NVA – FRA 4351 Retschow

Ein gut ausgebauter Abzweig an einer Landstraße führt heute ins Nirgendwo. Gegenüber einige Wohnblöcke im Tarnfarben-Look. Der ehemalige Kasernenbereich der Flugabwehrraketen-Abteilung 4324 / 4351. Die Straße ins Nirgendwo führte 1988 zur Baustelle für die neue Feuerstellung.

FRA 4351 - neue Feuerstellung

Das ist alles, was von der neuen Feuerstellung übrig blieb: eine Betonstraße, die im Nirgendwo endet.

Heute erinnert nichts mehr an die einstige Großbaustelle mitten im Wald. Die beiden Vergleichsfotos aus den Jahren 1995 und 2020 sind in etwa von der gleichen Stelle gemacht worden – die Unterschiede sind gigantisch.

Einfahrt Feuerstellung FRA 4351

Die Zufahrt zur neuen Feuerstellung – Zustand etwa 1995 – Bild: Martin Dostal (c), mit freundlicher Genehmigung

Der Blick aus der Feuerstellung in Richtung Straße und Wohnbereich zeigte 1995 noch die breite Betonstraßen-Kreuzung. Selbst diese Kreuzung ist heute verschwunden.

Blick aus der Feuerstellung zum A-Bereich

Blick aus der Feuerstellung zum A-Bereich – Zustand etwa 1995 – Bild: Martin Dostal (c), mit freundlicher Genehmigung

Seit 1962 lag in den Wäldern in Retschow bei Bad Doberan versteckt die Abschuss-Stellung für Flugabwehrraketen mit der Bezeichnung FRA 4324.

Außenstehende wussten im Normalfall nicht, was hier im Wald passierte. Und: Mitten im Wald hieß tatsächlich: in den Wald hinein gebaut….

Feuerstellung FRA 4351 nördlicher Teil

Impression vom nördlichen Teil der Feuerstellung der FRA 4351 – mitten im Wald – Zustand etwa 1995 – Bild: Martin Dostal (c), mit freundlicher Genehmigung

Bis 1988 waren in Retschow S-75 – Flugabwehrraketen des sowjetischen Systems „Wolchow“ stationiert. Reale Schießübungen mit den Raketen wurden seit den 1960er Jahren alle zwei Jahre ausschließlich auf dem sowjetischen Schießplatz Aschuluk – Kapustin Jar in der kasachischen Steppe durchgeführt. Die Verlegung der Truppen und Raketen nach Kasachstan erfolgte per Bahn! Bei einer Strecke von 2.400 km dauerte das meist acht bis neun Tage, für eine Tour.

Mitte der 1980er Jahre sollten schrittweise mobile Flugabwehr-Raketen-Systeme eingeführt werden – die sogenannten S-300 „Angara“ – das modernste Waffensystem, das der russische Waffenbruder zu bieten hatte. Der Standort Retschow sollte zu den ersten Einheiten der NVA gehören, die auf die neue Technik umstellen sollte. Dazu wurde 1988 die „alte“ FRA 4324 aufgelöst und die „neue“ FRA 4351 aufgestellt.

Für die neue Technik wurde der Bau einer neuen Feuerstellung erforderlich;  die Bauarbeiten beginnen noch 1988 im Wald unmittelbar auf der gegenüberliegenden Straßenseite des bisherigen Objektes. Sämtliche Bauarbeiten hatten – mangels finanzieller und materieller Ressourcen – in sogenannter Truppeneigenleistung zu erfolgen. Praktisch hieß das: alle Soldaten des Standortes wurden zu den Bauarbeiten herangezogen. Handarbeit war angesagt; Spaten, Schaufel, Hacke, Schubkarre – mehr stand an Werkzeug meist nicht zur Verfügung. Kein Wunder, dass sich die Bauarbeiten für die neue Feuerstellung über Jahre hinzogen. Hier wurde buchstäblich alles aus dem Boden gestampft – Wasser- und Abwasserleitungen, unterirdische Stromleitungen, Straßen und Dienstgebäude.

DHS-Baracke FRA 4351

Die fast fertige DHS-Baracke in der neuen Feuerstellung – Zustand etwa 1995 – Bild: Martin Dostal (c), mit freundlicher Genehmigung

Innerhalb von zwei Jahren entstanden die so typischen Bauten einer FRA. Die Fahrzeug-deckung für die Raketenleitstation mit angrenzendem Mannschaftsbunker vom Typ FB-3 war so gut wie fertig – nur die Erdüberdeckung scheint noch zu fehlen. Selbst die Stahltore waren schon montiert.

