Rostock – Neptunwerft

Das maritime Rostocker Traditionsunternehmen wurde 1850 als Maschinenbauanstalt und Werft gegründet. Das Firmengelände lag im Gründungsjahr der Werft am nördlichen Stadtrand von Rostock am westlichen Ufer der Warnow. Schon 1851 wurde mit dem Bau des ersten deutschen eisernen Seeschiffes Schiffbaugeschichte geschrieben.

1872 wurde das Unternehmen verkauft und firmierte dann als Hansa-Werft.

1890 entstand aus dem Zusammenschluss der Hansa-Werft und der 1870 gegründeten Rostocker-Actien-Gesellschaft für Schiffs- und Maschinenbau die Actien-Gesellschaft NEPTUN, Schiffswerft und Maschinenfabrik.

Die einzigen, noch heute erhaltenen Gebäude aus der Anfangszeit der Werft sind die Werkshallen 204 und 206 – Baujahr 1897.

Neptunwerft - Hallen 204 206

Giebelseite der ehemaligen Werkshallen 204 und 206 der Rostocker Neptunwerft

Um 1904 wurde das erste Schwimmdock in Betrieb genommen.

Bis 1914 entwickelte sich die Werft zu einem der wichtigsten Schiffbaustandorte Deutschlands. Im ersten Weltkrieg wurden neben Frachtdampfern auch 34 Minensuchboote für die kaiserliche Marine gebaut. Nach dem Ende des ersten Weltkrieges gingen große Teile der Produktion als Reparationsleistung an die Alliierten.

Im November 1923 wurde durch die Neptunwerft eigenes Notgeld herausgegeben, um die ca. 1.000 Werftarbeiter bezahlen zu können.

1924 wurde ein repräsentativer Verwaltungsbau eröffnet.

Neptunwerft - Verwaltung

Neptunwerft – erst Verwaltungsgebäude, dann Konstruktionsbüro

Ab 1926 wurde die wirtschaftliche Lage schwieriger; es herrschte eine weltweite Krise im Schiffbau. Bis 1928 konnte man sich durch Reparaturaufträge aus der Sowjetunion über Wasser halten. Im Oktober 1928 wurde die Werft wegen Auftragsmangels geschlossen und meldete 1932 Konkurs an. Etwa 100 Werftarbeiter waren noch mit Abwrackarbeiten beschäftigt. Im Zuge der Konkursverwaltung kam das Verwaltungsgebäude, das nun nicht mehr benötigt wurde, in den Besitz der Stadt Rostock. Erst 1934 wurde die Konkursverwaltung für die Neptunwerft aufgehoben – es  erfolgte eine Wiederbelebung des Unternehmens durch die massive Aufrüstung nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten. Zunächst war die Werft Zulieferbetrieb für das Heereswaffenamt in Berlin; in der Hauptsache wurden Stahlplatten produziert. Später wurden die Arado-Werke in Warnemünde und die Heinkel-Werke in der unmittelbaren Nachbarschaft der Werft mit Stahlkonstruktionen aller Art beliefert. Ab 1936 wurden wieder Schiffe produziert, hauptsächlich U-Boote, Minenleger, Torpedoschiffe und Schnellboote für die Deutsche Marine. Ab den 1940er Jahren wurden darüber hinaus Flakgeschütze und Panzerplatten für Flugzeuge produziert.

Im zweiten Weltkrieg wurde die Werft nahezu vollständig zerstört (Rostock gehört zu den am meisten zerstörten deutschen Städten im zweiten Weltkrieg). Was nicht durch Kriegseinwirkung zerstört war, wurde durch Sprengtrupps der Deutschen Wehrmacht kurz vor Kriegsende zerstört.

Die auf dem Gelände der Neptunwerft vorhandenen Bunker stammen vermutlich alle aus dem zweiten Weltkrieg und dientem vorrangig dem Werksluftschutz:

  • der noch heute vorhandene Hochbunker vom Typ LSB 1400
  • ein weiterer – heute nicht mehr vorhandener – Hochbunker; nach 1945 genutzt als Gebäude für Schulungen, Umkleide- und Sozialräume
  • ein Tiefbunker unter der ehemaligen Helling als Schutzraum für 1.230 Personen (nach 1945 als Schraubenlager genutzt; heute nicht mehr zugänglich)
  • ein 650 qm großer Tiefbunker an der Süd-Ostecke des Werftgeländes (nach 1945 als Modelllager genutzt)

Nach Kriegsende begann der Wiederaufbau als Sowjetische Aktiengesellschaft (SAG); die gesamte Produktion ging als Reparationsleistung in die damalige Sowjetunion.

1946 wurde der dampfbetriebene Schwimmkran „Langer Heinrich“ in Dienst gestellt. Der 53 m hohe Kran kam bis 1978 zum Einsatz und sollte schon verschrottet werden.

1951 eröffnete das eigens für die in der Werft Beschäftigten errichtete Klubhaus der Werftarbeiter; in dessen Keller wurde ein schon im zweiten Weltkrieg errichteter Tiefbunker für 680 Personen integriert, der teilweise als Lebensmittellager zivil mitgenutzt wurde.

Das Werftgelände wurde schnell an die Bahn angeschlossen (die Zulieferung erfolgte fast ausschließlich per Bahn – heute sind nur noch sehr wenige Reste der Gleisanlagen zu erkennen); das durch Bombentreffer 1944 versenkte Schwimmdock wurde aus der Warnow geborgen und wieder repariert.

Ab 1953 wurde aus der SAG Neptunwerft der VEB Schiffswerft Neptun. Der Standort wuchs in den Folgejahren schnell. Die Neptunwerft entwickelte sich zu einer der bedeutendsten Werften der DDR.

In das ehemalige Verwaltungsgebäude zog die Konstruktionsabteilung ein.

1989 erstreckte sich das Werftgelände vom Kabutzenhof bis nach Bramow. Weiterhin gehörten noch eine Reparaturwerft in Gehlsdorf, eine Werkstatt in der Budapester Straße und ein Werk im Patriotischen Weg zur Werft – insgesamt fanden hier mehr als 7.000 Menschen Arbeit.

1991 endete der Schiffsbau in der Neptunwerft am traditionelle Standort in der Rostocker Werftstraße. Danach lag das Gelände viele Jahre brach, die Gebäude wurden ausgeweidet, der Abrißbagger wütete; das Gelände wurde teilweise umgestaltet und neu bebaut.

Das 1951 eröffnete Klubhaus brannte 2001 völlig aus und wurde 2011 schließlich abgerissen – heute steht hier eine Tankstelle.

Ein längerer Spaziergang über das Gelände offenbart dennoch und immer noch genügend lost-place-flair.

 

Quellen:
[Hrsg.] Foreign Office & Ministry of Economic Warfare „The Bombers Baedeker. Guide to the Economic Importance of German Towns and Cities“, 2nd edition, 1944

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