Basepohl – Geistersiedlung

Verlassene kleine Städte – Geistersiedlungen – gibt es hier doch nicht. Dachte ich. Bis ich – wie so oft eher zufällig – auf diesen Ort stieß. Um auch jedes Klischee zu erfüllen: auch dieser verlassene Ort liegt etwas abgelegen, ist fast vergessen und sollte schon lange abgerissen werden. Die Geistersiedlung hat sogar einen Namen: Basepohl am See.

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Sieben große Wohnblöcke im DDR-Plattenbaustil stehen sehr großzügig in der inzwischen bewaldeten Landschaft herum. Idyllisch gelegen an einem See, der von der Siedlung fußläufig zu erreichen ist.

Basepohl am See 29

Diese Siedlung wurde Mitte der 1970er Jahre als Heimstatt für 210 Familien aus dem Boden gestampft. Sie diente ausschließlich der Unterbringung von NVA-Offizieren, Berufsoffizieren sowie Zivilbeschäftigten und deren Familien der direkt nebenan liegenden militärischen Einrichtungen.

Ein Block beherbergte ein Ledigen – Wohnheim für Angehörige der Luftverteidigung. Die einzelnen Blöcke waren entsprechend den stationierten Einheiten (Truppenluftabwehr: FuTB-5 und FRR-5; Luftstreitkräfte: Kampfhubschraubergeschwader KHG-5, Fliegertechnisches Bataillon, Flugplatz) aufgeteilt – aus Geheimhaltungsgründen.

Basepohl am See 04

Die Wohnungen waren alle recht großzügig. Je zur Hälfte 3-Raum und 4-Raum-Wohnungen. Wenn man sich die verbliebenen Überreste der Wohnungen anschaut, war der Ausstattungsgrad sogar über dem DDR-Standard. Voll geflieste Bäder, alle Wohnungen mit Balkon.

Die Giebel-Außenwände hatten sogar eine – damals überhaupt nicht übliche – Wärmedämmung!

Die Wärmeversorgung erfolgte vermutlich blockweise und dezentral. Reste der Heizungsräume lassen dies vermuten.

Basepohl am See 19

Eine Arztpraxis befand sich in einem der Wohnblocks an Stelle einer Wohnung im Erdgeschoß (Hausnummer 2). Heute ist davon nichts mehr zu sehen. Nicht nur sämtliche Hausnummern sind schon längst Opfer des Vandalismus geworden. Verfall und Verwüstung überall.

Nach dem Ende der NVA 1990 wurde der Standort weiter von der Bundeswehr genutzt. Diese gab im Jahr 2015 alle Aktivitäten in Basepohl auf und hatte auch keinen Bedarf mehr an der Siedlung. Die soldatischen Mieter zogen alle aus. An einer weiteren Wohnnutzung hatte niemand Interesse. Seit dem verfällt hier alles. Da ein sinnvolles Nachnutzungskonzept fehlt (wurde überhaupt ernsthaft nach einem gesucht?), wird am Ende irgendwann der Abriss stehen.

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Das Ledigenwohnheim, das auch Kindergarten und Kinderkrippe in einem zweistöckigen Gebäude beherbergte und das örtliche Versorgungszentrum – ein kleiner, barackenähnlicher Flachbau – wurden bereits abgerissen. Im Versorgungszentrum befand sich einst ein kleiner Supermarkt (damals „Kaufhalle“ genannt), eine kleine Kneipe und eine Bibliothek. Eine Schule gab es in der Siedlung nicht – die Kinder mussten mit dem Bus in die nächste Stadt – nach Stavenhagen.

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Mit Rechtskraft zum 01.03.2019 wurde die etwa 925 Meter lange Betonplatten-Ringstraße, die das gesamte Wohngebiet erschließt, entwidmet; das heißt, es ist zum einen keine öffentliche Verkehrsfläche mehr (was eine Nachnutzung so gut wie unmöglich macht, da die öffentliche Erschließung nun nicht mehr gegeben ist). Zum anderen bedeutet dies, das der ehemalige Straßenname „Basepohl am See“ (der der Siedlung seinen Namen gab) aus dem öffentlichen Gedächtnis gestrichen wurde. Ich bin versucht zu sagen: der typische Umgang mit der eigenen jüngeren Geschichte – vergessen, verdrängen, vergraben.

