NVA – FuTK-231 Pragsdorf

Bei diesem Ort lagen Begeisterung und Ernüchterung recht nah beisammen. Sechs Monate ungefähr. Ich wußte, das hier schon seit vielen Jahren die Planungen für den Bau einer Freiflächen – Photovoltaik – Anlage liefen. Da das sehr wahrscheinlich mit Abrissarbeiten einhergehen wird, nutzte ich die erste, sich mir bietenden Möglichkeit zu einem Besuch dieses Geländes. Es war an einem Nachmittag im Spätherbst des letzten Jahres (2020) und bescherte mir teilweise wunderschöne Herbstbilder in der Abenddämmerung. Die Farben leuchteten, als wolle sich dieser Ort von seiner romantischsten Seite von der Welt verabschieden.

Bei meinem zweiten Besuch, nur 6 Monate später, war von Romantik an diesem Ort nichts mehr zu sehen. Die Vorbereitungen für die Abrißarbeiten waren in vollem Gange. Das gesamte Gelände war zum großen Teil gerodet, und die Gebäude werden für den Abriss vorbereitet.

Schon weitem erkennt man heute noch die aufgeschütteten Hügel im Gelände, auf denen sich einst riesige Antennen drehten. Sie waren zum großen Teil auf mobiler Technik montiert. Der Fuhrpark der Funktechnischen Kompanie 231 (abgekürzt FuTK-231), die hier stationiert war, umfasste etwa 50 schwere Fahrzeuge. Die FuTK.231 war dem ebenfalls am Standort Pragsdorf – Georgendorf ansässigen Funktechnischen Bataillion 23 (FuTB-23) zu- und untergeordnet. So erschließt sich auch die Vergabe der taktischen Nummerierung. 

Was mich im Herbst des Jahres 2020 an diesem kompakten Standort auf etwa 400 Meter mal 250 Meter Gelände faszinierte, waren natürlich die herbstlichen Farben. Und der kompakte noch sichtbare Gebäudebestand des Gesamtgeländes, so dass man tatsächlich noch sehr gut nachvollziehen konnte, was wozu genutzt wurde.

Pragsdorf 01

Umso größer war der Kontrast bei meinem zweiten Besuch im Frühjahr 2021. Von Lost Place Romantik war (fast) nichts mehr zu spüren – hier hatte man eher das Gefühl, einem geschichtsträchtigem Ort ungebeten beim Sterben zuzuschauen.

FuTB 23 Gelände 01

Fast alle Bäume sind inzwischen gefällt worden; wo noch vor kurzem hohes Gras war, zerpflügen Traktorspuren das Gelände. Hier wird so langsam Baufreiheit geschaffen.

Das Tor am ehemaligen Eingangsbereich ist schon lange verschwunden. Mauerreste und eine große Laterne sind noch vorhanden. Jeder Grudnwehrdienstleistende wird sich vermutlich ungern daran erinnern. Der obligatorische Frühsport startete hier am Tor mit dem 3.000 – Meter – Lauf in Richtung Pragsdorf. Dort, an der schmalen Straße, stand bis vor kurzem noch ein Markierungspfahl für die Hälfte der Strecke…. einmal bis zum Pfahl und zurück…

Pragsdorf 02

Das eigentliche Wachgebäude – KDL (Kontroll-Durchlass) genannt…

… dahinter die Küchenbaracke, die die Küche und die Speiseräume für die Mannschaften (Soldaten und Unteroffiziere) und für die Offiziere enthielt…

Rechts herum – vom KDL aus gesehen – führt der kurze Weg zum Heizhaus.

Das Heizhaus selbst ist so gut wie ausgeräumt.

Hinter dem Heizhaus führt der Weg noch ein kurzes Stück weiter, an einer Barackenruine vorbei,

Fu-TB-23 Baracke

und endet in einer Art Wendehammer – möglicherweise befand sich hier der provisorische Hubschrauberlandeplatz – die Lage würde Sinn machen – innerhalb des militärischen Geländes, in der Nähe der Gefechtsstände und weit genug entfernt vom Schornstein des Heizhauses und vom damaligen Antennenmast des Geländes.