Fahrzeugdeckung Raketenleitstation

Fahrzeugdeckung der Raketenleitstation – Zustand etwa 1995 – Bild: Martin Dostal (c), mit freundlicher Genehmigung

Andere Fahrzeugdeckungen wurden nur im Rohbau fertig.

westliche Fahrzeugdeckung

Rohbau westliche Fahrzeugdeckung FRA 4351 – Zustand etwa 1995 – Bild: Martin Dostal (c), mit freundlicher Genehmigung

Durch die fehlenden Erdüberdeckungen konnte man Mitter der 1990er Jahre gut erkennen, das sämtliche Bauwerke und Bunker oberirdisch errichtet wurden und die Betonwände entweder mit etwas Teer oder Dachpappe gegen Feuchtigkeit abgedichtet wurden. Die aufgeschütteten Erdhaufen sollten für die Überdeckung der meisten Bauwerke mit Erde wieder verwendet werden.

Rohbau Fahrzeugdeckung

Rohbau einer Fahrzeugdeckung – Zustand etwa 1995 – Bild: Martin Dostal (c), mit freundlicher Genehmigung

Gebaut wurde immer nach Materialverfügbarkeit. War nicht genügend Beton vorhanden, mussten der Ausbau der typischen Ringstraße eben warten. Die Mannschaftsbunker vom Typ FB-3 waren schon teilweise mit Erde überdeckt, so dass auch hier die Be- und Entlüftungsrohre wie Dinohälse aus der Erde ragten.

Die große Mittelpunktsdeckung, die als Garagenbunker die Führungsstelle (umgangssprachlich Gefechtsstand genannt) beherbergen sollte, war 1990 im Rohbau fertig gestellt und ragte sehr monumental über das Gelände.

Rohbau Mittelpunktsdeckung

Rohbau der Mittelpunktsdeckung FRA 4351 (noch ohne Erdüberdeckung) – Zustand etwa 1995 – Bild: Martin Dostal (c), mit freundlicher Genehmigung

Die Ausmaße dieses Bauwerkes waren im Rohbauzustand sehr gut zu erkennen (meistens unterschätzt man die Größe durch die Erdüberdeckung und den späteren Bewuchs)

Mittelpunktsdeckung Außenwand

Mittelpunktsdeckung – Außenwand mit Blick auf Zuluftrohre und Notausstieg – Zustand etwa 1995 – Bild: Martin Dostal (c), mit freundlicher Genehmigung

Die Oberseite des Bunkers war mit einer Art Plane zusätzlich gegen von oben eindringendes Wasser geschützt; die Außenwände durch einen Anstrich aus Teer oder aus Dachpappe.

Die Rückseite der Mittelpunktsdeckung scheint nur aus einer gemauerten Wand bestanden zu haben. Ob der komplette Innenausbau schon fertig gestellt wurde, kann bezweifelt werden – möglicherweise war die Sanitärinstallation fertig, die Kabel lagen und eventuell war schon mit dem Einbau der Belüftungstechnik begonnen worden.

Fertig gestellt wurde die Mittelpunktsdeckung jedoch nicht mehr – nur einige Fahrzeugdeckungen waren fertig, als in der Nacht vom 30.12.1988 zum 31.12.1988 (!) die Anlieferung der mobilen Abschussrampen und Fahrzeuge erfolgte.

neu_Halle-Nord

Fahrzeugdeckung in der FRA 4351 – Zustand etwa 1995 – Bild: Martin Dostal (c), mit freundlicher Genehmigung

Anfang Februar 1989 kommen die ersten Raketen im militärischen Lager in Gelbensande an und müssen am Standort Prangendorf-Gubkow zwischengelagert werden, da die neue Feuerstellung noch nicht fertig ist. In Prangendorf erfolgt auch die Ausbildung des Retschower Bedienpersonals an der neuen Technik.

Die Bauarbeiten an der neuen Feuerstellung dauern noch bis ins Frühjahr 1990 an, werden dann jedoch abgebrochen. Die neue Technik wird nicht mehr eingeführt und als sensibles Waffensystem im Sommer 1990 komplett in die Sowjetunion zurückgeführt.

Am 02.Oktober 1990 erfolgte der letzte Appell der NVA. Wie die anschließende Übergabe des Objektes an die Bundeswehr erfolgte, ist nicht bekannt. Die Bundeswehr dürfte keine Verwendung gehabt haben für dieses Gelände im Rohbauzustand; die Gemeinde als möglicher Grundstücksbesitzer hatte eher ein Interesse an einem Rückbau und einer zivilen Nachnutzung des Waldes. So stritt man sich viele Jahre über die Kostentragung.

