Wüsteneutzsch – Schleusenruine

Die wohl spektakulärsten Relikte des unvollendet gebliebenen Saale – Elster – Kanals. Unglaublich, das ich so viele Jahre nichts von diesem Ort wußte, und auch nichts von dessen Geschichte.

Mitten im sachsen-anhaltinischen Nirgendwo ragen gigantische Betonreste aus grünen Bäumen und Büschen. 85 Meter lang, 12 m breit und etwa 15 m hoch präsentiert sich der verlassene Rohbau der oberen Schleusenkammer unweit des kleinen Dörfchens Wüsteneutzsch.

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Hier sollte der etwa 22 m betragende Höhenunterschied zwischen dem Kanalbett des Saale – Elster – Kanals und dem Niveau der sich in etwas zwei Kilometern entfernt befindlichen Saale überwunden werden.

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Lange Zeit war ein Schiffshebewerk geplant. Diese Idee wurde jedoch aus Kostengründen verworfen. Gleichwohl war das Schiffshebewerk lange die favorisierte Lösung für die Herausforderung, die der geplante Saale – Elster – Kanal stellte: der Kanal hatte zu wenige natürliche Zuflüsse, so dass die Wasserhaltung im Kanal schon ernsthaftes Problem darstellte. Die durch Schleusungen auftretenden Wasserverluste mussten unbedingt vermieden oder verringert werden. Da ein Schiffshebewerk als ideale Lösung nicht in Frage kam, wurde das Konzept der Sparschleuse konzipiert, bei der der Wasserverlust auf die Hälfte begrenz werden konnte.

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Beim Konzept der Sparschleuse wird das Wasser in seitlich der Schleusenkammer befindliche Sparbecken geleitet, die sich wiederum auf unterschiedlichen Höhenniveaus befinden. Nach dem zugrunde liegenden physikalischen Prinzip der kommunizierenden Röhren werden bei der Talschleusung zuerst die Sparbecken mir dem Wasser aus der Schleusenkammer befüllt. Der Rest der Schleusenkammer wird dann talseitig entleert. Bei der Bergschleusung wird die Schleusenkammer zunächst mit dem Wasser aus den Sparbecken gefüllt und nur der letzte Rest wird dem Oberwasser entnommen.

Um den Höhenunterschied von 22 m zu überwinden, sah das Projekt in Wüsteneutzsch eine Schleusentreppe aus zwei Sparschleusen mit jeweils elf Metern Hub vor. Zwischen den Schleusen befand sich die ca. 350 m lange Zwischenhaltung. An der oberen Schleusentreppe und an der unteren Schleusentreppe war jeweils ein Vorhafen nebst Wendestelle von 512 Metern Länge geplant. Die gesamte Schleusenanlage hätte sich mit dem unteren Vorhafen bis kurz vor das Dorf Kreypau erstreckt, bei der die Einfahrt in die Saale erfolgen sollte.

Erst recht spät, 1939, erfolgte der Baubeginn für die Schleusentreppe in Wüsteneutzsch. Geplant war, auch hier den Kanal mit einer Straßenbrücke zu überqueren. Die Wiederlager der geplanten Brücke sind noch gut zu erkennen.

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Nach Beginn des zweiten Weltkrieges verzögerten sich die Bauarbeiten wegen Mangel an Arbeitern und Material mehr und mehr. Schließlich wurden sämtliche Bauarbeiten Anfang 1943 eingestellt – der Saale – Elster – Kanal war als nicht kriegswichtig eingestuft. Sämtliche Baustellen wurden beräumt. Übrig blieb ein fast fertiger Kanal. Von der geplanten Schleusentreppe war die obere Schleuse zu 75% fertig gestellt. Von der unteren Schleuse war nur die Baugrube fertig gestellt, die sich im Laufe der Jahrzehnte mit Grund- und Regenwasser füllte und zu einem beliebten Badesee wurde.