Pragsdorf 10

Zurück zum KDL und dem eigentlichen Hauptweg entlang… hinter den Küchenbaracken die Gebäude des Funktechnischen Bataillons 23 – rechts, das grüne Gebäude, das Stabsgebäude; links, der Plattenbau, das Unterkunftsgebäude.

futb-23-gebaeudeensemble

Das Unterkunfstgebäude wurde erst relativ spät errichtet (1988); vorher befanden sich hier ebenfalls Baracken.

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Das Unterkunftsgebäude für die Mannschaften der Funktechnischen Kompanie befand sich weiter im Gelände, den Weg folgend in Richtung Technische Zone, auf der linken Seite.

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Das Gebäude steht heute nicht mehr, es wurde Mitte der 1990er Jahre abgerissen – die Bundeswehr hatte für dieses nach 1989 leer stehende Gebäude keine Verwendung mehr.

In der Technischen Zone ragen die üblichen Radarhügel aus dem Gelände. Teilweise sind die mit Betonplatten befestigten Auffahrten auf die Radarhügel noch erhalten.

Pragsdorf 13

Die Aufgabe des FuTB-23 in Verbindung mit seiner örtlichen FuTK-231 war die funktechnische Luftraumüberwachung. Über ein Automatisches Führungs- und Leitsystem (AFLS) bestand ständige Verbindung mit dem zugeordneten Gefechtsstand und der Jägerleitstelle (des Jagdfliegergeschwaders 2 [JG 2] mit Standort Flugplatz Trollenhagen) sowie dem Divisionsgefechtsstand in Cölpin.

Der Luftraum konnte bis in eine Entfernung von etwa 600 km und einer Höhe von etwa 23.000 m überwacht werden.

Die Ausrüstung der FuTK-231 (die sich üblicherweise auf den Radarhügeln und in den Fahrzeugboxen befand) bestand unter anderem aus:

1 x P 18 (Funkmess-Station im Meter-Bereich)

2 x P 37 (Funkmess-Station im Zentimeter-Bereich)

2 x PRW 17 (Höhenmesser)

1 x PRW 11 (Höhenmesser)

Im Jahr 1972 wurde das FuTB-23 mit der FuTK-231 in das Dienstahbende System der Luftstreitkräfte / Luftverteidigung des Warschauer Vertrages eingebunden.

Der Gefechtsstand der FuTB-23 befand sich in den ersten Jahren im Erdgeschoss des Stabsgebäudes. Hier wurde die Luftlage, die von den zugeordneten FuTKs geliefert wurde, auf großen senkrecht stehenden Karten von Planzeichnern dargestellt.

Erst Ende der 1970er Jahre konnte der neue Gefechtsstand auf dem Gelände bezogen werden, der in einer Bogendeckung errichtet wurde.

Überall im Gelände verteilt befinden sich – meist unter oder neben den Radarhügeln – die entsprechenden Fahrzeugboxen.

Etwas abseits, fast am Ende des Geländes, befindet sich der typische Garagen-Bau der Luftverteidigung, wie man ihn eher in einer Raketen-Stellung der Flugabwehr erwarten würde… hier jedoch beherbergte sie die Stellung der Höhenfinder (PRW-11 und PRW-17).

Pragsdorf 25

An einigen der Fahrzeugboxen finden sich die angebauten Schlafbunker vom Typ FB-3.

Die Bunkereingänge im Gelände sind mitunter gut versteckt…

… und geben den Blick auf kleinere Überraschungen frei… hier eine Kombination von zwei russischen Kleinbunkern (Typ SBU), was diese „2er – Kombination“ mitten im Gelände darstellte, können wohl nur Zeitzeugen beantworten.

Nach 1989 wurde dieser Standort von der Bundeswehr übernommen. Aus dem FuTB-23 wurde die Radarführungsabteilung – 33 und aus der FuTK-231 die Radarführungskompanie-161.

1998 wurde der Standort Pragsdorf endgültig aufgegeben, die Radarführungsabteilung – 33 zog nach Trollenhagen um, die Radarführungskompanie-161 ins benachbarte Cölpin. Die bis dahin genutzte russische Technik aus NVA-Beständen wurde daraufhin verschrottet. Das Gelände wurde sich selbst überlassen.

Quellen:

Internetpräsenz der ehemaligen Funktechnischen Truppen der NVA unter nva-futt Punkt de

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