VEB Futtermittelwerk A. (Teil 1)

Gänzlich ungewohnt auf diesen Seiten: dieser Ort ist ganz bewusst anonymisiert. Leicht fiel diese Entscheidung nicht. Durch das Weglassen bestimmter Details zur Geschichte des Ortes fehlt der historische Kontext. Der Erhaltungszustand dieses Ortes sticht jedoch so aus „dem gewohnten“ heraus, dass der Schutz des Ortes hier definitiv Vorrang hat. In der Hoffnung, dass er noch möglichst lange so erhalten bleiben möge.

Ein Gastbeitrag von Alexander Köhler


Dies ist der erste Teil einer zweiteiligen Serie über das VEB Futtermittelwerk A. Warum zweiteilig? Leider zeigte dieser Lost-Place besonders, wie schnell mutwillige Zerstörung einen „Lost-Place-Traum“ zerstören kann. Deswegen auch die Anonymisierung – um weiteren Schaden abzuwenden. Aber dazu mehr im zweiten Teil. Der erste Teil dieser Serie wird sich mit dem noch traumhaften Zustand dieses Lost-Place beschäftigen…

Die Bezeichnung „VEB Futtermittelwerk“ sagt es bereits: es ist ein Industriestandort der ehemaligen DDR. Irgendwo in unserem schönen Land.

Getreidemühlen wurden an diesem Standort schon seit Mitte des 19. Jahrhunderts betrieben. Eine lange und wechselvolle Geschichte folgte; durch den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens wuchs der Betrieb und der Gebäudebestand. Nach dem Ende des zweiten Weltkrieges entging der Betrieb der Demontage. Später, mit der Verstaatlichung der Betriebe in der DDR, wurde er als VEB weiter betrieben. Anfang der 2010er Jahre wurde schließlich am Standort nach Insolvenz die Produktion und das Werk geschlossen.

Auf bis zu 7 Etagen und in mehreren Gebäuden wurden Futtermittel aller Art produziert. Normalerweise wäre hier ein Bild der Gebäude – zum Schutz der Location haben wir uns jedoch dafür entschieden, kein vollständiges Bild von außen zu zeigen. Bitte habt Verständnis dafür! So viel sei zum Gebäude gesagt: bereits von weiter Ferne aus ist es sichtbar. Silotürme und Maschinengebäude dominieren das Stadtbild.

Für einer der größten Futtermittelproduzenten werden günstige Verkehrswege benötigt. Daher wurde das Futtermittelwerk an einem Fluss gebaut. Zusätzlich zum Schiffsverkehr zeugen Schienen von Gütertransporten per Bahn.

Man möchte meinen, die Produktion könnte jeden Moment wieder starten – ein Gefühl, dass einen noch öfter während der Erkundung beschlich.

So gab es mehrere Gleise und Verladevorrichtungen – sowie Tank- und Verbindungsgebäude, wie im folgenden Bild dargestellt ist.

VEB Futtermittelwerk A 004

Im zugänglichen Teil des Kellers befand sich augenscheinlich das Materiallager für die Mitarbeiter. Dokumente, Schutzausrüstung, Schreibmaschinen sowie Glühlampen und Drähte(!) kann man finden. Selbst ein Robotron-A7100 (DDR-Bürocomputer, Baujahr 1985) samt Bildschirm sind anzutreffen.

VEB Futtermittelwerk A 039

VEB Futtermittelwerk A 031

VEB Futtermittelwerk A 041

Überreste eines Fördermechanismus zeugen von Verladungen oder Transporten innerhalb des Gebäudes.

VEB Futtermittelwerk A 005

Im Erdgeschoss findet sich eine Mischanlage, inklusive technischer Zeichnungen der gesamten Anlage. Vereinzelt sind Kreidetafeln mit Prüfdaten an den Tanks zu finden. Die Datierungen reichen bis ins Jahr 2013 zurück.

