NVA – Gefechtsstand 4. Flottille

Der Wald der Rostocker Heide gleicht hier einem Urwald. Hüfthohe Farne, Gestrüpp, hohes Gras, umgestürzte Bäume. Der Bunkerhügel ist erst zu sehen, wenn man kurz davor steht. Aus dem Dickicht ragen die Lüftungsrohre, wegen ihrer Form Dinohälse genannt. Hier sehen sie wirklich so aus, als streckten weidende Dinosaurier ihren Hals aus dem Farn.

Dinohals 1

Ich muss gestehen, das ich selbst hier einige Male vorbeigelaufen bin, als ich das weitläufige Gelände auf der Suche nicht nur nach diesem Bunker durchstreifte. 

Gullideckel im Wald sind immer ungewöhnlich – dieser war auch erst zu sehen, als ich fast darüber stolperte. Sein Zwillingsbruder lag fast daneben. Hier verbirgt sich die Wasser- und Abwasser-Versorgung für den im Wald versteckten Bunker.

Gulli Wasseranschluss

Wenige Meter weiter, und von weitem auch nicht zu sehen, befindet sich der ehemalige Haupteingang in das Schutzbauwerk.

Haupteingang

Man bekommt einen recht guten Eindruck davon, wie die Natur sich hier alles zurück geholt hat. Der Bunker besaß ursprünglich zwei Eingänge – einen Stabseingang und einen Technikeingang – sowie drei Notausgänge. Der Blick durch den ehemaligen Stabszugang fällt auf den Eingangsbereich mit Stahltür, Gittertür und den Bauwerkshauptgang.

Haupteingang 2

Hauptgang 3Unter dem Hügel verbirgt sich ein recht weitläufiges System aus Fertigteilbunkern. 14 kleine Fertigteilbunker vom Typ FB-3, in denen die technischen Anlagen und die Versorgungseinrichtungen untergebracht waren und 2 große Fertigteilbunker vom Typ FB-75 (die den eigentlichen Gefechtstand und die Nachrichtentechnik beherbergten) säumen links und rechts einen engen Hauptgang, in dem man nicht aufrecht stehen kann.

Die beiden ursprünglichen Haupteingänge befanden sich jeweils an den Enden des (geschätzt) knapp hundert Meter langen Ganges. Die Fertigteilbunker wurden oberirdisch – bzw. sogar leicht erhöht – auf dem feuchten Waldboden errichtet und nach der Fertigstellung mit Erde überdeckt. Baubeginn war hier etwa 1979. Zu dieser Zeit fanden umfangreiche Bautätigkeiten auf dem Gelände statt. Das nur aus wenigen Baracken bestehende Gelände wurde massiv erweitert, da neben der hier schon stationierten Raketentechnischen Abteilung der 4. Flottille (RTA-4) nun auch das neu aufgestellte Küstenraketenregiment 18 (KRR-18) einzog. Die Bauarbeiten boten eine gute Tarnung, so dass vermutlich nur die wenigsten wussten, das hier mitten im Wald ein verbunkerter Gefechtsstand entstand.

Die Zugangsschleuse am ehemaligen Haupteingang sieht aus, als wäre hier ein halber FB-3 verbaut worden. Zwei Stahltüren, dazwischen eine Gittertür,  die nur elektrisch vom Diensthabenden des Bauwerkes geöffnet werden konnte.

Die geringe Kopfhöhe zieht sich durch das gesamte Bauwerk. Außer in den Erdgeschossen der 2-etagigen FB-75 kann man im gesamten Bunker nicht aufrecht stehen.

Sanitärbunker 1Unmittelbar auf der rechten Seite des Hauptganges ist noch heute der Sanitärbunker zu erkennen – eine derartige Verwendung für einen FB-3 hatte ich bis dahin noch nicht gesehen.

Alle FB-3´s in diesem Bauwerk besitzen eine komplette Zugangsschleuse aus zwei Stahltüren, die noch sämtlich vorhanden sind!

Nur ein kleiner Lüfter (eben typisch für einen FB-3) sorgte für Be- und Entlüftung. Der Lüfter befand sich rechts hinter der Eingangstür auf einem kleinen Sockel.

Lüfter auf Sockel 2

Manche wurden heruntergerissen und liegen einfach so herum – sinnloser Vandalismus.

