltung des Nachrichtenwesens, der Energieversorgung und aller rückwärtigen Dienste (z.B. Truppenversorgung, Krankentransporte, Bewirtschaftung der Staatsreserven). Für den Kriegsfall waren verbunkerte Führungsstellen für die Stäbe vorbereitet – sogenannte Feldführungsstellen für die Armeestäbe und die Territorialen Führungsstellen für die verbliebene Territorialverwaltung.

Das Kommando des Militärbezirkes V hatte im November 1956 seinen Sitz von Pasewalk nach Neubrandenburg verlegt (in die ehemaligen Panzerkasernen der Deutschen Wehrmacht); die Territoriale Führungsstelle wurde ab 1978 in Alt Rehse am Westufer des Tollensesees errichtet.


Also keine Lager für Chemiewaffen, sondern eine Bunkerstadt für den Stab der Territorialen Führung des Kommandos des Militärbezirkes V war hier ab 1978 errichtet worden.

Etwa zur gleichen Zeit, als die Bauarbeiten für die Führungsstelle in Alt Rehse begannen, wurde im Nachbardorf Wustrow am Ufer des Tollensesees eine halb legale Ferienanlage für prominente NVA-Angehörige und die Neubrandenburger politische Elite errichtet. Man munkelte schnell, das hier einiges schwer erhältliches Baumaterial abgezweigt und Zweck entfremdet wurde – „sozialistisch umgelagert“ nannte man das damals. Folgen hatte das keine; man deckte lieber den Mantel des Schweigens darüber.

In Alt Rehse wurden innerhalb von vier Jahren fast 30 Millionen Mark der DDR verbaut. Es entstanden 6 Bunkerkomplexe einschließlich mehrerer Nebenanlagen. Bis auf eine wurden die Bunkeranlagen oberirdisch errichtet, mit Erde überschüttet und anschließend bepflanzt. Heute wirkt die Tarnung fast perfekt. Die Sichtweite vom Weg aus in das Gestrüpp und den Bewuchs beträgt gleich Null!

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Die Inbetriebnahme des gesamten Komplexes erfolgte im Juni 1982. Das Gelände umfasste im Wesentlichen:

  • einen separaten Zugangsbereich mit KDL-Gebäude, Wachgebäude und kleinem Garagenkomplex für den Fuhrpark
  • drei Stabsbunker, jeweils bestehend aus 3 Elementen vom Typ FB-75 – die Bunker sind heute entweder zugeschüttet oder so zugewachsen, das man sie im Gelände nur noch mit Mühe erkennen kann
  • ein kombinierter Bunker Rechenzentrale / medizinische Versorgung, bestehend aus 3 Elementen vom Typ FB-75

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  • ein Technikbunker mit 400 kVA Netzersatzanlage und Wasseraufbereitung, bestehend aus 3 Elementen vom Typ FB-75

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  • ein Nachrichtenbunker (HNZ-51 / ÜSt-2 Neubrandenburg), bestehend aus 8 Elementen vom Typ FB-75
  • eine DHS-Baracke – vermutlich für die Zugangskontrolle und das Wartungspersonal
  • mehrere Fahrzeugdeckungen in offener Bauweise (also nur seitliche Erdaufschüttungen)
  • eine Bootsanlagestelle (nicht mehr erhalten – der heute vorhandene Bootsanleger ist ein Neubau, der sich jedoch nicht an der vorherigen Anlandungsstelle befindet)
  • eine Pumpstation für Brauchwasser, das aus dem See entnommen wurde (hier wurde inzwischen der originale Tarnfarben-Anstrich ersetzt)

Das gesamte Gelände war von einer Hochspannungssicherungsanlage umgeben, von der heute nichts mehr zu erkennen ist.

Für die Wartung und den technischen Betrieb der Bunker (Wasser / Abwasser / Elektro / Be- und Entlüftung) wurde die sogenannte Wartungseinheit 15 (WE-15) gegründet, die auf dem Gelände des Alt Rehser Schlossparkes ihren Sitz hatte – mit Kasernengebäude, Fuhrpark und weiteren militärischen Nebengebäuden.

Einige Gebäude des Schlosspark-Ensembles wurden durch Offiziere und Stab genutzt.

Bei genauerem Hinsehen erkennt man im Gelände noch Reste einiger Kleinbunker vom Typ FB-3, die zwar den Abriss überlebt haben, jedoch zugeschüttet wurden.

Im dichten Bewuchs kann man mit Mühe noch einige weitere typische Hinterlassenschaften finden…

Am 03.10.1990 übernahm die Bundeswehr das gesamte Gelände. Genutzt wurde es kaum, so das auch die Bundeswehr am 30.06.1998 hier auszog. Sinnvolle Nachnutzungskonzepte fehlen. Einige Bunker wurden versiegelt und auf dem Gelände laufen teilweise Abrissarbeiten.

Führungsstelle Kdo MB V Alt Rehse 008

Quellen:

Lautsch, Siegfried „Die NVA-Operationsplanung für Norddeutschland 1983 – 1988“ in: [Hrsg.] Bange, Oliver / Lemke, Bernd „Wege zur Wiedervereinigung: Die beiden deutschen Staaten in ihren Bündnissen 1970 bis 1990“, 2013

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