Fünfeichen – Gutshaus

Über diesem Ort hängt bis heute der dunkle Schatten seiner Vergangenheit.

Gutshaus Fünfeichen 04

Bis 1938 waren das Gut Fünfeichen und das Gutshaus im Besitz der Familie Maltzahn. Das Gutshaus ist in etwas Baujahr 1914 – also eher neueren Datums, was man dem Bau auch ansieht. 1938 musste Olga von Maltzahn, die Jüdin war, ihren Familienbesitz verkaufen. Als Käufer trat die Deutsche Wehrmacht auf, die das unweit Neubrandenburg gelegene Gut Fünfeichen nebst allen Gebäuden kaufte und hier nicht nur Panzerkasernen, sondern auch einen Truppenübungsplatz errichtete.

Ab 1939 entstand auf dem Gelände des ehemaligen Gutshofes zunächst das Kriegsgefangenenlager STALAG II A . Später kamen noch die Lager für kriegsgefangene Offiziere hinzu: OFLAG II A und OFLAG 67. Im STALAG II A waren bis 1945 mehr als 120.000 Kriegsgefangene aus zehn Ländern registriert worden. Von ihnen überlebten zwischen 6.000 und 8.000 nicht.

Nach 1945 übernahmen zunächst die russischen Besatzungstruppen das Gelände, und nutzten die vorhandene Lagerstruktur. Bis September 1945 zunächst als Zwischenlager für heimkehrende Zwangsarbeiter, Kriegsgefangene und KZ-Häftlinge. Danach zog der russische Geheimdienst NKWD ein und errichtete das Speziallager Nr. 9.  Bis 1948 wurden hier 15.400 Personen unter unwürdigen Bedingungen interniert. Ordentliche Gerichtsverfahren gab es nicht. Von den 15.400 hier internierten überlebten 5.000 Menschen nicht! Am 18. Januar 1949 wurde das Lager offiziell aufgelöst.

1950 wurden alle Lagerbaracken abgerissen; nur das Gebäude des Gutshauses überlebte als Ruine. Welche Rolle das Gebäude in diesen dunklen Jahren spielte, bleibt im Dunkeln der Geschichte verborgen. Einige Um- und Anbauten stammen mit Sicherheit aus späteren Nutzungsperioden. Die eckigen Anbauten enthalten Toiletten.

Es scheint, als wenn das Gebäude irgendwann ein weiteres Geschoss erhalten hat. Es passt überhaupt nicht zum Charakter des Gebäudes.

Das Dach ist teilweise mit Well-Asbest-Platten verkleidet worden.

Vermuten könnte man, das es zu Wohnzwecken von Offizieren genutzt wurde – die Aufteilung des Hauses in mehrere größere Wohnungen – alle mit Ofen und Bad ausgestattet, würde dafür sprechen. Auffällig ist auf jeden Fall die erstaunliche Größe der Zimmer und Wohnungen.

Vom vermutlich einmal schönen Eingangsbereich mit der Treppe blieb nicht viel Sehenswertes. Es ist nun einfach nur zweckmäßig und man braucht etwas Phantasie, um sich hier ein Gutshaus vorzustellen.

Nachdem die russischen Truppen keine Verwendung mehr für die Gebäude und das Gelände hatten, zog zunächst die Kasernierte Volkspolizei, dann die Nationale Volksarmee ein. Der Gebäuderest lag nun im militärischen Sperrgebiet.

Gutshaus Fünfeichen 03

Ebenso die 1958 erste (und verschämt) errichtete Gedenkstätte. Sie war praktisch für niemanden zugänglich. Lange Zeit wurde der Mantel des Schweigens über diesen Ort gedeckt. Die NVA nutzte das Gelände des Lager- Friedhofes als Schießplatz. Muss man dazu noch mehr sagen??

Das Gutshaus liegt zwar heute nicht mehr im, sondern „nur“ noch unmittelbar am militärischen Sperrgebiet. Das umliegende Gelände wird seit 1990 von der Bundeswehr genutzt.

Gutshaus Fünfeichen 02

Das ehemalige Gutshaus ist immer noch eine Ruine und dämmert seinem endgültigem Verfall entgegen. Endgültig verlassen wurde es vermutlich 1995, wie alte Zeitungsreste vermuten lassen.

Gutshaus Fünfeichen 15

Wer möchte schon an einem derartigen Ort wohnen? So dürfte das Schicksal dieses Gebäudes wohl feststehen….

Einige Lost-Place-Fotomotive konnte man schon noch entdecken… das Lichtspiel im Dachgeschoss, zum Beispiel.

Gutshaus Fünfeichen 22

Das kleine Graffito an der Wand neben dem Fenster fand ich witzig…

Gutshaus Fünfeichen 24

Eine vergessene Deckenleuchte und die Reste der vorsintflutlich anmutenden Elektroverteilung.

Quellen:

[Hrsg.] Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur „Sowjetisches Speziallager Nr. 9. Mahn- und Gedenkstätte Fünfeichen“, in: „Orte des Erinnerns an die sowjetischen Speziallager und in der SBZ/DDR“, Berlin, 2020

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