Dresden – Malzfabrik Gebrüder Pick

Traurig stehen sie an einer viel befahrenen Hauptstraße: die Gebäudereste der Malzfabrik Gebrüder Pick, erbaut etwa 1875. Es ist die letzte authentisch erhaltene Malzfabrik von Dresden, die einst zu den größten in Deutschland gehörte. Die wuchtigen Zu- und Ablufttürme – vom Volksmund Max und Moritz genannt – beherrschen noch immer die Niedersedlitzer Skyline.

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Errichtet wurde sie (natürlich) an einer Bahnstrecke und besaß ein Industrieanschlussgleis. Durch mehrere Erweiterungen entstand auf etwa 10.000 Quadratmetern Grundstücksfläche ein großer Gebäudekomplex, der unter anderem enthielt: Kesselhaus und Maschinenhalle, Malztennen und Aufbereitungsräume, Malzsilos, Kohlensilo diverse Lagerräume usw.

Dresden - Malzfabrik Pick 12 Produziert wurde hier in großem industriellen Maßstab Braumalz zur Versorgung der unzähligen Dresdener Brauereien. Die Gerste kam in den Anfangsjahren zunächst per Schiff über die Elbe und wurde mit Fuhrwerken von der Entladestelle zur Malzfabrik transportiert. Das änderte sich erst, als der Gleisanschluss fertig gestellt wurde.

1915 wurde der letzte große Gebäudekomplex auf dem Gelände fertig. Mit dem Aufkommen erster Lastkraftwagen wurden Garagen erforderlich, die 1924 errichtet wurden.

Das Geschäft entwickelte sich prächtig. Für das Geschäftsjahr 1926/1927 wurde ein Reingewinn von 357.525,78 Reichsmark erzielt; im darauf folgenden Geschäftsjahr sogar mehr als 403.000 Reichsmark³.

1938 wurden die jüdischen Inhaber Carl und Hans Pick – als Erben der Unternehmensgründer Adolf und Moritz Pick – enteignet und aus der Malzfabrik Niedersedlitz K.G. Gebrüder Pick wurde die Malzfabrik Niedersedlitz AG. Gründungsdatum für die Malzfabrik Niedersedlitz AG ist der 02.08.1938. Ausgegeben wurden 3.500 Aktien zum Nennwert von je 1.000 Reichsmark. Geschäftszweck: Herstellung und Vertrieb von Malz und ähnlichen Erzeugnissen mit Fortführung des Unternehmens der Malzfabrik Niedersedlitz Kommanditgesellschaft, vormals Brüder Pick.

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Die mit der Durchführung der Gründung der Aktiengesellschaft beauftragte Hamburger Vereinsbank hatte 1938 versucht, Unternehmensanteile (in Form von Aktien) an die Unternehmensgruppe Dr. Oetker zu verkaufen, die jedoch nicht interessiert war.

Kommerzienrat Franz Pick (ebenfalls einer der Mitbegründer des Unternehmens) musste „die Arisierung“ seines Unternehmens nicht mehr miterleben; er starb 1932. Seine Witwe, Elisabeth Pick, nahm sich am 27. Januar 1942 das Leben, nachdem sie – damals schon 71 Jahre alt – den Deportationsbefehl nach Theresienstadt erhalten hatte.

1939 übernimmt die Malzfabrik Niedersedlitz AG die vollständige Aktienmehrheit an der ebenfalls in Dresden ansässigen Königs Malzfabrik AG. Neben Malz wurden hier Malzkaffee, Kaffeemischungen und Backhilfsmittel produziert. Interessanterweise saßen in diesem Unternehmens die Brüder Pick von 1920 bis 1937 im Aufsichtsrat, bis sie schließlich herausgedrängt wurden. Ob sie geahnt haben, dass sie bald ihr eigenes Unternehmen verlieren würden?

In den Jahren 1934 und 1940 wurden auf dem Gelände der Malzfabrik Luftschutzräume für die hier arbeitenden errichtet – vermutlich waren es nur ausgebaute Kellerräume. Zu sehen ist davon heute nichts mehr.