Letztlich wurde das gesamte Gelände der neuen Feuerstellung ab 1996 komplett zurück gebaut, das Gelände wieder renaturiert – heute erinnert nur noch eine Plattenstraße und einige Erdhügel daran, was hier im Wald versteckt werden sollte.

Die ehemaligen Kasernen des A-Bereiches werden heute teilweise als Wohnblocks genutzt.

NVA – FRA 4324 Retschow

Mitten im Wald, an einer kleinen Landstraße, tauchen plötzlich einige Wohnblöcke auf, bemalt mit Tarnfarben. Der ehemalige Kasernen- und Unterkunftsbereich der FRA 4324 / 4351 – im Militärjargon A-Objekt genannt. Bemerkenswert, das hier der gesamte ursprüngliche Gebäudebestand noch erhalten ist: 3 Wohnblöcke außerhalb der Umzäunung mit Wohnungen für die Offiziere und deren Familien; 3 Blöcke innerhalb der Umzäunung, die sowohl als Kasernen als auch als Stabs- bzw. Dienstgebäude genutzt wurden – selbst die Umzäunung ist noch intakt, wenn auch nicht mehr überall im Originalzustand. Und fast alle Gebäude sind noch heute in Nutzung!

FRA-4351 Retschow Titel

1962 bezog die damalige 4. Flakabteilung in Retschow bei Bad Doberan Stellung. Sie gehörte zu den ersten Einheiten der Flugabwehr in der Luftverteidigung der NVA der DDR.  Strukturell gehörte sie zum neu gegründeten Flak-Regiment-18, aus dem 1971 die 43. Flug-Abwehr-Raketenbrigade formiert wurde. Die Einbindung in das Diensthabende System erfolgte ab September 1962.

Die rege Bautätigkeit, die hier Anfang der 1960er Jahre und dann wieder Ende der 1980er Jahre herrschte, hinterließ seine Spuren. Spuren in Form von Beton im Wald und Spuren im Wald selbst: der Bausand (Kies war es wohl nicht) wurde unmittelbar in der Nähe aus dem Wald geholt. Das gebuddelte Loch füllte sich im Laufe der Jahre mit Grund- und Regenwasser und bildete einen idyllischen See, der damals mitten im militärischen Sperrgebiet lag.

FRA 4342 - Waldsee

Der noch erhaltene Zaun beginnt unmittelbar neben dem A-Bereich. Reste einer Schrankenanlage, die die Zufahrt für jeden Unbefugten versperrte, sind noch zu erkennen. Die Schranke selbst ist inzwischen verschwunden – schade, wer baut eine alte Schranke mitten im Wald ab?

Der noch originale Weg aus DDR-Betonplatten, die eine Fahrspur bilden,  führt zunächst schnurgerade mitten in den Wald, linkerhand der Kasernenbereich, begleitet von einem mit Stacheldraht bewehrtem Zaun.

FRA 4342 Stacheldraht und Zaun

Ein dicker gemauerter Zaunpfosten taucht unvermittelt auf und markiert den Beginn des sogenannten C-Objektes. Ein besonders abgegrenzter und geschützter Bereich innerhalb des Objektes. Einige gemauerte Zaunpfosten lassen sich noch tiefer im Wald erkennen.

FRA 4342 gemauerter Zaunpfahl

Die 43. Flug-Abwehr-Raketenbrigade (43. FRBr) hatte ihren zentralen Gefechtsstand in Rövershagen. Von dort wurden 10 Flug-Abwehr-Raketen-Abteilungen (FRA) geführt. Durch Umstrukturierungen und mit der Einführung und Umstellung auf „neue Technik“ wurde 1971 die taktische Bezeichnung geändert: aus der zwischenzeitlichen Fla-Raketen-Abteilung 184 wurde die FRA 434. Durch Einführung eines neuen Systems zur automatischen Führung aller Flugabwehr-Raketen-Systeme an den 10 verschiedenen Standorten wurde Anfang der 1980er Jahre die taktische Zuordnung erneut geändert, von FRA 434 zu FRA 4324.

In Retschow waren bis 1988 S-75 – Flugabwehrraketen des sowjetischen Systems „Wolchow“ stationiert. Reale Schießübungen mit den Raketen wurden seit den 1960er Jahren alle zwei Jahre ausschließlich auf dem sowjetischen Schießplatz Aschuluk – Kapustin Jar in der kasachischen Steppe durchgeführt.

