Kühlungsborn – Villa Baltic

Eine prachtvolle Villenruine in der allerbesten Lage von Kühlungsborn, die Ostsee direkt vor der Tür. Keine Gedenktafel erinnert an die wechselvolle Geschichte dieses Hauses.

Errichtet wurde dieses Schmuckstück 1910 bis 1912 als Privathaus für den  Berliner Rechtsanwalt und Notar Hausmann. Die Kosten exorbitant: 2,5 Millionen Goldmark.

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Hier wurde nicht gegeizt – schon der Eingangsbereich mit der Treppe aus Sandstein überwältigt in seiner Großzügigkeit. Vandalen haben leider mit einem Vorschlaghammer das fein gearbeitete Treppengeländer zerschlagen.

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Marmor auf den Böden und an den Wänden, Treppengeländer aus Sandstein, Holzvertäfelung und Stuck an den Decken. Große Fenster sorgten für viel Licht.

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Was man auf den ersten Blick jedoch nicht sieht: hier wurde der neue Baustoff Spannbeton verwendet, der großzügige Räume ohne Abstützungen ermöglichte.

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Von den Fenstern hatte man einen schönen Blick auf den großen Park, den die Villa umgab – vom terrassenartigen Balkon fiel der Blick auf die Ostsee.

Die Villa wurde ausschließlich als Altersruhesitz für zwei Menschen und ihr Dienstpersonal erbaut. Das führte dazu, das hier zwar prachtvolle Empfänge abgehalten wurden, jedoch die Gäste keinen Platz zum übernachten im Haus hatten.

Das Ehepaar Hausmann blieb kinderlos und die Witwe Hausmann vermachte 1929 die Villa testamentarisch der Berliner Hochschule für die Wissenschaft des Judentums.

1930 wurde die Akademische Gesellschaft Hausmann-Stiftung gegründet, die 1931 die Villa Baltic als Erholungsheim eröffnete.

1936 wird die Hausmann-Stiftung durch die Nationalsozialisten enteignet und aufgelöst.

Das Haus wird dem Reichspropagandaministerium unterstellt und als Gästehaus der Joseph-Goebbels-Stiftung für Bühnenschaffende genutzt.

Nach 1945 wird das Haus von Soldaten geplündert, bevor es dann von der Roten Armee als Lazarett genutzt wird.

Es erfolgte eine Rückübertragung des Hauses an die Jüdische Landesgemeinde Mecklenburg, die es 1949 an die UdSSR verkauft!

In den 1950er Jahren wird aus dem Lazarett das FDGB Erholungsheim „Kurt Bürger“.

1969 wird gleich neben dem Erholungsheim eine Meerwasserschwimmhalle errichtet und durch einen Verbindungsbau mit der Villa Baltic verbunden, wie sie seit 1972 nunmehr offiziell heißt. Im Keller der Villa Baltic wurde eine Sauna eingerichtet, die von den Gästen des Schwimmbades mit genutzt werden konnte. Die Meerwasserschwimmhalle wurde inzwischen abgerissen – Reste des Verbindungsganges sind noch zu erkennen.

Die Villa Baltic beherbergte in den beiden großen Salons bis 1989 nunmehr ein Restaurant, ein Café und eine sehr beliebte (Nacht-) Bar.

Die Küche und kleinere Lagerräume befanden sich etwas versteckt in einem Seitenflügel. Eine kleine Besonderheit ist hier der kleine Lastenaufzug, der von einem kleinen Raum im Erdgeschoss direkt in die Küche im ersten Stock führte.

Die Treppe für das Personal, die bis zu weiteren Zimmern unter dem Dach führte, liegt ebenfalls etwas abseits von der prunkvollen Haupttreppe.

Von außen nicht sichtbar ist die lichthofartige Glasdachkonstruktion in der Mitte des Hauses über den Treppenhäusern.

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Nach 1989 wird der FDGB „abgewickelt“ und das Haus geschlossen. Privatisierungsversuche scheitern; das Haus wird 1991 an die Jewish Claim Conference übertragen. Diese verkauft die Villa im Jahre 2003, der neue Eigentümer geht in die Insolvenz und verkauft das Haus weiter. Seit Anfang 2019 hat die Villa Baltic neue Eigentümer, die gemeinsam mit der Stadt Kühlungsborn um ein sinnvolles und bezahlbares Nachnutzungskonzept ringen. Solange wird die Villa Baltic noch leer stehen und ein romantischer lost place direkt an der Ostsee sein.

4 Gedanken zu „Kühlungsborn – Villa Baltic

    • Ja, ein wirklich toller Ort. Unverständlich, das sich die Kühlungsborn mit einer Wiederbelebung so schwer tut.
      Ich hatte das Glück, hier einmal zum Tag des offenen Denkmals eine Führung zu bekommen – die Bilder aus dem Inneren wären sonst nicht möglich gewesen.

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    • Hallo Frauke,
      vielen Dank für das Kompliment 😉
      Für mich gehört die Geschichte dieser Orte immer dazu, sonst wären es nur tote Steine 😉 Die Recherche nimmt zwar einen großen Teil der Zeit ein, aber ich liebe es, die Geschichten hinter diesen Orten zu erfahren – ich frage mich eigentlich immer: was war das einmal, warum wurde dieser Ort verlassen… oft entdeckt man wirklich erstaunliche Geschichten.
      Aber das ist bei Dir ja auch ganz ähnlich 😉
      Liebe Grüße
      der Frank

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