NVA – OHS „Otto Winzer“ Prora

Prora – die größte Kasernenanlage der Nationalen Volksarmee der DDR. Der nie fertig gestellte Bau des geplanten KdF-Bades wurde ab 1950 zu einer gigantische Kasernenanlage. Sämtliche noch erhaltene Rohbauten mit einer Gesamtlänge von mehr als zwei Kilometern wurden fertig gestellt.

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Da der ursprüngliche südliche Block der Gesamtanlage von den sowjetischen Besatzern abgerissen worden war, änderte sich auch die Nummerierung der verbliebenen Blöcke. Im nun neuen Block IV des sogenannten Koloss von Prora war zunächst die Kasernierte Volkspolizei als Teil der 8. Motorisierten Schützendivision (8. MSD) untergebracht.  Ab 1956 wurden die im Aufbau befindlichen mechanisierten Divisionen in reine motorisierte Schützendivisionen und zu Panzerdivisionen umformiert. In Prora entstand so das Panzerregiment 8 (PR-8) mit mehr als 100 Panzern. Das PR-8 blieb bis 1964 und verlegte dann nach Goldberg. Aus dieser Nutzungsperiode stammt noch der Garagenkomplex und die Technische Zone.

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Die leeren Räumlichkeiten wurden nun vom motorisierten Schützenregiment 29 (MSR-29) belegt, die bis zu diesem Zeitpunkt den Block II in Prora belegten. Dieser musste jedoch für die Militärtechnische Schule „Erich Habersaath“  freigezogen werden. Das MSR-29 blieb bis zur Verlegung nach Hagenow im Jahre 1980 im Block IV in Prora. Die Mauern des Blockes IV müssen viel Leid gesehen haben. Das MSR-29 war in der NVA verrufen als „Springerregiment“. Militärischer Drill und Schikanen waren hier an der Tagesordnung. Überdurchschnittliche viele Rekruten sahen keinen anderen Ausweg, als den Sprung aus dem Fenster.

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Auf Befehl Nr. 113/80 des Ministers für Nationale Verteidigung vom November 1980 wurde eine Offiziershochschule für ausländische Militärkader  gegründet. Sie sollte „als Stätte der internationalistischen Erziehung und hochschulgemäßen Ausbildung“ ausländische Militärangehörige zur Wahrnehmung politischer und militärischer Führungsfunktionen und Lehraufgaben in ihren Heimatländern befähigen. Manche dieser Länder gelten auch heute noch als Krisen- und Konfliktherde. Als Standort für diese spezielle OHS wurde das abseits gelegene Prora festgelegt. Hier befand sich schon die Militärtechnische Schule (MTS) „Erich Habersaath“ für die Ausbildung von Unteroffizieren und Fähnrichen der NVA. Lehrpersonal der MTS „Erich Habersaath“ wurde nun befohlen, die Ausbildung an der neu gegründeten OHS zu übernehmen. Unterstützt wurden sie von abkommandierten Lehrkräften der Offiziershochschule der Landstreitkräfte in Löbau.

Ab 01. September 1981 wurde der Ausbildungsbetrieb für die neu gegründete Offiziers-Hochschule (OHS) „Otto Winzer“ aufgenommen.  Benannt wurde die OHS in Prora nach dem ehemaligen Außenminister der DDR.

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Eine in der OHS aufgestellte Statue mit dem Konterfei des Namensgebers wurde nach 1990 beschmiert, umgestoßen und lag einige Jahre im Treppenhaus des Stabsgebäudes herum – vermutlich war sie den Metalldieben zu schwer. Der Verbleib dieser Statue ist ungeklärt.

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Im Oktober 1983 haben die ersten Absolventen, die aus dem Kongo stammten, ihre Ausbildung beendet.

1984 betrug der NVA-Personalbestand an der OHS 158 Offiziere, 31 Fähnriche, 55 Berufsunteroffiziere, 24 Unteroffiziere auf Zeit, 49 Grundwehrdienstleistende und 98 Zivilbeschäftigte. Ausgebildet wurde hier in 6 Kompanien vor allem Politoffiziere und Offiziere auf Bataillonsebene. Die Ausbildungskosten wurden in der Regel von der DDR getragen. Das sollte vor allem das außenpolitische Ansehen der DDR in der sogenannten Dritten Welt steigern.

Ausbildungssprache war Deutsch. Dazu wurden auch obligatorische Sprachkurse für die Offiziersschüler angeboten. Ausgebildet wurde unter anderem in den Waffengattungen Kfz-Dienst, Panzer-Dienst, Chemischer Dienst, Pionierdienst, Nachrichtendienst, Rückwärtige Sicherstellung, mot. Schützen und Panzer-Dienst.