Die Raketen wurden in einem eigenen Bunker gelagert, der sich innerhalb eines besonders eingezäunten und gesicherten Bereiches befand – dem sogenannten C-Objekt. Reste des mit Stacheldraht bewehrten Zaunes, der Sicherungsanlage und der Zufahrtstore kann man noch gut erkennen.

Zwei Steine sollen heute hier die Zufahrt für Fahrzeuge versperren. Unmittelbar nach der Einfahrt, rechts – heute völlig zugewuchert und von weitem kaum zu erkennen – befindet sich die Betankungsanlage für die Raketen. Von der betonierten Straße ist heute nichts mehr zu erkennen; eine Straßenlaterne versteckt sich in den Bäumen und ist nur auf den zweiten Blick zu erkennen.

FRA 4342 - Raketenbetankung

Nach fast 30 Jahre hat sich die Natur hier langsam alles zurück erobert. Welche Ausdehnung dieser Bereich hatte, kann man heute nur noch erahnen.

Der ätzende und brennbare Raketen-Treibstoff wurde in Erdtanks gelagert, die sich vermutlich noch immer an Ort und Stelle befinden. Beräumt sieht es hier an dieser Stelle nicht aus – vermutlich scheut man sich vor den Kosten der Entsorgung.

Kleine Bunker für die Wachmannschaften und die Besatzung des Technischen Zuges befanden sich verstreut im Umfeld des Raketenlagers und des Fahrzeugbunkers. Heute sind die Kleinbunker (vermutlich alle vom Typ FB-3) übererdet und nur noch als Hügel in der Landschaft mühevoll erkennbar.

Erhalten blieb noch ein mit Erde überdeckter Kleinbunker vom Typ FB-3 – der sich neben dem Weg von der Betankungsanlage zum Fahrzeugbunker in den Wald duckt. Wahrscheinlich handelte es sich hier um einen Lagerbunker für brennbare Flüssigkeiten oder Klein-Munition – erkennbar an der typischen Form des Eingangsbereiches.

Gänzlich verschwunden ist der sogenannte Chemiebunker, der sich im näheren Umfeld der Tankstelle befunden haben muss. Was genau hier gelagert wurde, ist im Moment nicht bekannt (vielleicht meldet sich dazu ja ein Zeitzeuge…).

Mitten über den Fahrspuren des Waldweges thront eine Betonkonstruktion: der ehemalige Fahrzeugbunker für die Raketenfahrzeuge. Der Bunker ist länger, als man auf den ersten Blick vermuten würde.

Der Zahn der Zeit (und die inzwischen leider obligatorischen Metall-Diebe) haben an diesem Bauwerk deutliche Spuren hinterlassen. Die riesigen Türen aus Stahlblech waren Mitte der 1990er Jahre noch vorhanden; inzwischen sind sie längst verschwunden.

Am anderen Ende des Fahrzeugbunkers befindet sich ein größerer freier betonierter Platz. Und rechts öffnet sich der Blick auf den Raketen-Lagerbunker. Ein großer Betonklotz mitten im Wald, Typ MB-1 (monolithischer Bunker, Typ 1, wie er in allen S-75 Raketenstellungen gebaut wurde). Und: auf dem Bunker wachsen Bäume, richtig große Bäume. Die Tarnung gegen Luftaufklärung muss nahezu perfekt gewesen sein.

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Ansonsten macht der Betonklotz einen traurigen Eindruck, er ist völlig ausgeräumt; alles abmontierbare wurde entfernt. Ein einsames Lüftungsrohr schaut aus dem Beton, Reste eines Schalt- und Sicherungskastens hängen noch an einer Wand.

Wenigstens ist dieser Bunker als Bauwerk noch erhalten und zu erkennen – all zu oft wurde er in anderen Objekten bis oben hin mit Erde zugeschüttet. Die Monumentalität dieses Lagerbunkers kann man erst richtig erfassen, wenn man davor steht – „das Ding“ ist geschätzt zehn Meter hoch (so hoch, wie ein dreigeschossiges Haus!). Leider ging die Zeit auch hier nicht spurlos vorbei – das Originaltor ist leider schon lange verschwunden.

Der Bunkereingang schaut in Richtung des Kasernenbereiches, der Betonplattenweg führt heute bis unmittelbar davor. Von den einst vorhandenen Gebäuden ist heute nichts mehr erhalten. Auch hier wurde fleißig abgerissen.

