NVA – Gefechtsstand FuTB-23 Pragsdorf – WGS-33

Als im Dezember 1970 das neu formierte Funktechnische Bataillon 23 (FuTB-23) seinen Standort in Pragsdorf bezog, war an eine verbunkerte Führungsstelle noch lange nicht zu denken. Der Gefechtsstand des FuTB-23 und die Jägerleitstelle für das Jagdgeschwader 2 (JG-2) in Trollenhagen befanden sich viele Jahre in einem zwei Stockwerke hohen Raum an der Giebelseite des Stabsgebäudes.

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Das JG-2 und das ihr zugeordnete FuTB-23 schrieben ein kleines Stückchen Militärgeschichte, in dem sie die Führungsstelle „Funkmeß“ und die „Flugleitung“ an einem Ort vereinten und effektive Methoden zur gemeinsamen operativen Führung der Bodentruppen und der Flieger entwickelten und umsetzten, die bis zum Ende der NVA im Jahre 1989 Bestand hatten.  Ein Ergebnis ist der seit April 1971 bestehende gemeinsame Gefechtsstand FuTB-23 / JG-2, abgekürzt gGS-2/23 – der erste seiner Art in den Luftstreitkräften der NVA.

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Da die personellen und somit auch die räumlichen Anforderungen an den gemeinsamen Gefechtsstand schnell stiegen, wurde es bald recht eng in den Räumen des Stabsgebäudes. Es dauerte noch bis Ende 1978, bis ein Schutzbauwerk in einer Bogendeckung am Standort fertig gestellt war und bezogen werden konnte. Verglichen mit den beiden Räumen im Stabsgebäude war hier genügend Platz.

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In der russischen Bogendeckung vom Typ AU-13 war über 2 Ebenen ein standardisierter Führungsbunker hineingebaut worden (Typenbezeichnung FB-360). Neben der Hauptnutzung als gGS-2/23 war hier auch der Wechselgefechtsstand der 3. Luftverteidigungsdivision (3. LVD) untergebracht (offizielle Bezeichnung: WGS-33) – der eigentliche (Haupt-) Gefechtsstand der 3. LVD befand sich in Cölpin. Die nachrichtentechnische Sicherstellung des Bauwerkes erfolgte durch eine Nachrichtenzentrale, die die Tarnbezeichnung Hilfsnachrichtenzentrale 322 hatte (HNZ-322). So konnten postalisch und fernmeldetechnisch Nachrichtenverbindungen zwischen Hilfsnachrichtenzentralen entfaltet werden (z.B. per Kabel, Funk oder Richtfunk), ohne den dahinter stehenden Nutzer zu offenbaren. Geheimhaltung war auch hier groß geschrieben.

Drei Zugänge führten in das Schutzbauwerk: der Mannschaftszugang, der Gefechtsszugang, und der Stabszugang. Alle hatten einen Tarn-Vorbau.

Am hinteren Giebel des Schutzbauwerkes war das Gelände sehr stark aufgefüllt, so dass das hintere Drittel der Bogendeckung mit Erde überdeckt war. Hier befand sich der sogenannte Mannschaftszugang.

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Er führte direkt in die obere Etage des Schutzbauwerkes. Man kann hier heute noch deutlich die Struktur der Beton-Elemente erkennen, aus denen die Bogendeckung errichtet wurde. Die eigentlichen Innen-Einbauten waren hier meistens gemauert oder bestanden aus Holz.

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Ein Blick hinter die gemauerten Wände am Rand der Bogendeckung gewährt heute Einblicke in die Bauweise, die sonst nicht möglich waren.

In diesem Bereich des Schutzbauwerkes befand sich der Bereich der Nachrichtenzentrale (sogenannte Hilfsnachrichtenzentrale HNZ 322).

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Hier befanden sich die unter anderem die Einrichtungen für die Übertragungstechnik, die Fernsprechvermittlung, die Räume für die gedeckten Nachrichtenverbindungen (SAS) für den verschlüsselten bzw. chiffrierten Fernsprech- und Fernschreibverkehr nebst Aus- und Annahmestelle für Fernschreiben (erkennbar an der sogenannten VS-Luke).

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Der heutige Zustand der Räume ist ruinös – der Schutt stapelt sich mindestens kniehoch. Nichts erinnert an die einstigen Funktionen der Räume – nur die Sanitärräume erkennt man noch durch die Fliesen an den Wänden – auch hier wurde wirklich alles demoliert und nichts überlebte.

Am Ende des Flures, der die Nachrichtenbereiche für die Chiffriertechnik von den einfachen Räumen trennte, befand sich eine Treppe, die in das Zwischengeschoss und das Untergeschoss der Bogendeckung führte.

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Am ersten Treppensatz auf der der rechten Seite befand sich die Tür, die in den Bereich der Jägerleitstelle führte. Sie befand sich im Zwischengeschoss an der Längsseite der Bogendeckung. Wie üblich, war sie durch Glaswände vom eigentlichen Führungssaal getrennt, der sich unterhalb der Arbeitsbereiche der Jägerleit-Offiziere befand.

Heute sind die Glaswände alle verschwunden und große, rechteckige Löcher gähnen in den Wänden. Von den Arbeitsplätzen auf diesem galerieartigen Bunkerteil fiel der Blick direkt auf die großen Planchets, die die Luftlage darstellten und sich über die gesamte Längsseite des Führungssaals zogen.

