NVA – FRA 4331 Bahrhöft

Nördlich von Stralsund, direkt am Wasser der Ostsee, dort wo früher die DDR aufhörte, liegt Barhöft. Bekannt war das ehemalige Fischer- und Lotsdendorf in der Öffentlichkeit bis 1989 überhaupt nicht. Hier wohnte niemand mehr, und wer nicht Angehöriger der hier stationierten Truppen war, gelangte gar nicht erst hierher – Sperrgebiet, nicht nur militärisches, sondern auch Grenzsperrgebiet.

Hier, in heute idyllischer Lage, war ein Tummelplatz verschiedenster Waffengattungen. Die 6. Grenzbrigade Küste war hier vertreten mit dem 3. Technischen Beobachtungszug, einem Wasserkontrollpunkt und der 3. Grenzbootgruppe, die den kleinen Hafen belegte. Die Volksmarine nutze den Hafen ebenfalls als Manöverhafen und betrieb zudem eine Richtfunkstation; das Ministerium für Staatssicherheit hatte seine Augen und Ohren ebenfalls hier vor Ort, unter dem Deckmantel einer Pass- und Kontrolleinheit. Im dichten Küstenwald versteckte sich seit Anfang der 1970er Jahre die Flugabwehr-Raketen-Abteilung 4331.

FRA 4331 Barhöft 06Nach Umstrukturierungen innerhalb der Luftstreitkräfte / Luftverteidigung der NVA wurde aus dem ehemaligen Fla-Raketen-Regiment 18 (FRR 18) am 01. Dezember 1971 die 43. Fla-Raketen-Brigade. Zusätzlich zu den zu diesem Zeitpunkt schon existierenden Fla-Raketen Abteilungen 431 in Abtshagen, 432 in Barth, 433 in Hinrichshagen und 434 in Retschow sollten vier neue Abteilungen aufgestellt werden und mit moderner (Raketen-) Technik ausgestattet werden (S-125 „Newa“). Eine dieser neu aufzustellenden Fla-Raketen-Abteilungen war die FRA 435 mit Standort in Barhöft. So begann etwa im Frühjahr 1973 der Auf- und Ausbau der gesamten Feuerstellung – alle Arbeiten erfolgten in sogenannter Truppeneigenleistung; sprich: die dort dienenden Soldaten bauten alles selbst. 1974 war schon das erste Gefechtsschießen auf dem Staatspolygon in Ashuluk für diese neu aufgestellte Abteilung. Ein Jahr später (01.06.1975) wurde die FRA 435 in das Diensthabende System der Luftstreitkräfte / Luftverteidigung integriert. Anfang der 1980er Jahre erfolgte eine Änderung der taktischen Nummerierung – aus der FRA 435 wurde die FRA 4331. Aus der taktischen Bezeichnung ging die Bewaffnung hervor: 433x war die Bezeichnung für die FRA mit S-125 Raketen. Das letzte Gefechtsschießen fand für die hier Dienenden im Jahr 1988 statt.

Bis zum Abriss des Kasernen- und Stabsgebäudes im Jahr 2010 waren die Ergebnisse der Gefechtsschießen an einer Mauer vor der Kaserne noch vorhanden – das war die sogenannte „Straße der Besten“ (im unten stehenden Bild zwischen dem forstwirtschaftlichen Anhänger und dem gelben Kasernengebäude ist die Mauer zu erkennen)FRA 4331 Barhöft A-Objekt 17Die Detailaufnahme zeigt, das die Reise in regelmäßigen Abständen zum Schießen nach Kasachstan ging…FRA 4331 Barhöft A-Objekt 18Die Porträts der ausgezeichneten Wehrpflichtigen und besonders verdienstvollen Armeeangehörigen fanden hier ebenso ihren Platz wie ein stilisiertes Bild der Waffengattung.FRA 4331 Barhöft A-Objekt 19Unmittelbar nach dem Ortseingang, direkt an der Hauptstraße, befand sich das sogenannte A-Objekt – der kasernierte Unterkunftsbereich für die Soldaten und Unteroffiziere sowie die zugehörige Infrastruktur (Küche, Heizhaus, Lagergebäude). Hier befand sich seit 1963 zunächst nur die Kaserne des 3. Technischen Beobachtungszuges der 6. Grenzbrigade Küste. Erst 10 Jahre später wurde das Gelände erweitert, um den etwa 80 Soldaten, Unteroffizieren und Offizieren der neu aufgestellten FRA4331 Platz zu bieten.

