U-Verlagerung Zechstein (Rabstein)

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Logo der „Weserflug“ – Reproduktion der Abbildung von der Informationstafel Nr. 2 der Gemeinde Ceska Kamenice – ohne Datum

Das in Bremen ansässige Unternehmen WFG Weser- Flugzeugbau G.m.b.H. – kurz Weserflug – genannt, war Anfang der 1940er Jahre der 4. größte Flugzeughersteller Deutschlands. Durch die kurze Entfernung zur englischen Küste war Bremen – und damit auch die Weserflug – in der Reichweite englischer Bomber. Der erste Bombenangriff auf Bremen erfolgte schon im Mai 1940, weit über einhundert sollten folgen. Zum Schutz der kriegswichtigen Produktion sollte die Produktion zunächst in sichere Bereiche des Deutschen Reiches verlagert werden. Die Weserflug bekam als neuen Produktionsstandort die enteigneten Spinnereien der Fa. Preidel im mehrere Hundert Kilometer entfernten Rabsteintal zugewiesen. Diese Gebäude wurden zunächst beräumt, teilweise umgebaut und für die Produktion von Flugzeugteilen und Motoren ertüchtigt. Am 01. Oktober 1942 lief die Produktion am neuen Standort an. Bis 1943 wurde das Bremer Stammpersonal nachgeholt. Erstaunlich viele der oberirdischen Gebäude blieben bis heute erhalten.

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Hin und wieder findet man Reste verwitterter tschechischer Beschriftungen.

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Viele der Gebäude hatten Laderampen.

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Der Blick ins Innere zeigt leere Räume.

Wie es zur damaligen Zeit bei kriegswichtiger Produktion üblich war, wurden auch Splitterschutzzellen (sogenannte Einmannbunker) errichtet. Auch wenn die Gebäude nicht mehr stehen, blieben zwei davon bis heute erhalten.

Im Frühjahr 1944 hatte das geologische Institut Reichenberg die Erforschung des Kalkstein-Bergmassivs im Bereich Rabstein – Jonsbach durchgeführt.

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Nach Auswertung aller Ergebnisse begann die Neuauffahrung von Stollen. Am Bau beteiligt war unter anderem die Siemens-Bauunion G.m.b.H.

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Bahnanschluss bestand im nahen Ort Rabstein. Von hier wurde eine etwa 6 km lange Feldbahnanlage errichtet, die die Baustelle bahntechnisch erschloss. Die schon vorhandene obertätige Infrastruktur wurde erweitert (z.B. Straßen, Trafohaus, Heizhaus / Heizkraftwerk, Wasserversorgung durch Hochbehälter und Kavernen).

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Beeindruckende Reste des Kraftwerkes stehen noch heute.

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Geplant war hier eine untertätige Produktions-Anlage (eine sogenannte U-Verlagerung) mit 82.500 Quadratmetern Nutzfläche. Fertig gestellt wurden davon etwa 17.500 – also ungefähr 20%. Und das in der sehr kurzen Bauzeit von acht Monaten – mit dem Bau wurde im August 1944 begonnen. Erst am 08. Mai 1945 wurden die weiteren Baumaßnahmen abgebrochen, die Produktion eingestellt und das Gelände evakuiert.

Die untertägige Produktionsanlage hatte die Tarnbezeichnung „Zechstein“. Einzelne Abschnitte der Produktionsanlage wurden mit Großbuchstaben bezeichnet.

Werk A (geplant: 20.000 Quadratmeter – fertig gestellt 1.330 Quadratmeter)

Vom Werk A ist nur ein Zugang bekannt und erhalten. Da hier nur knapp 5 % der geplanten Fläche überhaupt fertig geworden sind, wird es sehr wahrscheinlich auch keine weiteren Zugänge gegeben haben.

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Dieser Bereich wurde ab den 1950er Jahren von der Tschechoslowakischen Armee als Munitionslager genutzt („Lagerobjekt XXV“)

Werk B (geplant: 20.000 Quadratmeter – fertig gestellt 6.000 Quadratmeter)

Von den fünf bekannten Zugangsportalen in das Werk B sind noch einige deutlich erkennbar.

Werk B – Zugang A

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Ein Blick durch das Tor zeigt den Ausbauzustand.

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Werk B – Zugang B

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Werk B – Zugang C

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Wann das Bauwerk vor dem Eingang gebaut wurde, lässt sich heute nicht mehr feststellen. Auch die Zuweisung eines Nutzungszweckes ist heute nicht mehr möglich. Denkbar wäre eine Art Wachgebäude.

Werk B – Zugang D

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Am Ende des Ganges begannen die Produktionsstollen – heute steht man hier vor einer gemauerten Wand, die den Zugang versperrt. Bemerkenswert ist der Ausbauzustand des Fußbodens!

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Einige Eindrücke aus dem ehemaligen Werk-B. Beeindruckend, wie unterschiedlich der Ausbauzustand an den verschiedenen Stellen ist – möglicherweise wurden hier für die Nachnutzung nach dem Krieg weitere Arbeiten durchgeführt.

Der Bereich des ehemaligen Werkes B wurde ab den 1950er Jahren von der Tschechoslowakischen Armee ebenfalls als Munitionslager genutzt („Lagerobjekte XXII / XXIII / XXIV“). Die noch heute erhaltenen oberirdischen Gebäudereste dürften aus dieser Nutzungsperiode stammen.

