Neubrandenburg – Bahnbetriebswerk

Die denkmalgeschützten Gebäudereste des ehemaligen Bahnbetriebswerkes Neubrandenburg präsentieren sich in teilweise noch wundervoller Industriearchitektur am Nordrand des heute eher unschönen Bahnhofs. 

Bahnbetriebswerk Neubrandenburg 01

Ende des 19. Jahrhunderts, als Bahnstrecken in atemberaubendem Tempo gebaut wurden, entwickelte sich die Kleinstadt Neubrandenburg zu einem wichtigen Eisenbahnknotenpunkt. Hier kreuzten sich die Mecklenburger Südbahn (Parchim – Karow – Neustrelitz), die Berliner Nordbahn (Berlin – Stralsund) und die Lübeck-Stettiner-Bahnstrecke (bis 1945 noch über die berühmte Eisenbahnbrücke in Karnin, über deren Wideraufbau auch alle Jahre wieder diskutiert wird). Zudem ging von Neubrandenburg auch noch die Nebenstrecke nach Friedland ab.

Bahnbetriebswerk Neubrandenburg 19

Baubeginn für den Bahnhof Neubrandenburg und die ersten Gebäude des Betriebswerkes nebst Wasserturm war 1860. Schon 1864 wurde das Bahnbetriebswerk eröffnet, zunächst nur als Werkstatt für Reparatur- und Wartungsarbeiten an Dampflokomotiven. Neubrandenburg war zu dieser Zeit Endhaltestelle der gerade eröffneten Strecke von Güstrow über Teterow und Malchin – aus dieser Strecke entwickelte sich wenige Jahre später die Verbindung Lübeck – Stettin.

Bahnbetriebswerk Neubrandenburg 18

1873 wurde der erste Ringlokschuppen (zunächst nur mit 7 Gleisen) errichtet sowie die erste Drehscheibe. Schon kurze Zeit später wurde der Lokschuppen auf 12 Gleise erweitert.

Bahnbetriebswerk Neubrandenburg 30

Zwischen 1910 und 1914 wurde ein weiterer Ringlokschuppen erforderlich – seine 6 Gleise wurden über eine weitere Drehscheibe erschlossen. Etwa zur gleichen Zeit entstanden ein Verwaltungsgebäude und ein Sozialgebäude – beide Gebäude sind noch erhalten, verfallen aber vor sich hin.

Bahnbetriebswerk Neubrandenburg 28

Bahnbetriebswerk Neubrandenburg 27

Der überlieferte Personalbestand¹ des Jahres 1916 war durchaus ansehnlich und zeugt vom regen Treiben: je 1 Stationsvorsteher 1. Klasse, Obergütervorsteher und Eisenbahnsekretär, 4 Betriebssekretäre, 3 Eisenbahnpraktikanten, 6 Eisenbahnassistenten, 4 Telegraphisten, 2 Güterbodenmeister, 2 Expeditionsgehilfen, 3 Wägemeister, 18 Weichenwärter, 3 Eisenbahnsupernumerare, 1 Militäranwärter, 2 Wagenrevisoren, 4 Rangiermeister, 1 diätarischer Expeditionsgehilfe, 3 Gehilfenanwärter, 1 Dampfpumpenwärter, 5 Güterbodenvorarbeiter sowie 1 Stationsnachtwächter.

Bahnbetriebswerk Neubrandenburg 06

Schon 1923 wurde auch der zweite Ringlokschuppen zu klein und auf 12 Gleise erweitert. Im Jahr 1932 waren im Bahnbetriebswerk Neubrandenburg 23 Dampflokomotiven beheimatet, 1936 waren es schon 29.

Den zweiten Weltkrieg überstand das Gelände relativ unbeschadet, ebenso den Abbau von Strecken, Weichen und Gleis-Sicherungstechnik zum Zwecke der Reparation. Lediglich ein Teilstück der Mecklenburger Südbahn wurde von Neubrandenburg aus bis hinter Penzlin abgebaut (und nie wieder aufgebaut – so fehlt bis heute die mecklenburgische südliche Ost-West-Querverbindung). Ob der zweite Wasserturm des Bahnbetriebswerkes Opfer von Kriegseinwirkung oder Demontage wurde, ist derzeit nicht zu klären.