Die bestehende Infrastruktur des 3. Technischen Beobachtungszuges wurde vermutlich mit genutzt, wie zum Beispiel die Nachrichtentechnik.FRA 4331 Barhöft A-Objekt 03Ob Küche und Speisesäle gemeinschaftlich vom 3. TBZ und der FRA 4331 genutzt wurden, können nur Zeitzeugen wissen. FRA 4331 Barhöft A-Objekt 04Für die FRA 4331 wurde als Kasernen- und Stabsgebäude ein typischer Neubau in Plattenbauweise errichtet.FRA 4331 Barhöft A-Objekt 20Eine kleine Überraschung dürfte der Kinosaal gewesen sein, der sich in einer Baracke auf dem Gelände befand.FRA 4331 Barhöft A-Objekt 15Der dazu gehörende Vorführraum enthielt sogar noch einige Technikreste…

… und war für den Filmvorführer in seinem kleinen Reich bestimmt eine ganz spezielle Art von Oase – die Wände waren verziert mit Filmpostern jener Zeit.

Heute ist vom gesamten A-Objekt nicht mehr viel zu sehen – es wurde so gut wie alles abgerissen. Einige Unterkunftsbaracken stehen noch; das ehemalige gelbe Unterkunfts- und Stabsgebäude wurde im Jahre 2010 abgerissen. An fast der selben Stelle wurde ein Neubau errichtet, der heute die Technische Betriebsführung und den Servicestützpunkt für einen offshore – Windpark beherbergt.

FRA 4331 Barhöft 140Auch vom Heizhaus blieb nichts erhalten. Den 2007 noch sichtbaren Schornstein sucht man heute vergebens.FRA 4331 Barhöft A-Objekt 21Auf der gegenüberliegenden Seite (und somit außerhalb des umzäunten Bereiches) lagen die Wohnblocks für die Offiziere und ihre Familien. Diese werden heute zivil genutzt und wurden inzwischen modernisiert.FRA 4331 Barhöft 137

FRA 4331 Barhöft A-Objekt 01Verschwunden ist auch schon längst das Wachgebäude (KDL bzw. KDP), das sich ebenfalls fast unmittelbar an der Straße befand, die noch heute in den Küstenwald hineinführt. Hier war die Hauptzufahrt für den gesamten Standort; dahinter befand sich der kleine Bereich des Fuhrparkes.

FRA 4331 Barhöft A-Objekt 10Von hier erfolgte auch die Zufahrt in die Technische Zone, die – wie üblich – im Wald versteckt wurde.

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Auffällig ist auf jeden Fall die Kompaktheit des gesamten Standortes. Viel Platz stand nicht zur Verfügung, und so wurde zum einen kompakter gebaut und zum anderen war die sonst übliche Ausdehnung und Struktur derartiger Objekte hier nicht realisierbar. Üblicherweise liegt der Fuhrpark zwischen dem A-Objekt und dem Raketenlagerbunker (B-Objekt). In Barhöft befand sich der Bereich des Fuhrparkes zum großen Teil auf der Fläche des A-Objektes. Nur wenige Meter hinter dem A-Objekt beginnt schon die sogenannte Technische Zone. Abgesperrt von einem auch heute noch martialisch wirkendem Tor.

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Die gesamte technische Zone war extrem gut gesichert – eine Mauer und eine Doppelzaunanlage umschlossen das gesamte Gelände – im Inneren der Doppelzaunanlage befand sich eine Hochspannungssicherungsanlage. Die Reste sind heute noch deutlich erkennbar.

Muss man sonst mehr als einen Kilometer durch den Wald laufen, um in die technische Zone zu gelangen, genügen hier nur wenige Meter. Ein Betonplattenweg, der als Hauptfahrstraße diente, ist noch gut erhalten und führt durch inzwischen dichten Wald, Büsche, das obligatorische Brombeergestrüpp und hüfthohes Gras. Auffällig ist das Fehlen der üblichen Ringstraße – die einzelnen Feuerstellungen wurden nur über die Stichstraße bedient.

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Der Bereich der Tankstelle, der meistens separat und aus nachvollziehbaren Gründen weit weg von der Feuerstellung liegt, befindet sich unscheinbar fast gegenüber des Fahrzeugbunkers. Man muss schon sehr genau hinschauen – hier ist im wahrsten Sinne des Wortes viel Gras darüber gewachsen-

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Ungeklärt bleibt zunächst, ob sich in dem Objekt auch ein Raketenlagerbunker befunden hat – das Gelände würde es von der Beschaffenheit schon hergeben – jedoch war aufgrund des Bewuchses weder der Bunker noch eine Zufahrtsstraße zu erkennen. Gut möglich, das er inzwischen zugeschüttet wurde – eine Unsitte, die leider öfter beobachtet werden kann… Die so typischen Fahrzeugbunker lassen nicht lange auf sich warten.

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Zumindest sind die Stahltore noch zur Hälfte erhalten. Der Rest des Bauwerkes ist gänzlich ausgeweidet. Auch die Freunde der Spray-Farbdosen waren aktiv…

Eine kleine Überraschung hielt dieser Fahrzeugbunker noch bereit: eine riesige Stahlkammer, die an einen übermannshohen Tresor erinnert. Die Doppel-Türen haben eine Höhe von etwas über 1,50 (geschätzt). An der Seite befindet sich ein Elektromotor aus der Produktion des VEB Sachsenwerkes, wie das Typenschild verrät. Wozu diese stark gepanzerte Kammer diente, ist unbekannt.

