Sassnitz – Schloss Dwasieden

Zu seiner Bauzeit war es das teuerste Haus mit dem schönsten Park auf der Insel Rügen. Am Ende blieben nur Ruinen im dichten Wald. Schloss Hansemann. Heute bekannt als Schloss Dwasieden. Gebaut wurde es nach Entwürfen des Architekten Georg Friedrich Heinrich Hitzig. Er war ein Schüler Schinkels und galt als Architekt des Klassizismus und Historizismus.

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Von 1873 bis 1877 wurden für den Bau des Schlosses im italienischen Renaissance-Stil und die Gestaltung des 107 Hektar großen Parks mehr als 4 Millionen Mark ausgegeben. Heute wären das etwa 100 Millionen Euro. Der Bauherr und Namensgeber des Schlosses, Adolph von Hansemann, galt als einer der reichsten Männer in Bismarcks Deutschem Reich. Sein Vater hatte die zunächst als Genossenschaft geführte Bank „Direction der Disconto- Gesellschaft“ gegründet.  Später wurde daraus die „Disconto – Gesellschaft Kommanditgesellschaft auf Aktien“, dessen Direktor Adolph von Hansemann seit 1864 war. Viel später ging daraus dann die Deutsche Bank hervor.

In seinem als luxuriös geltenden Schloss auf der Insel Rügen traf sich regelmäßig die feine und gehobene Gesellschaft. Selbst der Kaiser soll Gast gewesen sein.

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Auch das unweit vom Schloss gelegene kleine Fischerdorf Saßnitz (damals etwa 300 Einwohner) profitierte deutlich: der Schlossherr ließ von 1887 bis 1896 auf eigene Kosten das Dorf modernisieren und einen Fischereihafen errichten.

Nun konnte man sogar mit dem Boot von Saßnitz aus um die Steilküste, auf der das Schloss thronte, herumfahren und an der Anlegestelle vom Schloss aussteigen. Eine steile Holztreppe führte vom Strand auf das Hochplateau.

Adolph Hansemann starb 1903, an seinem Schreibtisch bei der Arbeit. Seine Besitzungen fielen nun an seine Witwe.

Vermutlich wurde irgendwann in den folgenden Jahren im allgemeinen Sprachgebrauch aus dem Schloss Hansemann das Schloss Dwasieden, nunmehr benannt nach der Gemarkung, die bis zum Erwerb durch die Familie Hansemann unbebauter Gutsbesitz der Familie von Barnekow war.

Für den prächtigen Bau wurden französischer Sandstein, Marmor und schwedischer Granit verwendet, die als Fassade die gemauerten Wände verkleideten. Das Schloss selbst war ein zweigeschossiger Bau, an den Stil der Bäderarchitektur angelehnt. Vom Eingangsportal führten nach rechts und links jeweils ein Säulengang, der in einem tempelartigen Pavillion endete. Reste dieser Säulengänge sind noch heute erhalten.

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1917 verstarb die Witwe von Hansemann; Erbin war nunmehr die Enkelin von Adolph von Hansemann. Wirtschaftskrise und Inflation nach den „Goldenen Zwanziger Jahren“ brachte die Familie in finanzielle Schwierigkeiten. Für den Unterhalt des gesamten Schlosses und die Pflege des riesigen Parkes war nicht mehr genug Geld vorhanden. Das Schloss – vom Erbauer ohnehin nur als Sommerresidenz geplant und nur wenige Wochen im Jahr genutzt – wurde inzwischen vermietet.

Einer der prominentesten Mieter war 1928 Gerhard Hauptmann, der hier eher unfreiwillig ein paar Sommermonate verbrachte. Auf dem Schloss Dwasieden wurde auch die Hochzeit von Hauptmanns Sohn gefeiert mit mehreren Hundert Gästen.

1935 verkaufte die Enkelin von Adolph Hansemann, die mit einem Hauptmann Gert von Oerzen verheiratet war, Schloss und Grundstück an die Gemeinde Saßnitz für 200.000 Reichsmark. Die Gemeinde wiederum konnte oder wollte sich die geplante Umwandlung des Schlosses in ein Kreideheilbad auch nicht leisten und übertrug es noch im selben Jahr an die Deutsche Kriegsmarine, die hier eine Schiffsartillerieschule einrichtete. Das Schloss wurde nun als Offizierskasino genutzt.

Den zweiten Weltkrieg und das britische Bombardement auf den nahen Sassnitzer Hafen kurz vor Kriegsende überstand das Gelände leicht beschädigt.

Von 1945 bis 1948 wurden die Wirtschaftsgebäude als Unterkunft für Geflüchtete und Vertriebene und als Quarantänestation genutzt. Die sowjetischen Besatzer residierten im Schloss, nun als Verwaltung der Sowjetischen Militäradministration deklariert.

Auf Befehl der sowjetischen Besatzungstruppen (SMAD-Befehl Nr. 209) wurde das Schloss jedoch 1948 gesprengt, nachdem es vorher geplündert worden war. Aus den gesprengten Resten sollte Baumaterial gewonnen werden.

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Bald darauf wurde das Gelände wieder militärisches Sperrgebiet – 1955 zog die Volksmarine hier ein und blieb bis 1990. Niemand hatte hier Zutritt.

Das noch erhaltene Gebäude des Marstalls wurde zum Nachrichtengebäude umfunktioniert.

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Die Überreste des gesprengten Schlosses wurden ignoriert und gleich daneben militärische Profanbauten errichtet.

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So ist es nicht verwunderlich, dass das Schloss völlig aus dem öffentlichen Bewusstsein verschwand. Erst nach und nach tauchte es wieder auf und wurde Opfer verschiedener Immobilienspekulanten. Der spektakulärste ist der, dass jemand das Gelände für etwa 18 Millionen Euro kaufte um es danach als Kreditsicherheit für mehr als 100 Millionen Euro zu verpfänden. Danach wurde für die Immobilienfirma Insolvenz angemeldet. Ich bin versucht zu sagen: das Geld ist nicht weg, es hat nur jemand anderes… Das Gelände soll inzwischen aus der Insolvenzasse heraus verkauft worden sein. An einen Projektentwickler aus der Immobilienbranche.

Das einzige originäre Gebäude des Schloss-Ensembles, dass die Wirren der Zeiten und zwei Weltkriege überstanden hatte, war der Marstall. Er brannte im Jahre 1997 völlig aus.

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Quellen:

Interpräsenz Gutshauser Punkt de, Eintrag „Herrenhaus, Schloss Dwasieden“

Lindemann, Ralf „Das weiße Schloss am Meer. Schloss Dwasieden in Sassnitz auf der Insel Rügen“, 2003

6 Gedanken zu „Sassnitz – Schloss Dwasieden

  1. Das Schloss Dwasieden ist auch schon längen in mein Blickfeld gerückt, habe es aber noch nicht geschafft dort vorbei zu fahren. Vielen Dank für den sehr interessanten Bericht und die Hintergrundinformationen.
    Grüße.

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  2. Wieder eine wunderbare Zusammenfassung. Durch diese Beiträge habe ich schon so vieles erfahren, das einfach so per Newsletter zu mir kommt, immer wieder mein Interesse weckt und immer wieder einen Aha-Moment beschert. Ihr macht das richtig gut!

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