MfS – Bezirksverwaltung Neubrandenburg

Wie in einer modernen Trutzburg thronte „die Stasi“ seit 1977 auf dem Neubrandenburger Lindenberg. Die Straße hieß damals noch Leninstraße. Das gesamte Gelände war vollständig von der Öffentlichkeit abgeschirmt; von Mauern umgeben und von Wachtürmen gesichert.

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MfS BV Neubrandenburg 011

Bis 1977 war der Sitz der Neubrandenburger Bezirksverwaltung des Ministeriums für Staatssicherheit noch in der Neustrelitzer Töpferstraße. Doch hier wurde bald der Platz eng – waren 1953 noch 259 hauptamtliche Mitarbeiter in Neustrelitz damit beschäftigt, ihre Mitmenschen auszuspionieren, überschritt die Zahl „der hauptamtlichen“ 1973 die 1.000er Marke. Ein Neubau wurde dringend erforderlich. Dieser wurde dann von 1973 bis 1977 in der Bezirkshauptstadt Neubrandenburg errichtet.

Lageplan

Lageplan der MfS-BV Neubrandenburg – Reproduktion von einer Informationstafel der Stadt Neubrandenburg

Die Mitarbeiterzahl stieg weiter an; 1989 waren hier 1.909 hauptamtliche Mitarbeiter beschäftigt. Sie überwachten die nur 620.000 Einwohner des Bezirkes Neubrandenburg. Wieviele inoffizielle Mitarbeiter hier zusätzlich Zuträger waren, ist nicht bekannt.

Der Bezirksverwaltung Neubrandenburg unterstanden die Kreisdienststellen in den 14 Kreisen des Bezirkes: Altentreptow, Anklam, Demmin, Malchin, Neubrandenburg, Neustrelitz, Pasewalk, Prenzlau, Röbel, Strasburg, Templin, Teterow, Ueckermünde und Waren.

Die Hauptabteilung Aufklärung in der MfS-BV Neubrandenburg betrieb beim Dörfchen Neuendorf ein Sendezentrum,

MfS Sendezentrum Neuendorf 003

die zugehörige Kaserne befand sich in der Nähe von Weitin. Für Krisenzeiten wurde für die Stasi-Bezirksverwaltung Neubrandenburg eine verbunkerte Ausweichführungsstelle bei Bornmühle errichtet; legendiert als Erholungsobjekt am Ufer des Tollensesees.

Mitte der 1980er Jahre wurde auf dem Neubrandenburger Gelände eine riesige Untersuchungshaftanstalt für die MfS-BV Neubrandenburg errichtet. Bis 1986 befand sich diese noch in Neustrelitz, bevor die Häftlinge dann von Neustrelitz nach Neubrandenburg verlegt wurden.

MfS U-Haft Neubrandenburg 002

Mit dem Ende der DDR kam auch das Ende seines Geheimdienstes.

Die  im Bahnpostamt Neubrandenburg von einer speziellen Abteilung der BV Neubrandenburg durchgeführten Postkontrollen (täglich wurden hier etwa 12.000 Postsendungen kontrolliert) endeten am 08. November 1989. Am 5. Dezember 1989 versiegelte der Bezirksstaatsanwalt im Beisein von Bürgervertretern die Archive der Bezirksverwaltung Neubrandenburg und der ehemaligen Kreisdienststelle Neubrandenburg, deren Archiv sich ebenfalls auf dem Lindenberg befand. Eine Besetzung, wie sie in anderen Städten stattfand, hat es hier nicht gegeben. Die Geheimdiensttätigkeit auf dem Neubrandenburger Lindenberg endete am 31.März 1990 mit der Entlassung der letzten 77 hauptamtlichen Mitarbeiter. Der letzte Chef der Bezirksverwaltung des MfS bzw. des Amtes für Nationale Sicherheit, Generalmajor Peter Koch, kam im Januar 1990 in Untersuchungshaft. Gegen ihn wurde wegen des Verdachts auf Untreue zum Nachteil sozialistischen Eigentums ermittelt. Er hat sich im Mai 1990 erschossen, kurz nachdem er aus der Untersuchungshaft entlassen wurde. Unter seiner Regie lief z.B. die Integration und Überwachung der in der DDR untergetauchten RAF-Terroristen Silke Maier-Witt und Henning Beer. Beide lebten und arbeiteten zuletzt – vom MfS organisiert – unter falscher Identität in Neubrandenburg. Ihre Tarnungen hielten bis Juni 1990.

Das Erbe der MfS-BV Neubrandenburg sind nicht nur die verschiedenen baulichen Hinterlassenschaften auf dem Lindenberg, sondern vor allem auch mehr als zwei Kilometer Aktenbestände. Auch die knapp 2.000 hauptamtlichen Mitarbeiter vom Lindenberg lösten sich nicht in Luft auf; sofern sie nicht inzwischen Rentner sind, leben und arbeiten sie heute noch – ein großer Teil vermutlich in oder um Neubrandenburg. Und sind ganz sicher untereinander gut vernetzt…

Heute ist ein großer Teil der Verwaltungsgebäude nachgenutzt (also kein echter „Lost Place“); auch das Neubrandenburger Stasi-Unterlagen-Archiv befindet sich hier. Auf dem Gelände wurde ein Lehrpfad eingerichtet, der an die Geschichte dieses Ortes erinnert.

Ein Rundgang über das Gelände zeigt die Größe des Objektes.

Der Kontrolldurchlass (KdL) beim ehemaligen Eingangsbereich ist auch heute noch gut zu erkennen.

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Der riesige Garagenkomplex befindet sich fast noch im Originalzustand.

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Ein großer Teil der Maueranlage nebst einem Postenturm sind ebenfalls noch erhalten.

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Nicht geschafft hat es der ehemalige Sportplatz. Man kann ihn nur noch erahnen.

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Quellen:

[Hrsg.] BStU „Die Bezirksverwaltung für Staatssicherheit Neubrandenburg“ (kurze Zusammenfassung wichtiger Fakten aus der Bestandsübersicht des Stasi-Unterlagen-Archives; online unter stasi minus unterlagen minus archiv Punkt de – hier: Bestände und Teilbestände der Bezirksverwaltung Neubrandenburg)

[Hrsg.] Stadt Neubrandenburg, Informationstafeln auf dem Gelände vom Lehrpfad „DDR-Staatssicherheit auf dem Lindenberg“, online Informationen zum Projekt unter: Zeitlupe minus nb Punkt de

Gieseke, Jens „Wer war wer im Ministerium für Staatssicherheit (MfS-Handbuch Teil V/4 )“ – Eintrag zu Peter Koch; [Hrsg.] BStU „Anatomie der Staatssicherheit. Geschichte, Struktur und Methoden. MfS-Handbuch“, Berlin, 2012

von Saß, Ulrich „Besetzung bei Kaffee und Zigaretten“ (veröffentlicht online unter stasibesetzung Punkt de – hier unter dem Thema „Die Besetzung der Bezirksverwaltung Neubrandenburg“), o.D.

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