Sanitär - LüfterMan kann sich gut vorstellen, wie schlecht die Belüftung war und wie groß die olfaktorische Belästigung gewesen sein muss. 

Geschätzt betrug die reguläre Besatzung für den Bunker etwa 20 bis 30 Leute.Sanitärbunker 2 Hier scheint die Doppeltür bestimmt so etwas wie eine „Geruchsschleuse“ gewesen zu sein. Auf der rechten Seite sind noch Überreste der P-Becken zu erkennen, die inzwischen dem Vandalismus zum Opfer gefallen sind. Ebenso die Waschbecken, deren Halterungen noch wie Arme aus der linken Wandseite ragen. Schon erstaunlich, das die Kabinentüren noch erhalten sind! Auch hier konnte man nicht einmal in der Mitte des Bunkerraumes aufrecht stehen!

Die Anlagen zur Wasserversorgung (Filter, Brauwasser – und Trinkwasser-Vorratsbehälter) befanden sich vermutlich gleich im daneben gelegenen FB-3. Die Außenseite dieser Kleinbunker zeigt direkt in Richtung der außen vorbei führenden Wasser- und Abwasserleitung. Hier hatte man kurze Leitungswege. Von der Wasserversorgung ist nichts mehr zu sehen – übrig blieb ein völlig leerer Kleinbunker.

Schlafbunker

Weiter den Gang hinunter – immer noch auf der rechten Seite – schlossen sich vermutlich die Küche, der Speiseraum und der Schlafbunker an. Auch diese Kleinbunker sind alle völlig leer. So fällt es schwer, eindeutige Funktionen zuzuordnen.

Speiseraum

Allerdings befindet sich im Schleusenbereich von einem der leeren Kleinbunker ein Notaussteig in Form eines rechteckigen Schachtes, der oben mit einer Stahlluke verschlossen ist. Wegen des starken Bewuchses auf dem Bunkerdach ist von außen davon nichts zu erkennen.

Speiseraum Notausstieg

Auf der gegenüberliegenden Seite des Hauptganges – vom Eingang aus gesehen auf der linken Seite – befanden sich diverse Technikräume: die Luftfilteranlage, die Belüftungs- und Ventilationsanlage und der Batterieraum.

Technikraum

Von der Belüftungsanlage blieben nur einige wenige Reste: kleine Lüfter liegen ab und zu herum, aus ihren Halterungen gerissen; von den Belüftungsrohren sind nur hin und wieder im Schleusenbereich der einzelnen Kleinbunker Reste erhalten.

Belüftung FB 3

Einige Absorptionsfilter russischer Bauart liegen über das gesamte Bauwerk verteilt herum.

Ganz vorne im Bunker befanden sich vermutlich auch die Batterieräume – einiges an elektrischen Kleinteilen kann man noch erkennen: Schalter, Sicherungskästen (noch mit eingeschraubten Sicherungen aus Porzellan), ein Kabeldurchbruch.

Im Hauptgang hangeln sich an der Decke die Reste der ehemaligen Kabelführung entlang. Diese zieht sich einmal komplett durch den langen Gang bis an dessen anderes Ende.

Hauptgang 1

Hier befand sich der elektrische Schaltraum und der Transformatorenbunker.

Elektro FB 3 Trafobunker und NEA

Platz für eine kleine Netzersatzanlage war auch noch, obwohl auch dieser Kleinbunker völlig ausgeräumt wurde und nichts mehr von der schweren Technik erhalten blieb. Auch von den Vorratstanks für den Diesel, mit denen das Notstromaggregat betrieben wurde, fehlt inzwischen jede Spur. Am mit Schutt übersäten Boden erkennt man noch kleinere Fundamentreste – die ehemaligen Standorte von Netzersatzanlage und Transformator. Ein kleiner Schaltkasten, bzw. das, was von ihm übrig blieb, liegt noch am Boden. Schon ein kleines Wunder, das auch an diesem Kleinbunker beide Kalottentüren noch erhalten sind. Selbst ein kleiner Heizkörper hängt noch an der Wand.

Der Hauptgang mündet – nach dem viele Kleinbunker passiert wurden – in einem größeren Vorraum, von dem die Zugänge in die beiden größeren Bunker vom Typ FB-75 abgingen. Bemerkenswert, das auch hier nur die etwa 1,30 m hohen Kalottentüren als Eingangsschleuse verbaut wurden.