Auf dem Rückweg fand ich noch dieses Relikt…

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Quellen:

[Hrsg.] Landkreis Mecklenburgische Seenplatte „Allgemeinverfügung des Landkreises Mecklenburgische Seenplatte als Straßenaufsichtsbehörde“, 01.03.2019

Kruse, Eckhardt „Die sieben Geisterhäuser von Basepohl“, Nordkurier, 09.07.2018

Kruse, Eckhardt „Bagger holt sich Basepohler Kaufhalle und Garagen“, Nordkurier, 05.10.2018

Internetpräsenz quarzgut Punkt info

7 Gedanken zu „Basepohl – Geistersiedlung

  1. Ich habe von 1975 bis 1983 Am See 10 EG links gewohnt.
    Einige Korrekturen zum Artikel. Die Bäder waren nicht gefliest und die Gebäude hatten keine Dämmung. Geheizt wurde die Siedlung anfangs durch ein kleines Heizwerk seitlich am Wohnblock mit den Hausnummern 2 bis 6, später durch das Ölheizwerk der Kaserne, welches später auf Braunkohle umgestellt wurde. In der Siedlung gab es keine Schule. Unsere Kinder mussten mit dem Bus nach Stavenhagen fahren. In dem genannten Gebäude war damals eine Hälfte Kindergarten und die andere Kinderkrippe. In der Wohnsiedlung wohnten nicht nur Offiziere sondern auch Berufssoldaten und Zivilbeschäftigte mit ihren Familien.

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  2. Danke für die Fotos und den aktuellen Erfahrungsbericht. Ich war dort (in der Kaserne) zu Beginn der 0-er Jahre stationiert, auch der Bericht zur Kaserne selbst ist sehr lesenswert, ich fühlte mich schlagartig larmoyant in die damalige Zeit zurückversetzt. Die Siedlung.. war damals schon nicht mehr voll belegt, viele BW-ler*innen pendelten täglich ins nahegelegene Zuhause, wenn sie nicht in der Kaserne selbst schliefen, auch Offiziere. Die meisten Wohnungen standen also leer, ich schätze ca. 70-80 Prozent (?). Insgesamt wirkte, zumindest auf mich, die Kulisse eher bedrohlich als einladend. Das (einzige) Argument, für nicht BW-Angehörige, dort zu wohnen, waren wohl die sehr (selbst für MV) günstigen Mieten. Und der See.. na ja, wenn wir baden wollten sind wir zum Kummerower oder ins Waldbad nach Stavenhagen. Um das Objekt hätte sich die Kommune schon viele Jahre früher kümmern müssen, der Verfall war abzusehen und bereits zu meiner Zeit eingeleitet/ fortgeschritten. Spontan fallen mir die Worte Klinik, Rehazentrum oder Sanatorium ein – Chance verpasst. Denn die Natur drumherum ist gegeben, Ivenack ist nur einen Spaziergang entfernt – und es hat lecker Baumkuchen! 🙂

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  3. Was für ein interessanter Zufallsfund. Ich hätte auch nicht gedacht, dass es das abgesehen von der HI Wustrow noch mal in MV gibt. Sind denn die Mieter 1990 ausgezogen oder erst später? Einiges sieht mir doch nach der Wende modernisiert aus – wie eben die Fliesen (man beachte die Bordüre) und vielleicht eben auch die Dämmung. Diese Farbgebung kann doch nicht aus der DDR stammen. Jedenfalls schade drum – das hätte ausnahmsweise auch mal Potenzial für Tourismus. Ich muss das nicht überall haben, aber manchmal kann man damit was retten. Danke fürs Zeigen!

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    • Ich denke, die letzten Mieter sind 2015 ausgezogen, nach dem die Bundeswehr abgezogen war.
      Die Kaserne selbst (Artikel dazu folgt noch) wurde noch einige Zeit nach der Bundeswehr als Flüchtlingsunterkunft genutzt.
      Der Zustand der Gebäudegiebel hat mich auch verwundert – solche Farbgebung und die Art der Verkleidung war eher nicht DDR-typisch. Das Isoliermaterial allerdings schon, ebenso die Holzkonstruktion für die Dämmung.
      Ich finde es absolut irritierend, das eine derartige Siedlung so völlig aufgegeben wird. Und das bei der Lage mitten am See. Hier gab es ja eigentlich alles, was auch aus meiner Sicht für touristische Nachnutzung gesprochen hätte, oder auch für „normales“ Wohnen – man hätte da was draus machen können – gerade auch, weil nebenan die Kaserne erfolgreich zu einem Gewerbegebiet umgebaut wird.

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    • Ich bin in der Siedlung aufgewachsen und habe von 1981 bis 1994 dort gewohnt. Im 1. Block in der Mitte der Ringstraße mittlerer Eingang EG links.
      Die Dämmung gab es bis 94 definitiv nicht an den Gebäudeseiten waren Waschbetonplatten wie die Balkonbrüstungen. Die Heizungen waren Zentral und typisch DDR nach Plan. Früherer Winter oder verfrüht Sommer sorgten dafür das man entweder fror bis die Heizperiode begann oder schwitzte bis die Heizperiode endete.

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