Guben – Villa Cohn

Vergessen sind heute die Namen Apelius Cohn, Hermann Lewin und Dr. Alexander Lewin. Erhalten werden konnte der repräsentative Wohnsitz der Familie Lewin, der ein wichtiges Kapitel Gubener Stadt- und Industriegeschichte erzählt.

Der Geschäftsmann  Apelius Cohn gründete im Jahre 1859 in Berlin die Firma A. Cohn Hut-Furniturenhandlung. Mit der Geschäftsleitung beauftrage er seinen Schwager Hermann Lewin. Es ist das Verdienst von Hermann Lewin, das die Produktion um Wollfilzerzeugnisse und Hüte erweitert wurde, die bald in ganz Europa einen exzellenten Ruf hatten. Hermann Lewin wurde in der Folge Teilhaber am Cohn´schen Unternehmen. 1876 errichtete die Firma Cohn eine weitere Fabrik in der Gubener Poststraße.

1888 wird aus der Fa. A. Cohn die Berlin – Gubener Hutfabrik Aktien – Gesellschaft. Produziert wurden Herren- und Damenhüte aus Filz, Stroh und Kunstgeflecht. 1922 hatte das Unternehmen bereits 3.000 Beschäftigte und wurde zu Deutschlands führendem Hersteller für Hüte. Bis 1934 lautete die Firmenbezeichnung Berlin-Gubener Hutfabrik AG, vorm. A. Cohn, danach nur noch Berlin-Gubener Hutfabrik AG (der Firmengründer Apelius Cohn war schon 1906 verstorben). Zum Firmenbesitz gehörten diverse Park- und Wohngrundstücke, unter anderem auch nebeneinander liegende Grundstücke in der Alten Poststraße.  Auf diesen Grundstücken in der Gubener Poststraße wurde eine prächtige Villa als Familienwohnsitz der Gründerfamilie errichtet.

Guben - Villa Cohn 001

Wann genau die klassizistische Villa errichtet wurde – 1860, wie es am Gebäude vermerkt ist, oder erst um 1875, als das Familienunternehmen den Schwerpunkt seiner geschäftlichen Aktivitäten nach Guben verlagerte – ist ein bis heute nicht gelöstes kleines Geheimnis Gubener Stadt- und Industriegeschichte.

Villa Cohn - 1860

Die Villa war der Familienwohnsitz der Gründerfamilie Lewin – den Namen „Villa Cohn“ hatte sie wahrscheinlich wegen der früheren Firmenbezeichnung. Das Fabrikgebäude befand sich gleich neben der Villa. Ein zeitgenössisches Bild aus dem Jahr 1913 zeigt die Villa Cohn direkt neben dem riesigen Fabrikgebäude.

Vom Fabrikgebäude steht heute nur noch ein Teil des Ostflügels; auch der hintere Anbau der Villa Cohn  (wahrscheinlich das Wirtschaftsgebäude) ist heute nicht mehr erhalten.

Guben - Villa Cohn 002

Die südlichen Nachbarn der Lewins war die Familie Lehmann, die größten Tuchfabrikanten Gubens. Man war hier sozusagen unter seinesgleichen und musste natürlich repräsentieren. Im Vergleich zur Villa der Lehmanns kommt die Villa Cohn eher bescheiden daher.

Im Jahre 1920 starb Hermann Lewin; sein Sohn Dr. jur. Alexander Lewin, der schon früh in das Familienunternehmen eingestiegen war und seit 1914 Mitglied des Vorstandes war, übernimmt als Generaldirektor die Leitung des Unternehmens. Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten 1933 verschlechterten sich die Lebensumstände für die jüdische Familie Lewin drastisch. Noch am 6. März 1933 wurde Alexander Lewin zum widerholten Male einstimmig zum Vorsitzenden der Industrie- und Handelskammer in Cottbus gewählt. Auf Druck der nationalsozialistischen Regierung musste er dieses Amt wegen seiner jüdischen Herkunft bereits einen Monat später aufgeben. Im Sommer 1938 reiste er – zunächst offiziell als Kuraufenthalt bezeichnet – in die Schweiz. Anfang September 1938 legte er sein Vorstandsamt in der Berlin-Gubener Hutfabrik AG nieder. Nachdem er im März 1939 bekannt gab, nicht mehr nach Deutschland zurückzukehren, wurde sein gesamtes in Deutschland befindliches Vermögen gesperrt. Er konnte im Juni 1939 noch sein Umzugsgut – jedoch ohne nennenswerte Wertsachen – aus dem Deutschen Reich ausführen. Am 4. August 1941 entzog ihm der Reichsinnenminister die deutsche Staatsbürgerschaft und sein Vermögen wurde konfisziert, auch die Villa.

Nach dem Krieg wurde das Gebäude im Inneren zu Wohnungen umgebaut und bis 1992 zu Wohnzwecken genutzt. Ab 1992 stand das Objekt mehr als 20 Jahre leer, kam 2011 in Privatbesitz und wurde ab 2016 umfangreich saniert. Heute beherbergt das gerettete Gebäude eine Seniorenresidenz.

Vom ehemaligen riesigen Fabrikgebäude der Berlin-Gubener-Hutfabrik, das unmittelbar nördlich an das Villengrundstück angrenzt – blieben nur kümmerliche Reste übrig.

Guben - Villa Cohn 003

Quellen:

[Hrsg.] Stadt Guben, Denkmalobjekte der Stadt Guben, Internetpräsenz guben minus gubin Punkt eu – Eintrag „Villa von Dr. jur. Alexander Lewin (vorm. A. Cohn)“

[Hrsg.] Stein, Erwin „Monographien deutscher Städte“, Band XXV Guben, Berlin, 1928


WASWOSTATUS
„Villa Cohn“ – Familienwohnsitz der Hutfabrikenten-Familie LewinAlte Poststraße 61, Gubensaniert, in Privatbesitz; Nutzung als Seniorenresidenz; nicht öffentlich begehbar

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