Die Planchets befanden sich aus Plexiglas und wurden von hinten durch Planzeichner beschriftet. Die Planzeichner schrieben in Spiegelschrift auf die Scheibe, die von den davor sitzenden Offizieren dann in Klarschrift gelesen werden konnte. Jedes Luftfahrzeug wurde mit seinen Koordinaten dargestellt, sein Kurs, seine Höhe, die Kennung und die zeitliche Erfassung der Radar-Kontakte. Der Bunker-Bereich vor der Luftlagekarte wurde als Führungssaal bzw. Führungsraum bezeichnet.

Einst war er vollgestopft mit Technik, heute ist hier nur noch gähnende Leere. Die Tür an der Giebelseite ist ein Notausgang und führt zunächst in den Bereich hinter dem großen Rolltor und dann weiter zum sogenannten Gefechtszugang.

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Der offizielle Gefechtszugang führte durch einen schmalen Gang, der sich direkt unter der Galerie für die Jägerleitstelle befindet. Der Gang mündet nach einer Linkskurve dann an einer der Längsseiten der Bogendeckung in einem Garagen-Anbau. So war ein schnelles Betreten des Schutzbauwerkes direkt aus den Fahrzeugen heraus möglich.

Im Inneren des Garagenanbaus verband ein Gang sämtliche Garagenboxen. Die Fahrzeuge fuhren im Ernstfall direkt in die Garagen, die dann durch Stahltore verschlossen wurden. Die Bunkerbesatzung konnte dann die Fahrzeuge verlassen und das Schutzbauwerk direkt durch die Garage betreten. Die gasdichte Drucktür, die den Gefechtszugang verschloss, ist natürlich längst verschwunden… 

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Kaum zu erkennen ist heute die betonierte Hauptzufahrt, die zu den außen liegenden Garagen führte (auf dem oberen Bild befindet sich der Garagenbereich mit Gefechtszugang auf der rechten Seite der Bogendeckung). Auf der gegenüberliegenden Seite befand sich ebenfalls ein Garagenanbau – dieser enthielt einen großen Teil der Technik für das Schutzbauwerk: den Dieselgenerator und einen Batterieplatz für die Stromversorgung sowie die Ventilationsanlage für die Frischluftzufuhr.

Dadurch finden sich innerhalb des Schutzbauwerkes nur wenige Technikräume – der Filterraum ist einer davon und erstaunlicherweise noch recht gut erhalten.

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Spannende Eindrücke aus den restlichen Räumen des Schutzbauwerkes – auch wenn sich die ursprüngliche Funktion der Räume nicht mehr erkennen lässt… ein recht großer Raum, der aus akkurat gemauerten Ziegelsteinen errichtet wurde und eine Wandvertäfelung hatte (die Reste sind unschwer zu erkennen)…

Die Sanitärräume sind nur noch durch die Fliesen zu erkennen… das Ausmaß der Zerstörung und des Verfalls ist unübersehbar.

Der Hauptgang des Schutzbauwerkes, der vom Stabseingang bis zum Führungssaal reicht ist in einem erbarmungswürdigen Zustand…

Das Bild des Verfalls zieht sich durch das gesamte Bauwerk.

Irritierend ist ein rosa gefliester Raum, der quasi eine Art schmale – Durchgangs-Dusche bildet, ohne das irgendwelche Armaturen erkennbar wären…

Gerade noch erkennen kann man die Dekontaminations-Schleuse für den Ernstfall. Sie wurde in unmittelbarer Nähe des Stabseinganges an den Rand des Bauwerkes gequetscht.

Der Stabseingang präsentiert sich recht großzügig…auch wenn sämtliche Drucktüren inzwischen nicht mehr vorhanden sind.

Am oberen Ende der Treppe – schon außerhalb des hermetischen Bereiches des Schutzbauwerkes, aber noch innerhalb der Bogendeckung – zweigt vom Hauptflur noch ein kleiner gefliester Bereich ab – hier handelt es sich wahrscheinlich um den Bereich der Kantine und des Speisesaals.

IMG_20210330_171201Auf dem Weg nach außen fallen noch einige Details auf, z.B. das die Schnellverschlussklappen alle ausgebaut wurden – hier befinden sich jetzt nur noch Löcher in den Wänden. Wer weiß, welche Sammler sich hier bedient haben.

Die fluoreszierenden Pfeile an der Treppe, die den Weg zum Ausgang weisen (und an vielen Stellen im Bauwerk zu finden sind), sind mit Sicherheit erst nach 1989 entstanden – zur Zeit der Nutzung durch die NVA war dies unüblich.

 

Am Ende der Treppe ist der Stabszugang durch einen kleinen, unscheinbaren Anbau getarnt, der aussieht wie ein kleiner Geräteschuppen.

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Nach dem Ende der DDR und der Nationalen Volksarmee übernahm die Bundeswehr dieses Schutzbauwerk. Teilweise mit der originalen Technik wurde hier bis zum Juni 1998 das CRC Mindreader betrieben – gleicher Standort, gleiche Technik, gleiche Aufgabe… nur eine andere Uniform derjenigen, die die Geräte bedienten…

Nach dem Auszug der Bundeswehr wurde hier alles ab- und ausgebaut, was nicht niet- und nagelfest war. Standort und Bauwerk wurden sich selbst überlassen.

Quellen:

George, Dieter (Oberst a.D., Dr. rer. mil.) „Probleme in der Führung, Gefechtsbereitschaft und damit verbundener personeller Belange in den Jagdfliegergeschwadern (1954-1971)“

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