Alt Rehse – Herrenhaus (Schloss Lichtenstein)

In idyllischer Lage – in einem riesigem Park am westlichen Ufer des Tollensesee – befand sich einst der Familiensatz der Familie von Hauff. Der aus dem süddeutschen Raum stammenden Familie von Hauff gehörten große Teile des Dörfchens Alt Rehse, das mitsamt dem Gutspark das knapp 500 Hektar umfassende ritterliche Allodialgut „Schloss Lichtenstein“ bildete (also im Familienbesitz befindlich und vererbar).

Alt Rehse - Herrenhaus 18

Erbaut wurde das prachtvolle Gebäude 1898 durch Ludwig Freiherr von Hauff, der Dorf und Gut käuflich erworben hatte.

Alt Rehse - Herrenhaus 07

Das umliegende Gelände wurde in einen englischen Landschaftspark umgewandelt. Lange hatte die Familie jedoch nicht Freude an dem Anwesen.

Alt Rehse - Herrenhaus 19

Bei Sanierungsarbeiten brach am 11. Februar 1922 ein Feuer aus, der einen großen Teil des Gebäudes vernichtete. Es wurde kolportiert, dass es sich um Brandstiftung gehandelt haben könnte, um mit der Versicherungssumme die leeren Kassen des Erbauers zu sanieren. Diese Vermutung konnte jedoch nicht bewiesen werden. Es dauerte dann fast zwei Jahre, bis der Wiederaufbau in vereinfachter Form fertig war, der dem Gebäude sein heutiges Aussehen verlieh: zweistöckig, gemauert, mit Walmdach, eher neoklassizistisch angehaucht.

Alt Rehse - Herrenhaus 03

Alt Rehse - Herrenhaus 081923 starb Ludwig Freiherr von Hauff. Vermutlich kam es danach zu Erbstreitigkeiten. 1928 war das Gebäude verpachtet – an einen Dr. Knupe. Die Familie von Hauff (bzw. die Erben von Ludwig) verlegten den Familiensitz nun in das nahe gelegene Mallin.

Aufgrund der andauernden Erbstreitigkeiten hatte das Amtsgericht Penzlin (vermutlich 1930) das Konkursverfahren um das Gut Alt Rehse eröffnet, das nach einer Beschwerde der Mit-Erbin Ingeborg von Hauff (Tochter des verstorbenen Bauherren) von der nächst höheren Instanz wieder aufgehoben wurde.

Die zerstrittenen Erben entschlossen sich Anfang 1933 zum gemeinsamen Verkauf des Anwesens und suchten einen Käufer. Der Nationalsozialistische Ärztebund / Hartmannbund suchte ein geeignetes Objekt für ein Schulungszentrum. Da die Verkäufer sich nicht einigen konnten, verzögerten sich die Verkaufsverhandlungen. Schließlich wurde das gesamte Gelände nebst Schloss, Park und allen Anwesen 1934 gegen Zahlung einer Entschädigung enteignet und kam in den Besitz des Hartmannbundes, der hier die Führerschule der Deutschen Ärzteschaft einrichtete. Nach der Auflösung des Hartmannbundes am 1. April 1936 wurde der Besitz der Kassenärztlichen Vereinigung zugeschlagen.

Alt Rehse - Herrenhaus 06

Das nunmehr ehemalige Herrenhaus wurde umgebaut. Hier hatten der Leiter der „Führerschule“ (Dr. Hans Deuschl) und sein Stellvertreter (Dr. Johannes Peltret) jeweils eine Wohnung. Weitere Räume wurden als Sitz der Verwaltung genutzt. Im Keller befand sich die zentrale Wäscherei.

Nachdem der Lehrbetrieb 1943 eingestellt wurde,  wurden die Gebäude bis zum Kriegsende als  Lazarett genutzt.