Die Ausbildung begann regulär mit einem Sprachkurs, der ein Jahr dauerte – entweder hier an der OHS Pora oder im Spracheninstitut der NVA in Naumburg. Daran schloss sich die militärische Ausbildung an, die zwischen einem Jahr (Fähnrich-Laufbahn) und vier Jahre (Offizierslaufbahn) dauerten.

Die Ausbildung in Prora erfolgte kriegsbezogen und gefechtsnah. Die Vermittlung stabiler praktischer Fertigkeiten im Rahmen von Übungen im Taktikausbildungsgelände und im zentralen Feldlager (auf dem TüP Lübtheen) hatte besonderen Stellenwert. Eine intensive Schießausbildung war hier mit eingeschlossen.

Trainiert wurden unter anderem: Kampf im Hinterland und in großen Waldgebieten, Einsatz in Gebirgen und Sümpfen, Sicherung der Kampftechnik unter extremen Klimabedingungen, Begleitschutz für Fahrzeugkolonnen, Beseitigung von Minensperren, Tarnung im Gelände, Nachtangriff und Abwehr von Seeangriffen.

Spezielle Wünsche der Auftraggeber-Länder wurden ebenso berücksichtigt. Für die Volksrepublik Kongo und die Republik Tansania wurden Qualifizierungslehrgänge für Offiziere zum Kompaniechef bzw. Bataillonskommandeur durchgeführt; für die Volkrepublik Jemen wurden spezielle Kurzlehrgänge durchgeführt, bei denen Flak-Offiziere an der 57 mm Flak-Kanone ausgebildet wurden.

Bis 1990 erlernten an der OHS Prora 1.040 ausländische Militärkader aus 16 Ländern das militärische Offiziershandwerk.

Mit dem Ende der DDR kam auch das Ender der OHS „Otto Winzer“. Sie wurde formal am 03. Oktober 1990 an die Bundeswehr übergeben. Lehrgänge fanden zu diesem Zeitpunkt keine mehr statt. Formal war es nun die „Offiziershochschule der Bundeswehr in Prora“, jedoch fand kein regulärer Betrieb mehr statt. Die Offiziershochschule wurde am 14. Dezember 1990 aufgelöst. Die Gebäude wurden sich selbst überlassen. Zehn Jahre tat sich recht wenig auf dem Gelände. Ab 2004 wurden einzelne Blöcke der Gesamtanlage Prora verkauft und umgebaut. Die Arbeiten dauern an. Vom Gesamtbild des Kasernenkomplexes wird wahrscheinlich nichts übrig bleiben.

Ein kleiner Rundgang über das Gelände der ehemaligen OHS „Otto Winzer“ – Zustand zwischen 1993 und 1995:

Eingangsbereich – KdL (=Kontrolldurchlass) genannt. Die Wehrpflichtigen und Unteroffiziere auf Zeit kamen konnten das Kasernengelände nur mit Ausgangskarte, Urlaubsschein oder besonderem Dienstauftrag verlassen.

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Der Weg vom KdL führte fast geradeaus auf direktem Weg zum Betonklotz.

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Block V (Soldatenunterkunft) von der Seeseite aus gesehen – ein Zugang zum Strand war für die Armeeangehörigen nicht möglich und auch nicht vorgesehen – ein bewachter Zaun mit Stacheldraht trennte die Kaserne vom Küstenwald und der nahen Ostsee.

Die Etagen 3 – 6 wurden von der OHS „Otto Winzer“  als Unterkünfte für deutsche Soldaten (hauptsächlich Grundwehrdienstleistende und Unteroffiziere auf Zeit) genutzt

  • 3. Etage Unteroffizier vom Dienst, Waffenkammer und Zugang zum Ledigenwohnheim (in der Regel für Berufsunteroffiziere und Fähnriche, die keine Wohnung außerhalb der Kaserne hatten)
  • 4. Etage: Unterkünfte V-Zug (Versorgungszug)
  • 5. Etage: Unterkünfte I-Zug (Instandsetzungszug)
  • 6. Etage: Unterkünfte KSA (Kompanie zur Sicherstellung der Ausbildung)

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Landseitiger Blick auf den unfertigen  „Wellenbrecher“ zwischen Block IV und V

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Das Innere der Gebäude war Anfang der 1990er Jahre noch recht gut erhalten, jedoch in großen Teilen ausgeräumt.