Bahnbetriebswerk Neubrandenburg 16

Dampfloks fuhren noch bis 1978 ins Neubrandenburger Betriebswerk, danach war Schluss mit Dampf. Dieselloks waren nun das Transportmittel der Wahl. Dies blieb bis Anfang der 1990er Jahre so. Erst sehr spät wurde die Strecke der Berliner Nordbahn elektrifiziert – alle anderen Strecken blieben nicht elektrifiziert und starben auf Raten.

Bahnbetriebswerk Neubrandenburg 32

Am Rande des Geländes – direkt neben der rückwärtigen Zufahrt – befand sich zu Zeiten der DDR ein barackenähnlicher Bau, der die Kantine bzw. eine öffentliche Gaststätte enthielt.

Bahnbetriebswerk Neubrandenburg 05

Heute natürlich völlig heruntergekommen und sicher bald abgerissen…

Bahnbetriebswerk Neubrandenburg 14

Zwischen 1994 und 1997 wurde das Gelände schrittweise von der Deutschen Bahn aufgegeben. Ein sogenannter Bahnbetriebshof wurde etwas östlich der Stadt in der Ihlenfelder Vorstadt gebaut. An einer Gleiskurve der Neubrandenburg-Friedländer-Bahn, die die Westumfahrung des Bahnhofes ersetzte.

Im Jahre 2014 kaufte die Stadt Neubrandenburg das Gelände des Bahnbetriebswerkes. Seitdem ringt man um wirklich gute Ideen und tragfähige Konzepte für eine Nachnutzung des Geländes, die den historischen Gebäudebestand berücksichtigen. Zuletzt war der Bau einer Schwimmhalle geplant (in einem der Ringlokschuppen). Diese Pläne haben sich zerschlagen. Ob das nun geplante Digitale Innovationszentrum die Rettung für die denkmalgeschützten Gebäude bedeutet, wird die Zukunft zeigen. Zunächst wütet natürlich der Abrissbagger (an allem, was nicht unter Denkmalschutz steht). Die beiden Gebäude aus dem Anfang des 20. Jahrhunderts, die als Verwaltungs- und Sozialgebäude genutzt wurden, sind wohl als nächstes dran.

Bahnbetriebswerk Neubrandenburg 31

Noch kann man eine große Runde um das Gelände drehen und sich an der Industriearchitektur erfreuen.

Der Blick von der Heidenstraße auf das Gelände ist allerdings wenig erfreulich.

Bahnbetriebswerk Neubrandenburg 26

Die rückwärtigen Außenmauern der Ringlokschuppen scheinen noch ganz gut in Schuss zu sein. Noch führt hier ein kleiner Fußweg entlang.

Definitiv sind die Reste der beiden Wassertürme DAS Highlight auf dem Gelände.

Bahnbetriebswerk Neubrandenburg 10

Bahnbetriebswerk Neubrandenburg 11

Bahnbetriebswerk Neubrandenburg 12

Bahnbetriebswerk Neubrandenburg 15

Einen Blick auf die eingefallenen Dächer der Ringlokschuppen kann man von der Fußgängerbrücke zum Bahnhof erhaschen.Bahnbetriebswerk Neubrandenburg 17

Quellen:

¹ „Großherzoglich Mecklenburg-Schwerinscher Staatskalender“, herausgegeben vom Großherzoglichen Statistischem Amt, Schwerin, 1916

Hertrich, Mirko „Baracken am Lokschuppen Neubrandenburg verschwinden“, Nordkurier, 16.09.2021

Stallmeyer, Henning „Weitere Abrissarbeiten am Neubrandenburger Bahnhof“, Nordkurier, 13.04.2022

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..