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Im Geschäftsjahr 1940/1941 (das Geschäftsjahr endete am 30.06.1941) erzielte die Malzfabrik Niedersedlitz AG einen Gewinn in Höhe von 173.848, 89 Reichsmark und zahlte an seine Aktionäre eine Dividende in Höhe von 6%. Für die Mitarbeiter gab es neben Weihnachtsgeld eine Sonderzahlung zum Jahresende und aufgrund des guten Betriebsergebnisses eine zusätzliche Zahlung. „Von Feiern, Ausflügen usw. wurde auch in diesem Jahre in Anbetracht des Krieges Abstand genommen. Wir haben einem großen Teil der Gefolgschaft mit ihren Frauen KdF-Urlaubsreisen gewährt und außerdem im Rahmen der Feierabendgestaltung verschiedentlich unseren Gefolgschaftsmitgliedern mit Familienangehörigen den Theaterbesuch ermöglicht.“ ¹

Der andauernde Krieg wirkt sich langsam auch auf die Arbeit der Malzfabrik aus. „Das abgelaufene Berichtsjahr [1941/1942] war für die Malzindustrie ein wenig erfreuliches. Infolge geringerer Rohstoffzuteilung wurden wir in der Produktion beeinträchtigt. Dazu kam, daß durch die ungünstige Witterung die Gersten mit einem derartigen Wassergehalt angeliefert wurden, daß sie für Trocknung und Bearbeitung erhebliche Aufwendungen erforderten. […] Auch im Berichtsjahr konnten wir Malz nur nach verschiedenen besetzten Gebieten exportieren.“ ² Für das Geschäftsjahr 1941/1942 wurde ein Gewinn in Höhe von 167.737,98 Reichsmark ausgewiesen, es erfolgte wieder eine Dividendenzahlung in Höhe von 6%

Inwieweit die Gebäude den zweiten Weltkrieg und die Bombardierung Dresdens im Februar 1945 überstanden bzw. mit welchen Schäden, ist nicht bekannt.

Nach 1945 wurde das Unternehmen zum VEB Malzwerke Dresden verstaatlicht und als eine von acht Mälzereien im VEB Dresdner Mälzereien weiter geführt. Die Bezeichnungen änderten sich mehrere Male. Zuletzt war die offizielle Bezeichnung: VEB Dresdner Mälzereien, Produktionsstätte Dresden, Henningsdorfer Straße. Aus der DDR-Zeit hat sich noch ein typischer Slogan an einer Fassade erhalten.

DDR Slogan

Umfangreiche Modernisierungen erfolgten 1956 – es blieben die letzten bis zum Ende der DDR. Als Bestandteil des VEB Getränkekombinat Dresden war die Malzfabrik auch in der DDR der wichtigste Zulieferer für die Dresdener Brauereien. Im Wesentlichen war der Gebäudestand bis zum Schluss der selbe, wie aus der Gründungszeit. Wie üblich, war in der DDR kaum Geld da für notwendige Instandhaltungen, so dass der Zustand der Gebäude und Einrichtungen sehr zu wünschen übrig ließ.

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1990 wurde die Malzfabrik durch die damalige Treuhandanstalt liquidiert und verfällt seit dem. 2015 träumte man noch von einer Rettung der Gebäude; geplant war die Umgestaltung zu Wohnungen. Irgendwie wurde nichts daraus. Vandalismus und mehrere Brände (zuletzt im November 2020) haben den Gebäuden inzwischen stark zugesetzt. Ein großer Teil ist nun einsturzgefährdet, ein teilweiser Zwangsabriss droht. Ein Schelm, wer böses dabei denkt… Unnötig zu erwähnen, das die Gebäude unter Denkmalschutz stehen.

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So schlimm, wie der Brand gewütet hat – er hat einige Details der ursprünglichen Stahlträgerkonstruktion freigelegt.

Detail Stahlträger

Der restliche Zustand der noch erhaltenen Gebäude ist – gelinde gesagt – beklagenswert.