Die übliche Kombination von nebeneinander stehenden FB-3 – Bunkern, die als Mannschaftsunterkunft dienten, sind heute nicht mehr zu sehen – diese wurden zugeschüttet bzw. die Natur hat sie sich zurückgeholt.

Nur wenige Meter nach dem ersten Fahrzeugbunker folgt schon die Raketenleitstation. Ebenfalls ein Garagenbunker, in den der örtliche Gefechtsstand (bzw. die Führungsstelle) integriert war.

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Der vordere Teil des Bauwerkes wurde als gedeckte Garage genutzt. Hier fand auch die mobile Netzersatzanlage ihren Platz, die das Schutzbauwerk, das sich im hinteren Teil befand, mit Strom versorgte. Der Bunker selber hatte keine eigene Netzersatzanlage.

Rund um die Raketenleitstation waren die einzelnen Feuerstellungen zu finden – heute sind sie durch den dichten Bewuchs kaum auszumachen, an manchen Stellen ist auch kein Durchkommen möglich. Es ist immer wieder erstaunlich, wie schnell und gründlich sich die Natur alles zurückholt.

Die Natur hat sich auch hier vieles zurückgeholt, was noch vor wenigen Jahren zumindest sichtbar war… vermutlich ein weiterer FB-3.

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Im Dickicht des Waldes schlummert ein weiterer und noch zugänglicher Kleinbunker vom Typ FB-3. Zunächst nur durch die deutlich sichtbare Erderhöhung zu erahnen und den typischen „Dinohals“, der kaum zu erkennen ist.

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Der Eingang ist von Plattenweg aus nicht zu erkennen; nach kurzem Kampf mit Brombeergestrüpp und urwaldartigem Dickicht zeigt er sich endlich.

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Metalldieben ist es irgendwie gelungen, die Schwere Tür aus den Angel zu heben. Weit sind sie damit allerdings nicht gekommen. Der Bunker ist natürlich ausgeräumt; nur sehr wenige Kleinigkeiten haben überlebt: ein paar Kabelreste, eine Lampe, ein Klemmkasten – alles auf den nackten Beton montiert. Erstaunlicherweise hat auch der kleine Lüfter überlebt.

Am nördlichen Rand des Geländes befand sich eine kleine Zufahrt. Gut getarnt und von einem MG-Stand geschützt diente sie wahrscheinlich als Alarmausfahrt sowie (vermutlich!) als Zufahrt bzw. Stabs-Eingang vom mutmaßlichen Hubschrauberlandeplatz aus.

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Noch bis vor wenigen Jahren war das Original-Tor noch erhalten:

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Hier hinten befand sich zudem das Gebäude für die Stromversorgung des Elektrozaunes bzw. der Hochspannungs-Sicherungs-Anlage. Auf den Zeitschalt-Schützen ist noch gut zu erkennen: Hergestellt in der DDR – in deutsch, englisch und russisch!

Durch die örtlichen Gegebenheiten kann man nur Vermutungen anstellen, wo sich der Hubschrauberlandeplatz befunden haben könnte – vom Gelände her (das Areal ist von hohem und dichtem Wald umgeben, der auch in der Technischen Zone aus Gründen der Tarnung nicht gerodet wurde) könnte sich der HLP unmittelbar am nördlichen Rand des Geländes der FRA auf einer etwas erhöht liegenden Grasfläche befunden haben – ein befestigter Weg führt von der Nordausfahrt dorthin und auch das Gelände des Technischen Beobachtungszuges der Grenzbrigade Küste mit dem ehemaligen Grenzkontrollturm ist in unmittelbarer Nähe. Dies ist aber reine Spekulation – nur Zeitzeugen können diese Frage definitiv beantworten.

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Über das Ende der FRA 4331 ist nichts bekannt – nach dem Ende der DDR und damit dem Ende der NVA hatte die Bundeswehr keinerlei Interesse an diesem Standort. Er wurde aufgegeben und sich selbst überlassen.

Quellen:

Internetpräsenz mil-airfields Punkt de – Beitrag: „Barhöft: Fla-Raketenabteilung 4331. NVA Hubschrauberlandeplatz 3318“

Internetpräsenz Nachrichtenbetriebsamt Punkt de – Beitrag: „FRR 18 / 43. FRBr“

Inzwischen „historische“ Bilder aus den Jahren 2007 und 2012 wurden freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Thomas Schwalger

3 Gedanken zu „NVA – FRA 4331 Bahrhöft

  1. Ganz unerwähnt bleibt der Bunker für die Radarstation P-15. Bei meinem letzten Besuch vor drei Jahren war dieser allerdings von dichtem Gestrüpp umgeben, sodass nur Eingeweihte ihn vermutlich entdecken können.

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