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Blick vom Raketenlagerbunker zum A-Objekt, etwa 1995 – Bild: Martin Dostal (c), mit freundlicher Genehmigung

Im Wald linkerhand des Plattenweges zwischen Raketenlagerbunker und Kasernenbereich schimmern die Reste eines weiteren Kleinbunkers durch das dichte grün des Waldes.

Bei diesem Bunker – ebenfalls ein FB-3 – fehlt die Erdüberdeckung. Hier wurde mit Dachpappe versucht, den Bunker wasserdicht zu bekommen. Auffallend ist der angesetzte Schleusenvorbau.

Am Zaun angekommen, hat man einen kleinen Blick auf den Stabs- und Kasernenbereich. Ein Block steht ganz offensichtlich leer; aggressives Hundegebell hält den Aufenthalt am Zaun kurz und lässt mich leise den Rückweg antreten.

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Vom ehemaligen Fahrzeugbereich, der sich hier befand, ist ohnehin nichts mehr übrig.

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Ehemaliger KfZ-Bereich zwischen Raketenlagerbunker und A-Objekt, etwa 1995 – Bild: Martin Dostal (c), mit freundlicher Genehmigung

Retschow - Weg zur alten FeuerstellungZurück auf dem Hauptweg führt der Betonplattenweg, der langsam von der Natur zurück erobert wird, nach links, weiter in den Wald hinein. Die Betonplatten hören mit einem Mal einfach auf – die Wegführung ist dennoch sehr gut zu erkennen. Nach etwa einem Kilometer beginnt der Bereich, in dem sich bis 1988 die Feuerstellung – das sogenannte B-Objekt – befand. Mitte der 1980er Jahre sollten schrittweise mobile Flugabwehr-Raketen-Systeme eingeführt werden – die sogenannten S-300 „Angara“. Der Standort Retschow sollte zu den ersten Einheiten der DDR gehören, die auf die neue Technik umstellen sollte. Dazu wurde 1988 die „alte“ FRA 4324 aufgelöst und die „neue“ FRA 4351 aufgestellt. Praktisch hieß das, das die Feuerstellungen der FRA 4324 aufgegeben und zum großen Teil demontiert wurden, um das Material in der neuen Feuerstellung wieder zu verwenden.

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Eingang zur Feuerstellung – Zustand etwa 1995 – Bild: Martin Dostal (c), mit freundlicher Genehmigung

Vom ehemaligen Eingangsbereich in den extra umzäunten Bereich der Feuerstellung erkennt man heute nichts mehr – hier ist alles verschwunden und völlig zugewuchert; man ist schnell daran vorbei gelaufen, da auch der Weg inzwischen so zugewuchert ist, das er nur noch stellenweise zu erkennen ist.

Retschow - Feuerstellung

Heute findet man von der eigentlichen „alten Feuerstellung“ fast keine Überreste mehr, außer großen Erdwällen. Mit Geduld lassen sich noch mindestens vier alte Feuerstellungen im Wald ausmachen. Große – inzwischen bewaldete – Areale, die von hohen Erdwällen umgeben sind und einen Durchlass für Transportzwecke besitzen. Retschow - Feuerstellung 02Vermutlich waren die Erdwälle mit Betonplatten befestigt, von denen überhaupt keine mehr vorhanden ist. Einige liegen an einer Art Sammelpunkt in der Nähe der neuen Feuerstellung herum. Vermutlich fanden auch die Betonplatten des ehemaligen Fahrweges ihre zweite Verwendung in der neuen Feuerstellung.

Ruine Feuerstellung

Ruine einer befestigten Feuerstellung, Zustand etwa 1995 – Bild: Martin Dostal (c), mit freundlicher Genehmigung

In sogenannter „Truppeneigenleistung“ fand ab 1988 die Demontage der alten Feuerstellung durch die Soldaten selber statt – meistens in Handarbeit. Da Material immer knapp war, sollte so viel wie möglich wieder verwendet werden.

Mitte der 1990er Jahre lagen mitten im Wald noch Reste der teilstationären Raketen-Abschussrampen herum, völlig unbeachtet und sicher ein gefundenes „Fressen“ für Militariasammler und Schrottdiebe. Wer weiß, was daraus geworden ist…

Im zentralen Bereich der alten Feuerstellung kann man noch den sogenannten Radarhügel erkennen. Der ehemalige Standort für mobile Radartechnik ist inzwischen fast vollständig zugewuchert. Beim Erklimmen des Hügels erkennt man auf der einen Seite noch einige Betonstufen, inzwischen fast völlig mit Moos und Gras bewachsen.