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Quellen:

¹ „Geschäftsbericht der Malzfabrik Niedersedlitz Aktiengesellschaft in Niedersedlitz. Geschäftsjahr 1940/1941“, Bericht des Vorstandes, Oktober 1941

² „Malzfabrik Niedersedlitz Aktiengesellschaft. Geschäftsbericht 1941/1942“, Bericht des Vorstandes, 23. November 1942

³ Veröffentlichungen in „Deutscher Reichsanzeiger (Berlin)“, Nr. 6 vom 06.Januar 1928 und Nr. 5 vom 05. Januar 1929.

[Hrsg.] Arbeitskreis Gedenkbuch der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Dresden e.V. „Buch der Erinnerung. Juden in Dresden: Deportiert, ermordet, verschollen. 1933-1945“; Dresden, 2006

Finger, Jürgen / Keller, Sven / Wirsching, Andreas „Dr. Oetker und der Nationalsozialismus. Geschichte eines Familienunternehmens 1933-1945“, München, 2013

Hessel, Uwe „Zur Industriegeschichte der Stadt Dresden 1945 bis 1990. VE Getränkekombinat Dresden“; Eine Gemeinschaftsarbeit der Arbeitsgruppe Industriegeschichte mit dem Stadtarchiv Dresden, Arbeitsstand April 2007

„Kulturdenkmale im Freistaat Sachsen – Denkmaldokument 09212606 – Malzfabrik Gebrüder Pick, Malzfabrik Niedersedlitz“, Stand: 29.11.2022

Meinig, Rene „Teilabriss nach Brand in früherer Dresdner Malzfabrik“, Sächsische Zeitung (online), 05.11.2001

Netzwerk Industrie.Kultur.Ost „Malzfabrik Dresden“

Schmieder, Franziska „Zwei Flurstücke unterm Hammer. Teile der ruinösen Malzfabrik in Dresden-Niedersedlitz werden zwangsversteigert“, in: Dresdner Neueste Nachrichten (online), 18.10.2017

„Akute Einsturzgefahr. Stadt lässt Teil der alten Malzfabrik in Dresden-Niedersedlitz abreißen“, in: Dresdner Neueste Nachrichten (online), 05.11.2022

alle Bilder von Alexander Köhler, mit freundlicher Genehmigung

3 Gedanken zu „Dresden – Malzfabrik Gebrüder Pick

  1. Cool, dort war ich auch schon. Kurz vor dem letzten Großbrand. Da ich allein unterwegs war (was man unter keinen Umständen tun sollte), hab ich nicht allzu viel gesehen, um mich nicht unnötig in Gefahr zu bringen. Ein großes Gebäude war damals auch verschlossen. Trotzdem war es ein interessanter und geschichtsträchtiger Ort. Schade, dass sowas einfach sich selbst überlassen wird

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    • Ja, ich finde es auch irre, das das einfach sich selbst überlassen wird. Geplant war da vor einigen Jahren der Umbau zu Wohnungen. Das scheiterte wohl daran, das das baurechtlich nicht genehmigungsfähig gewesen sein soll – Wohnen im Gewerbegebiet… man kann sich auch hinter Paragraphen verstecken, statt Lösungen zu suchen. Was nutzt der beste Denkmalschutz, wenn die Gebäude am Ende doch abgerissen werden, weil sie einfach durch Nichtnutzung verfallen oder durch Feuer…

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      • Naja, also Gewerbegebiet ist jetzt auch was anderes. Direkt daneben sind ja auch Wohnhäuser. Ich hab mich damals schon gewundert, dass Schild mit der Werbung zum Verkauf ein Jahr später auf einmal wieder weg war. Und kurz darauf der Brand. Naja… Das mit dem Denkmalschutz ist eh so eine Sache. Die Gebäude sollen bleiben, wie sie sind. Schön und gut, aber manchmal muss man einfach zu viel Geld reinstecken. Da verfällt lieber ein Denkmal, anstatt man die Vorschriften etwas lockert und es so interessanter für Investoren macht. Was nützt ein Denkmal, dass zerfällt und am Ende nicht mehr existiert…

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