GS - Schleusenbereich

Der linke der beiden FB-75 (vom Hauptzugang aus gesehen der erste) beherbergte den eigentlichen Gefechtsstand der 4. Flottille mit dem Führungsraum. Betritt man den Gefechtstand durch die doppeltürige Eingangsschleuse, sieht man auf der linken Bunkerseite den langen und engen Hauptgang.

GS - Hauptgang

Gut zu erkennen sind die gebogenen Stahlbetonrippen der Außenwände, die die bogenförmige Hülle des Bunkers bilden. Noch im Originalzustand ist der typische rote Fußbodenbelag aus Linoleum. Auf der rechten Seite des Ganges erkennt man die Leichtbauwand, mit der das Bunkerinnere ab- und aufgeteilt wurde. So wurden einige kleine Diensträume für die Offiziere geschaffen.

 

Leider ist der Gesamtzustand der Räume nur als sehr schlecht zu beschreiben. Verwüstung und Vandalismus praktisch überall. Warum man jedoch die Leichtbauwände zertreten muss, werde ich nie verstehen…

GS - Hauptgang Vandalismus

Am Ende des Hauptganges befindet sich der Eingang zum Führungsraum. In dem kleinen Verschlag saß vermutlich der Diensthabende, der den Zugang kontrollierte. 

GS - Führungsraum Eingangsbereich

Die im Verschlag abgelegte Tür war die Tür zum Führungsraum. Etwas Beschriftung hat die Zeiten überdauert… Das AZ könnte Auswertezentrum bedeuten; das GS für Gefechtsstand kann man auch noch gut erkennen.

GS - Tür zum Fürhungsraum

Der Führungsraum ist überraschend klein und enthielt – parallel zu einer Bunkerseitenwand – eine große Anzeigetafel, die die Seelage im Operationsgebiet darstellte.

GS - Führungsraum 2

Im wesentlichen war es ein Metallrahmengestell. Auf der Vorderseite war eine Karte aufgeklebt, die in Planquadrate aufgeteilt war. An der Rückseite der Tafel waren kleine Lämpchen zur Darstellung eigener und gegnerischer Schiffe angebracht – neun je Planquadrat und manche sind sogar noch erhalten. An Leuchtdioden war zu dieser Zeit überhaupt nicht zu denken; die LED war zwar schon erfunden, jedoch noch nicht in der DDR angekommen, selbst für militärische Zwecke nicht. Die Lämpchen liegen heute alle auf einem Haufen, ebenso viele dünne Kabel und jede Menge Schutt und zerbrochenes Glas.

Zurück im Hauptgang fallen die zwei Aufstiege in das Obergeschoß kaum auf. Der eine ist eine schmale Eisenstiege, der andere eine senkrecht an die Wand montierte Stahlleiter.

GS - Treppe ins Obergeschoss

Der Blick in das Obergeschoß ist recht ernüchternd. Fast alles ausgeräumt. Auffällig ist auch hier wieder die sehr geringe Deckenhöhe.

Hier oben verliefen die Versorgungsleitungen und die Lüftungsrohre. Der Fußboden des Obergeschosses (bzw. die Decke des Erdgeschosses) bestand nur aus Holz. An der einen Giebelseite war der Zugang zum Notausstieg.

Verlässt man den Gefechtsstand-Bunker, liegt der Haupttunnel des Bunkersystems rechter Hand. Links des Gefechtsstand-Bunkers schließt sich direkt der Nachrichtenbunker an. Auch dieser Bunker ist vom Typ FB-75 und liegt genau parallel zum Gefechtsstand. Gleich ist auch die Zugangsschleuse mit den nur 1,30 m hohen Kalottentüren.

Vom Eingang des Nachrichtenbunkers blickt man auf einen fast in der Mitte des Bunkers liegenden Gang, der sich über knapp zwei Drittel der Bunkerlänge hinzieht.

Nachrichtenbunker - Flur

Rechts und links des Ganges wurden mit Leichtbauwänden diverse Dienstzimmer abgetrennt. Hier gab es separate Räume für den Diensthabenden Nachrichten (DN)  bzw. den Diensthabenden der Nachrichtenzentrale (DNZ).

