NVA – Beobachtungsturm Kühlungsborn

Mitten im Ortszentrum des idyllischen Ostseestädtchens Kühlungsborn befindet sich dieses Relikt des Kalten Krieges: ein Postenturm der Grenzbrigade Küste. Im offiziellen Sprachgebrauch war es ein Beobachtungsturm vom Typ BT 11. Die Buchstaben BT sind das Kürzel für das Wort Beobachtungsturm, die Zahl 11 gibt an, aus wie vielen Standard-Fertigteilen dieser Turm bestand. Auch diese Türme waren sozusagen standardisierte Massenware – mehr als 25 derartige Türme standen entlang der Ostseeküste der DDR, nur wenige sind noch erhalten. Ein weiteres Exemplar ist noch am Strand zwischen Heiligendamm und Börgerende erhalten (Beobachtungsturm Börgerende).

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Offiziell sollte die 1961 (im Jahr des Baus der Berliner Mauer) gegründete Grenzbrigade Küste dem seeseitigen Schutz der DDR vor Feinden dienen – der eigentliche Grund der Existenz war jedoch, Fluchtversuche von DDR-Bürgern über die Ostsee zu verhindern. Ein ausgeklügeltes Grenzsicherungssystem, das schon weit im Hinterland begann, gehörte dazu. In beliebten Urlaubsorten wie Kühlungsborn mussten Anwohner und Besucher ein abschreckendes Kontroll- und Meldesystem ertragen. Volkspolizei, Transportpolizei, Zoll und Stasi hielten schon in den Zügen und auf den Straßen zu den Urlaubsorten an der Ostsee nach verdächtigen Personen Ausschau. In den Gepäckabfertigungen und Gepäckaufbewahrungen der Bahnhöfe wurde auf verdächtiges Gepäck geachtet. Verdächtig war grundsätzlich jeder, der mit größerer Ausrüstung unterwegs war (Faltboote, Schlauchboote, Schwimmreifen, Tauchausrüstung). In den Orten gab es freiwillige Helfer der Grenztruppen, die in zivil und als Spaziergänger getarnt, am Strand und im Ort Streife gingen. Als potenzieller „Republikflüchtling“ galt schon, wer mit einem Paddel in der Hand durch den Ort lief.

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Das Betreten des Strandes nach 22.00 Uhr war verboten; Soldaten patrouillierten am Strand; der auf dem Beobachtungsturm montierte Suchscheinwerfer ließ einen starken Lichtstrahl kreisen. Auf Fahrzeuge montierte Suchscheinwerfer standen ebenfalls bereit. Insbesondere Nachts und im Morgengrauen waren Schiffe der Grenzbrigade in den küstennahen Gewässern der 3-Meilen-Zone auf der Suche nach nächtlichen Flüchtigen.

Der Kühlungsborner Beobachtungsturm wurde 1972 errichtet und war bis zum Ende der DDR im Jahre 1989 in Betrieb. Ausgelegt war der Turm für eine maximale Besatzung von vier Mann. Die regelmäßige Besatzung bestand aus zwei Mann. Von der 15 m hoch gelegenen Kanzel betrug die 360 Grad – Rundum – Sicht bei klarem Wetter bis zu 20 km.

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Ausgestattet war der Turm mit einem auf dem Dach montierten und elektrisch verstellbaren Suchscheinwerfer mit einem Durchmesser von einem Meter, einem Notstromaggregat, einer elektrischen Heizung sowie einer Funk- und Fernmeldeausrüstung, die in das spezielle Grenzmeldenetz eingebunden war.PT Kühlungsborn 09

Unterhalb der Fenster befanden sich insgesamt acht verschließbare Schießscharten – die Besatzung des Postenturms bezog mit der Maschinenpistole Kalaschnikow ihren Posten!

Oberhalb der Fenster waren die Himmelsrichtungen angebracht, unterhalb der umlaufenden Fensterfront in übergroßer Schrift eine Grad-Markierung. Beides sollte die Ermittlung von Richtungen vereinfachen.

Der Aufstieg zum Turm erfolgte über eine innen liegende, versetzt angebrachte, schmale Stahlleiter.

1991 sollte der Turm abgerissen werden. Ein Grenzturmverein und engagierte Bürger verhinderten dies. 2013 wurde neben dem Turm ein kleines Museum eröffnet, das an die dunkle Vergangenheit dieses Ortes erinnert.

Quellen:
Flyer des Grenzturmmuseums: „Ostsee-Grenzturm. Denkmal und Begegnungsort in Erinnerung an die deutsche Teilung“
„Kühlungsborn. Die überwachte Urlaubsidylle“, Artikel in der Schweriner Volkszeitung, 9.10.2015

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