Ottendorf – Jugenderholungsheim Endlerkuppe

Abseits vom großen Weltgeschehen, eingebettet in die malerische Landschaft der Sächsischen Schweiz, befindet sich ein imposanter und markanter Gebäudekomplex.

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Die Größe der Anlage kann man auf einem historischen Luftbild sehr gut erkennen.

Luftbild Ottendorf

© SLUB / Deutsche Fotothek / Hahn, Walter, 1930, Lizenz: Freier Zugang – Rechte vorbehalten. http://www.deutschefotothek.de/documents/obj/90072594

In sehr kurze Zeit (Planungsbeginn war 1927) wurde die vier Hektar umfassende U-förmige Gebäudeanlage in nur zwei Jahren von 1928 bis 1929 erbaut –  als Jugenderholungsheim der Gesellschaft Sächsischer Jugendwohnheime m.b.H. Es war das erste seiner Art in Deutschland!

Beteiligt waren neben dem Sächsischen Staat die Sozialversicherungsträger (Kranken – und Rentenversicherung), Kommunalverbände, Gewerkschaften und Jugendverbände. Reges Sponsoring lokaler Unternehmen (z.B. bei der Innenausstattung) unterstützte das Vorhaben.

Architekt war der lokal bekannte Dresdner Kurt Bärbig, der mit diesem Gebäudeensemble „einen Bau geschaffen [hat], der in der Architektur wie in der Inneneinrichtung die Ideale der Schönheit und Zweckmäßigkeit in vollkommener Weise vereinigt. Die Schönheit aller Formen und Farben vom Türgriff bis zum Beleuchtungskörper soll erzieherisch und geschmacksbildend auf die junge Generation wirken.“

Von der einstigen – fast schon als luxuriös bezeichneten – Einrichtung ist heute so gut wie nichts mehr zu erkennen. In einem der Baderäume sind noch die originalen Fliesen an den Wänden zu finden – im typischen Dekor jener Zeit.

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Jeweils 80 Jungen und Mädchen der Arbeiterjugend, sollten im Jugenderholungsheim Endlerkuppe in drei – bis vierwöchigen Aufenthalten  Erholung finden. Insgesamt 8 Gruppen aus 20 Jugendlichen lebten mit den Jugendleitern in einem großen Familienverbund, mit eigenen Schlafsälen, der in 2-Bett- Bereiche unterteilt war, eigenem Gruppentagesraum und eigenem Gruppenwasch- und Baderaum.

Für die „werktätige Jugend Sachsens“ im Alter zwischen 14 Jahren und 21 Jahren trugen entweder die Krankenkasse oder die städtischen Wohlfahrtsämter die Kosten. Für alle anderen Gäste betrug der Tagessatz 3,50 Mark.

Im Haupthaus befand sich der große Fest- und Speisesaal nebst Bühne und Filmvorführtechnik.

Von der einstigen Pracht und Schönheit des großen Saales ist heute nicht mehr viel zu sehen. Man kann sie nur erahnen.

Ottendorf Hauptsaal

Jugenderholungsheim Endlerkuppe. Großer Saal © SLUB / Deutsche Fotothek / Hahn, Walter Lizenz: Freier Zugang – Rechte vorbehalten. Datierung: 1926-1928 http://www.deutschefotothek.de/documents/obj/33098037

In den beiden Seitenflügeln waren die Unterkunftsräume untergebracht.

Auf dem 12 Hektar großen Gelände befand sich zudem noch ein Wirtschaftsgebäude, das auch eine Krankenstation beherbergte.

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Markantes Bestandteil des Ensembles ist der multifunktionale Wasserturm. Er besaß einen verglasten Windfang mit Aussichtsplattform; auf den einzelnen Ebenen des Turmes unterhalb des Wasserspeichers befanden sich kleine Einzelzimmer für Übernachtungsgäste.

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Von Weitem sieht der Turm aus, wie gerade verlassen. Im Untergeschoss und Zugangsbereich des ehemaligen Treppenhauses besteht jedoch akute Einsturzgefahr. Es sieht so aus, als wären die Tage des Turmes gezählt.

Das Tragische an der Geschichte dieser Gebäude ist, das dies ein Ort sein sollte frei von Ideologie und ideologischer Beeinflussung. Genau dieses Ideal endete  schon 1933.

War es bis dahin umstritten wegen seines vermeintlichen Luxus´, den sich Deutschland nicht leisten könne, kam ab 1933 der ideologische Faktor hinzu. Das gesamte Anwesen wurde nach dem Verbot der Arbeiterwohlfahrt in Sachsen 1933 enteignet und dem Parteivermögen der NSDAP zugeschlagen. Die Gebäude standen zunächst leer, bevor ab 1934 der Bund Deutsche Mädel (BDM) als einzige parteiamtliche Mädchenorganisation der NSDAP die Gebäude als BDM-Heim zur ideologischen Erziehung und Ausbildung nutzten. In der Zeit des Zweiten Weltkrieges (nach 1940) wurde aus dem BDM-Heim eine BDM-Führerinnenschule und das Gebäudeensemble wurde „NS Burg Ottendorf“ genannt.