Nachrichtenbunker - Dienstzimmer 2

Viel Platz benötigten der SAS-Bereich, die sogenannte Spezialnachrichtentechnik: Fernschreibraum, Fernsprechraum, Raum für die Verschlüsselungstechnik, Raum für die Bearbeitung und Ausgabe von Fernschreiben und einen Werkstattraum.

Der Zustand der Räume ist desolat – hier wurde alles verwüstet. Man erkennt gerade noch die Reste der Schallisolation an den Wänden und an der Decke. Die gesamte geheime Technik wurde noch vor dem Ende der NVA an „die Russen“ zurückgegeben; alles andere völlig ausgeräumt und „anderweitig verwendet“. An einer Wand erkennt man mit Mühe noch die Reste einer Anschlussdose für Fernschreiber. Und eine Zugangstür mit der sogenannten VS-Luke ist noch erhalten.

 

Eine kleine Leiter führt in das Obergeschoß des Bunkers, das hier jedoch nur über zwei Drittel der Länge reicht. Auch das Obergeschoß besaß eine Zugangstür in Form einer kleinen Kalottentür. Vermutlich waren hier oben die Schlafgelegenheiten für das Personal des Nachrichtenbunkers.

Am Ende des Ganges (das auch des Ende des Obergeschosses darstellt) befindet sich ein größerer Saal. Querliegend befand sich mittig ein großer Schaltschrank, der von beiden Seiten zugänglich war. Heute klafft da nur eine große Lücke in einem dreigeteilten Stahlrahmen, die den Blick auf die Leiter des Notausstieges freigibt.

Nachrichtenbunker - Blick zum Notausstieg

Im letzten Raum (hinter dem Schaltschrank) stand die Übertragungstechnik und die Telefonvermittlung.

Übrig geblieben ist auch hier nicht mehr viel. Einige Kabelreste liegen noch herum; der leere Stahlrahmen des Schaltschrankes war wohl zu fest mit der Bunkerwand verschraubt. An den Wänden finden sich noch Reste von Kabelschächten und Klemmleisten. In der letzten Ecke des Bunkers befinden sich die traurigen Überreste der Nebenstellenvermittlungsanlage vom Typ MSN-70.

Nachrichtenbunker - Nebenstellenanlage MSN-70

Gleich rechts daneben – an der Giebelseite – befand sich die steile Leiter hinauf zum Notausgang.

Nachrichtenbunker - Notausstieg

Das gesamte Bauwerk war nur knapp 10 Jahre in Betrieb. Ein Wahnsinn, wenn man bedenkt, wie viele Millionen hier verbuddelt wurden. Nach dem Ende der DDR und der NVA wurde das gesamte Gelände bis zum Frühjahr 1991 geräumt. Alles verwertbare wurde entfernt und der Bunker sich selbst überlassen. Im Jahre 2008 wurde er zu einem Fledermausquartier umgebaut und verschlossen.

 

2 Gedanken zu „NVA – Gefechtsstand 4. Flottille

  1. Moin,Moin,

    war im Bunker 2009-2011 gewesen.Habe noch einiges nüzliches mitgenommen.unter anderen das AAG-100(Antennenanpassgerät100).Und einen detailierten Grundrißplan angefertg.Es gab dort zwei Funkmasten-einer für Richtfunk,und einer für normalfunk.einen teil der Richtantenne habe ich zuhause und etwas restauriert(lag auf dem Waldboden verteilt9.Ist bei der Dmontage wohl zerlegt worden.Anlage beseht aus meheren FB-3 Bunkern und zwei FB-75 Bunkern.In einem ist noch der rest einer elektrischen Seelagekarte zu sehen.War wohl auch der GS vom KrRR-18.r Bunker wurde im Spätherbst 2011 als Fledermausquartier umgebaut und entsprechend versiegelt.

    Gefällt 1 Person

    • Hallo,
      leider ist von dem gesamten Gelände der KRR 18 ja nicht mehr viel übrig geblieben… auch im Bunke ja nicht – wie man sieht…. immerhin gab es hier noch einige Details an den FB-3´s zu sehen, die man sonst ja nicht mehr zu sehen bekommt.
      Stimmt – der Bunker ist verschlossen und nicht mehr begehbar.

      Like

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..