Blick zur ehemaligen Waffenkammer (3. Etage)

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Bekannt war Prora für seine endlos langen Flure – hier Blick auf den Flur des Instandsetzungszuges in der 5. Etage

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Ein Blick in die verbliebenen Reste einer soldatischen Unterkunft (hier Zimmer 5174). Belegt war das Zimmer mit 5 Grundwehrdienstleistenden (Soldaten oder Gefreiten). NVA-Standard war das nicht; meistens waren die Grundwehrdienstleistenden in 10 – oder 12 – Mann-Zimmern untergebracht, die Unteroffiziere auf Zeit in 4-Mann-Zimmern. Pro Mann stand ein kleiner Spind aus Holz zur Verfügung – viel Platz war darin nicht.

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Die sanitären Anlagen (Waschräume, Duschen, Toiletten) befanden sich in den landseitigen Querbauten, in denen auch das Treppenhaus untergebracht war. NVA-typisch für Kasernen waren die Waschbecken aus riesigen Steingut-Trögen.

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Typischerweise befand sich immer auch ein Dienstzimmer des Unteroffiziers vom Dienst (UvD) im Unterkunftsbereich. Der UvD und sein Gehilfe (GUvD) waren für die Durchführung des jeweiligen Tagesablaufes verantwortlich und waren immer für 24 Stunden im Dienst. In der dritten Etage der Soldatenunterkunft befand sich der Zugang zum Ledigenwohnheim der OHS; die Zugangstür konnte nur vom UvD geöffnet werden.

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Was der UvD bei den Soldaten war, das war der OvD (Offizier vom Dienst) für die Stabsoffiziere. Entsprechend gab es auch ein Dienstzimmer für den OvD und seinen Gehilfen im Stabsgebäude. Der OvD führte hier auch unter anderem die Vergatterungen für die 24-Stunden-Dienste durch (z.B. für den Wachdienst und den UvD).

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Ein Blick in den Flur des Stabsgebäudes. Ursprünglich war der Boden mit einem Teppich ausgelegt.

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Direkt vor dem Kasernenkomplex befand sich der Sportplatz. Links im Hintergrund die Technische Zone, im damaligen Sprachgebrauch „Park“ genannt – es gab sogar einen OvP – Offizier vom Park.

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Der „Park“ – die Technische Zone – war ein großer Garagenkomplex mit Werkstattbereich und Tankstelle. Hier wurde sämtliches rollende Material nicht nur abgestellt, sondern regelmäßig gewartet und bei Bedarf auch repariert. Ausbildung fand hier auch statt, sofern das am stehenden Gerät möglich war. Der Bereich war separat umzäunt und hatte eine eigene bewachte Zufahrt. Die Bewachung erfolgte durch die Grundwehrdienstleistenden der OHS.

Pora - OHS Otto Winzer 102 Fahrzeugpark

Ein Blick aus dem Unterkunftsbereich zur Technischen Zone verdeutlicht die Größenverhältnisse – heute ist vom „Park“ fast nichts mehr übrig.

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Bestandteil der Versorgung in der NVA war auch die Militärische Handelsorganisation (MHO); diese betrieb kleine Läden (für Offiziere und Soldaten natürlich getrennt) und kleinere Gaststätten auf dem Kasernen-Gelände. In die MHO-Gaststätte durften Grundwehrdienstleistende und Unteroffiziere auf Zeit nur mit Ausgangskarte und entsprechend in Ausgangsuniform. Hier ein Blick in den Speisesaal der MHO-Gaststätte der OHS (inzwischen verschwunden und komplett umgebaut).

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Küche und Speisesaal für die (all-) tägliche Versorgung befanden sich im Erdgeschoss von Block IV. Der Speisesaal wurde sowohl von den deutschen Soldaten als auch von den ausländischen Militärangehörigen genutzt – meist wurde in Schichten mit vorgegebenen (und meist knappen) Zeitfenstern gegessen.

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Der Blick zur Essen-Ausgabe – Zugang von rechts (nicht auf dem Bild)

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Ein Blick in die Küche war im soldatischen Alltag normalerweise nicht möglich, es sei denn, man war zum Küchendienst eingeteilt.

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Küche und Speiseaal sind heute verschwunden – dieser Gebäudeteil wurde inzwischen komplett umgebaut. Nichts erinnert vor Ort an die Geschichte der OHS.

Quellen:

Internetpräsenz denkmalprora Punkt de

„Bestandsverzeichnis der Offiziershochschule Prora“, Deutsche Digitale Bibliothek

Bilder und Zeitzeugen-Informationen: Thomas Kubala (mit freundlicher Genehmigung)

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