Kurz vor Kriegsende wurden hier dann junge Soldaten für ihren Einsatz an der Front in Schnell-Lehrgängen ausgebildet – das ganze nannte sich Wehrertüchtigungslager.

Ideologie prägte auch die Nutzung nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Unmittelbar nach Kriegsende – Mai 1945 – beschlagnahmte die Gemeinde Ottendorf das Gelände und übertrug es im September 1945 an die Kreisleitung der Kommunistischen Partei. Diese Übertragung erfolgte keineswegs freiwillig, sondern auf Anweisung des Leiters des Ressorts für Inneres der Landesverwaltung Sachsen („zufällig“ KPD-Mitglied) an den Pirnaer Landrat (ebenfalls „rein zufällig“ KPD-Mitglied) „das von Ihnen beschlagnahmte Erholungsheim in
Ottendorf […] der Bezirksleitung der Kommunistischen Partei Sachsen für
Erholungszwecke konsequenter Antifaschisten und früherer politischer Häftlinge ab sofort – für vorläufig ein Jahr – zur Verfügung zu stellen“ Der wahre Grund musste schon verschleiert werden – zu merkwürdig war es wohl, in einem Gebäude, das bis vor ein paar Monaten noch von der NSDAP zur Ausbildung politischer Eliten genutzt wurde nun zur Ausbildung kommunistischer Eliten genutzt werden sollte.

Ende September 1945 wurden die Gebäude wieder in Betrieb genommen und ab Oktober 1945 dann als Parteischule genutzt, diesmal als kommunistische Eliteschule für Parteikader der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD). Neue Regierung, neue Ideologie, neue Kaderschmiede.

Straffes Schulungsprogramm, kasernierte Unterbringung ohne Urlaub und mit streng reglementiertem Ausgang brachten dieser Kaderschmiede bald den Spitznamen „Rotes Kloster“ ein.

Offiziell hieß sie zunächst Landesparteischule „Fritz Heckert“, ab 1947 – nach der Zwangsvereinigung von KPD und SPD zur SED – dann SED-Landesparteischule „Fritz Heckert“ bzw. SED-Sonderparteischule „Fritz Heckert“ und war als marxistisch – leninistische Ausbildungsstätte für die Spitzen-Führungskräfte der Partei bis 1989 in Betrieb.

Die Gebäude erfuhren einige Um-und Ausbauten im Inneren, z.B wurde ein kleiner Frachtaufzug eingebaut. Heute eine absolute Gefahrenquelle – der Schacht ist offen…

Relikte der letzten Nutzung sind nicht mehr erhalten. Völlig ausgeweidet bieten die Gebäude die üblichen Blicke auf leere Flure und Verfall.

.Seit der Nutzungsaufgabe nach dem Ende der DDR im Jahre 1989 stehen die Gebäude leer und verfallen.

Ottendorf Jugendferienheim 49Unnötig zu erwähnen, das das gesamte Ensemble unter Denkmalschutz steht…

Vor Ort erinnert nichts an die wechselvolle Geschichte dieses Ortes.

Selbst der einstige Wegweiser spiegelt inzwischen den Zustand der Bausubstanz. Unzählige Spuren im Schnee zeugen davon, das hier reges Begängnis herrscht, trotz der abseitigen Lage.

Gelände und Gebäude gehören heute einer Immobilienfirma – wie immer mit vielen hochtrabenden Ideen. Dabei ist es bis jetzt geblieben. Bald wird hier nichts mehr übrig sein, was einen Erhalt sinnvoll und bezahlbar macht. Leider. Und so verfällt – wieder einmal – denkmalgeschützte und geschichtsträchtige Bausubstanz.

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Quellen:

„Das erste deutsche Jugenderholungsheim“ veröffentlicht in „Arbeiterwohlfahrt“ 4/1929 (Friedrich-Ebert-Stiftung, Link zur Quelle)

Jensch, Hugo „Pirna unterm Hakenkreuz 1933-1945“

Schmeitzner, Mike „Schulen der Diktatur. Die Kaderausbildung der KPD/SED in Sachsen 1945 -1952 “ in: [Hrsg.] Hannah Arendt Institut für Totalitarismusforschung e.V. an der Technischen Universität Dresden, Berichte und Studien Nr. 33

SLUB – Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden / Deutsche Fotothek

Weber, Anja „Was wird aus dem Ex-Erholungsheim?“, Sächsische Zeitung, 17.03.2020

2 Gedanken zu „Ottendorf – Jugenderholungsheim Endlerkuppe

  1. Diese blinde Privatisierungswut und ihre Folgen prägten und – wie im aktuellen Beispiel – prägen ostdeutsche Schlösser, Gutshäuser, Fabrikanlagen etc. und auch Jugendheime. Da gibt es zahlreiche Beispiele. Es ist ein Versagen des Gesetzgebers, also der „Volksvertreter“, dass dies auch heute noch zu einer Werte- und Historienvernichtung riesengroßen Ausmaßes führt.

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