1945 zogen die sowjetischen Truppen ein, die das Gelände kampflos und unbeschadet übernahmen, es danach zuerst plünderten und dann zeitweise ebenfalls ein Lazarett einrichteten. Nachdem der Krieg zu Ende war, sollte das Schloss gesprengt werden. Dies geschah nicht, die russischen Besatzer richteten sich bis 1947 mit einer Kommandantur hier ein. Nach dem Auszug der Besatzer folge eine kurze Episode der friedliche Nutzung als Kinderheim für Flüchtlingskinder.

Alt Rehse - Herrenhaus 10

1952 zog ein Lehrerbildungsinstitut ein, das bis 1955 Sportstudenten ausbildetet. 1955 wurden Teile des Geländes von einer LPG genutzt; kurzzeitig nahm sogar das Ministerium für Staatsicherheit das Gelände in Beschlag, das hier eine Hochschule einrichten wollte.

1958 zog die Kasernierte Volkspolizei ein, dann die NVA. Das Gelände wurde zunächst zu Erholungszwecken genutzt, danach zu Ausbildungszwecken.  Das Schloss selbst diente einige Zeit als Gästehaus für das Kommando des Militärbezirkes V, das seinen Sitz in Neubrandenburg hatte.  Auf dem Gelände entstand dann ab Mitte der 1970er Jahre die Territoriale Führungsstelle des Kommandos des Militärbezirkes V. Seit dieser Zeit war das gesamte Gelände militärisches Sperrgebiet. 1990 übernahm dann die Bundeswehr, die bis 1998 blieb und hier eine Wohn – und Erholungsstätte für Offiziere betrieb. Alles militärische wurde bei deren Abzug mitgenommen und das Gelände sich selbst überlassen.

Alt Rehse - Herrenhaus 14

Interessant (und wenig bekannt) ist, das sich von 1990 bis 2003 der Hartmannbund und die Kassenärztliche Vereinigung Mecklenburg-Vorpommern (als Rechtsnachfolgerin der Reichsärztekammer [!]), um das gesamte Gelände stritten und es jeweils für sich beanspruchten und Rückübertragungsansprüche gerichtlich durchsetzen wollten. Die Gerichte entschieden zunächst für die Kassenärztliche Vereinigung, die – ironischerweise – hier an diesem Ort wieder eine Ausbildungsstätte für Ärzte errichten wollte. Dafür gab es jedoch – aus verständlichen Gründen – keinen Konsens mit den vor Ort Lebenden. Erst nach massiven Protesten und etlichen Gerichtsverfahren verzichtete die Kassenärztliche Vereinigung schließlich und gab das Gelände an den Bund zurück.

Eine Art Kommune lebte von 1998 bis 2014 auf dem Gelände, die hier ein alternatives Wohn- und Lebensprojekt verwirklichen wollte. Einer der Initiatoren hatte jedoch für die Finanzierung erforderliche Unterschriften auf Bürgschaften gefälscht; er wurde später verurteilt und der Kaufvertrag wurde rückabgewickelt.

Seit 2016 wird das gesamte Gelände zu einem Tagungs- und Spa-Hotel umgestaltet und weiter entwickelt.

Alt Rehse - Herrenhaus 13

Quellen:

Internetpräsenz alleburgen Punkt de

Born, Alexandra „Die Führerschule der Reichsärzteschaft in Alt Rehse – ethische
Grenzen in der modernen Medizin. Historische Aufarbeitung und aktuelle Diskussion unter Berücksichtigung des Bezugs zur Sozialen Arbeit und Sozialpädagogik“, Diplomarbeit an der Hochschule Mittweida (FH), Fachbereich Soziale Arbeit,  2008 (Roßwein)

Henning, Ulrike „Alt Rehse auf der Suche nach sich selbst“, Neues Deutschland (online), 03.08.2016

Lueken, Sabine „Am Kraftort“, in: „Gesundheit braucht Politik. Zeitschrift für eine soziale Medizin“, 4/2015, S. 23 ff.

Rübsam, Jens „Das Dorf, auf dem die Hand drauf liegt“, taz. die Tageszeitung, 31.01.1997, S.11

Stommer, Rainer „Medizin im Dienste der Rassenideologie. Die Führerschule der Deutschen Ärzteschaft in Alt Rehse“, Berlin, 2008

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..