VEB Futtermittelwerk A 025

Einzelne Maschinen erstrecken sich über die gesamte Höhe des Gebäudes und sind über die Etagen hinweg verbunden.
Auf jeder Etage finden sich zudem ca. 3×3 m große Luken, die wahrscheinlich für den Transport von Produktionsmitteln genutzt wurden. Besonders gefährlich – auf keiner Etage ist die Luke mit der vorhandenen Stahl-Platte verschlossen.

Der bereits erwähnte gute Zustand zeigt sich auch in den vorhandenen Schaltkästen. Hier wurden noch fast keine elektrischen Bauteile gestohlen. Vereinzelt befinden sich in den Schaltschränken Pläne der elektrischen Verkabelung. Recht schnell finden sich in der Fabrik erste gut erhaltene Maschinen – bei der schieren Anzahl und Größe der Trichtern und Anlagen stockt einem der Atem.

VEB Futtermittelwerk A 009

Von den ersten Maschinen aus führt der Weg direkt zu einem der Highlights dieses Objektes:

VEB Futtermittelwerk A 010

Schränke, voll mit verschiedenen Rückstell-Proben. Beschriftet sind die einzelnen Behälter unter anderem mit Inhalt, Prüfdatum und Signum. Direkt neben Schränken finden sich mehrere Karten aus Deutschland. In einigen Städten wurden Markierungen gesetzt (nummeriert). Über deren Bedeutung lässt sich nur spekulieren. Möglicherweise sind es ehemalige Kunden?

VEB Futtermittelwerk A 011

Hinter einer unscheinbaren Tür verbirgt sich das persönliche Highlight der Fabrik:

VEB Futtermittelwerk A 012

Der Anblick dieses voll eingerichteten Büros lässt das Herz jedes Urbexers höherschlagen. Ein erhaltener Computer, in den Schubfächern finden sich Unterlagen u.a. zu Betriebsratswahlen. Ordner voller Akten stehen auf den Schränken – selbst das Waschbecken und der Spiegel sind noch vorhanden.

Auf einem Wandkalender aus dem Jahre 2014 steht „Jetzt die Zeit anhalten“. Man möchte meinen, dieser Spruch wurde Wirklichkeit.

Auf dem Tisch, der zur Pause einlädt, befinden sich zudem noch ein Bild und mehrere Schlüssel – welche aus naheliegenden Gründen nicht gezeigt werden. Telefonlisten mit Namen und zum Teil ganze E-Mail-Verläufe sind ebenso auffindbar. Wäre hier nicht vor einigen Jahren der Betrieb eingestellt worden, könnte man denken hier würde jederzeit ein Arbeiter auftauchen und seiner Beschäftigung nachgehen.

Vermutlich befand sich in den höheren Etagen die Verfüllung einzelner Bestandteile, wie Waagen und Trichtersystem erahnen lassen:

Die Größe der Maschinen lässt dem Besucher immer wieder den Atem stocken.

VEB Futtermittelwerk A 017

VEB Futtermittelwerk A 018

Auch selten zu sehen: der Aufzugsmotor. Im selben Raum befinden sich diverse technische Zeichnungen und Beschreibungen.

VEB Futtermittelwerk A 019

Wie immer gilt auch hier: es ist nicht alles Gold was glänzt. Zum Teil wurden schon kleinere Gegenstände demoliert; allerdings nicht in dem Maß wie man es von bekannten Fabriken gewohnt ist.

Graffitis gibt es nur wenige, und auch nur in den unteren Etagen der Fabrik. Diese Location scheint zum Zeitpunkt der Erkundung noch unbekannt gewesen zu sein – trotz des auffälligen Gebäudes.

Wie schnell sich dies ändern kann, sollten wir mit eigenen Augen erfahren. Diese Veränderung möchten wir im zweiten Teil dieses Beitrags thematisieren.

VEB Futtermittelwerk A 030

Quellen:

Text und Bilder: Alexander Köhler, (c) 2020 – mit freundlicher Genehmigung

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