Retschow - Radarhügel

FRA 4324 Retschow – Radarhügel

Von der sogenannten Mittelpunktsdeckung (die den Bunker der Führungsstelle bzw. des Gefechtsstandes enthielt) ist fast nichts übrig geblieben. Sie wurde vollständig abgerissen, der Schutt zum Teil entsorgt oder etwas großzügiger im Gelände verteilt.

Tatsächlich findet sich hier zumindest etwas Beton im Wald, auch wenn man ganz genau hinsehen muss – die Vegetation hat sich nach mehr als 30 Jahren fast alles zurück geholt.

Retschow - Beton im Wald

So frei, wie sich die Landschaft auf den inzwischen fast historisch zu nennenden Bildern aus der Mitte der 1990er Jahre präsentiert, ist sie heute längst nicht mehr. Der Wald gleicht hier einem Urwald, der zudem von feuchten Gräben und kleinen stehenden Gewässern durchzogen ist. Von den so typischen Gebäuden einer Feuerstellung der Flugabwehrraketentruppen blieb hier nichts übrig.

Von den Mannschafts-Bunkern – Typ FB 3 – ist ebenfalls so gut wie nichts mehr zu erkennen – einige Erdhügel und eine kleine Öffnung für Fledermäuse sind einige der wenigen gebliebenen Reste.

Retschow - Bunkerrest

Es sieht aus, als wären die Bunker zum großen Teil ausgebuddelt worden (theoretisch denkbar, da es standardisierte Fertigteilbunker waren) – einige Erdhügel ziehen sich um eine Art verlassene und verwilderte Baugrube. Erst bei näherer Inspektion und fast durch Zufall erkenne ich am Hang der Baugrube in etwa zwei Metern Höhe eine vergitterte Öffnung. Massiver Beton bildet den oberen Teil der Öffnung; das Gitter ist Teil der Stahlbewehrung – es sieht so aus, als wäre hier eine Bunkerwand teilweise durchbrochen worden. Der Blick in das Innere zeigt, das es weit nach unten hinein geht und linkerhand die Reste einer Tür zu erkennen sind. Retschow - Blick in den BunkerDies (und die Lage der Erdaufschüttungen) lässt vermuten, das hier mehrere FB 3 in T-förmiger Anordnung verbaut waren. Am anderen Ende des Erdhügels – gegenüber der Öffnung – befindet sich die Giebelwand des FB-3, die vermutlich von oben auf- und ausgegraben werden sollte. Ein Teil der Decke wurde aufgebrochen – ein Bogensegment liegt nicht weit davon entfernt. Warum das alles so liegen blieb, wie es heute noch zu sehen ist, kann man nur vermuten. Kam die Zeit der Wende dazwischen? Möglich. Die Abbrucharbeiten an der alten Feuerstellung wurden ebenso eingestellt, wie die Arbeiten an der nun (nach 1990) nicht mehr erforderlichen neuen Feuerstellung.Retschow - Bogensegment FB 3

Die neue Technik sollte ab 1990 eingeführt werden; nach etwas mehr als einem Jahr Bauzeit war die neue Feuerstellung, die auf der anderen Seite der Landstraße (gegenüber des Kasernenbereiches) entstehen sollte, noch immer nicht fertig.

Für Bautätigkeit ab 1988 wurde wieder Sand benötigt, der aus einer eigens angelegten Sandgrube von einem kleinen Hügel in der Nähe des Sees geholt wurde – die Sandgrube ist noch zu gut zu erkennen; das Bodenniveau liegt hier einen bis zwei Meter niedriger als das der Umgebung. Ebenfalls lagern hier noch einige der in der alten Feuerstellung zurück gebauten Betonplatten.

Am 02.Oktober 1990 fand der letzte Appell der NVA statt. Wie die anschließende Übergabe des Objektes an die Bundeswehr erfolgte, ist nicht bekannt.

Ein Teil der ehemaligen Kasernen wird heute als Wohnblocks genutzt. Ein Block (vermutlich ein ehemaliges Stabsgebäude) steht leer, ist jedoch nicht zu begehen.

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Einen traurigen Eindruck machen auch die Überreste des ehemaligen Sportplatzes der militärischen Einrichtung. Dieser befindet sich in unmittelbarer Nähe des Unterkunftsbereiches an der Landstraße in einer kleine Senke, von Bäumen und Büschen umgeben, vor Blicken geschützt.

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