Werk C (geplant 2.500 Quadratmeter – fertig gestellt 1.900 Quadratmeter)

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Wie nicht nur an der Beschilderung gut zu erkennen ist, wurde auch der Bereich des ehemaligen Werkes C ab den 1950er Jahren von der Tschechoslowakischen Armee als Munitionslager genutzt („Lagerobjekt XXI“). Der Wetterschutz aus Holz dürfte neueren Datums sein.

Werk H (geplant 40.000 Quadratmeter – fertig gestellt 8.300 Quadratmeter)

Von den sieben bekannten Zugangsportalen in das Werk H sind noch einige deutlich erkennbar.

Werk H – Zugang A

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Werk H – Zugang C

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In den fertig gestellten vier Stollensystemen fertigte die Weser-Flugzeugbau GmbH bis zur Evakuierung im Mai 1945 Flugzeugmotoren für die Sturzkampfbomber Ju-87 (kurz „Stuka“ genannt).

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Bis zu 6.000 Menschen sollen in der Fertigung gearbeitet haben – den größten Teil davon dürften Zwangsarbeiter, Kriegsgefangene und KZ-Häftlinge ausgemacht haben! Auf dem Gelände im Rabsteiner Tal existierten ab 1944 eine Außenstelle des KZ Flossenbürg, zwei Kriegsgefangenenlager und 30 Arbeitslager. Von den Baracken sind heute nur noch einige Grundmauern erhalten.

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Wie viele Menschen zu Tode kamen, lässt sich heute nur erahnen. Heute erinnert eine kleine Gedenkstätte an die Leiden der Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge.

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Die Produktionsanlagen überstanden das Kriegsgeschehen völlig unversehrt. Nach Kriegsende wurden die erhaltenen Rabsteiner Anlagen der Weser Flugzeugwerke zunächst verstaatlicht. Es gelang jedoch nicht, eine „Friedensproduktion“ für Flugzeugteile zu etablieren, so dass die Produktion unter staatlicher Kontrolle im März 1946 eingestellt wurde. Sämtliche Anlagenteile wurden verkauft, anderweitig verwendet oder verschrottet. Die noch in der Gegend lebenden Deutschen (bis dahin gern als Fachkräfte gesehen) wurden vertrieben (sprich zwangsausgesiedelt). In einigen Stollenbereichen wurde danach bis 1951 Getreide und Gemüse eingelagert.

In den unfertigen Stollen lagerte die tschechische Armee ab 1955 Munition.

Die fertigen Stollen (das ehemalige Werk H) wurde von den russischen Truppen übernommen, die hier ein Treibstoff-Reservelager einrichteten.  Von 1957 bis 1962 wurden 12 riesige Tanks in die Stollen gebaut. Die Gesamtkapazität betrug 7,5 Millionen Liter!

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Im Wesentlichen stammen alle heute noch vorhandenen Einbauten im ehemaligen Werk H aus der Zeit des russischen Tanklagers.

Hin und wieder stolpert man über nicht identifizierbare Einzelteile.

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Ob die Zwischenmauern mit den Türöffnungen noch aus der originären Bauphase stammen, kann man nur vermuten.

In vielen Stollen findet man heute noch die Überreste der inzwischen ausgebauten Großtanks.

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Eine ausgebaute Kammer im Gangsystem sieht aus, als hätte sich hier ein Dienstraum oder Technikraum befunden.

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Vom russischen Treibstoff-Reservelager blieb nur ein einziger Tank erhalten. Man kann hier sehr gut erkennen, das die Tanks einfach in die vorhandenen Gänge hineingebaut wurden. Die Aufschrift „Feuergefahr“ in kyrillischen Buchstaben kann man auch heute noch sehr gut lesen.

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Nur wenige technische Stollen-Einbauten blieben erhalten – hier Reste der Belüftungsanlage an der Decke (Zuluft- und Abluftrohr).

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Ein Zwischentanklager und eine Pumpstation befand sich beim Bahnhof Rabstein. Einige beeindruckende Reste stehen noch im Gelände herum.

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Auch Reste der Zaunanlage, die das Zwischentanklager von der Außenwelt abschirmte, blieben erhalten.

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Nach dem Abzug der russischen Truppen – 1994 – wurde das Tanklager von der Tschechischen Ölgesellschaft übernommen. Eine geplante Weiternutzung und Modernisierung der Anlagen fand nicht statt; zehn Tanks wurden zurück gebaut; einer wurde aufgeschnitten. Nur ein Tank hat die Zeiten überdauert.

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Bei den Demontagearbeiten brannte bei einigen Tank die aus Teer bestehende Isolierschicht. Die zur Demontage benutzten Schneidbrenner und Trennschleifer hatten den Teer entzündet.  Davon künden heute noch die teilweise rußgeschwärzten Stollenwände.

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Auch die tschechische Armee hat die Nutzung der Stollen als Munitionslager aufgegeben und das Gelände sich selbst überlassen.

Seit dem Jahr 2000 kann ein kleiner Teil der Stollenanlagen im Rahmen einer Führung des örtlichen Museums begangen werden.

Quellen:

Bilder: Alexander Köhler, mit freundlicher Genehmigung

Informationstafeln der Gemeinde Ceska Kamenice vor Ort im Rabsteintal

Internetpräsenz luzicke minus hory Punkt cz (Artikel zum Rabsteiner Tal)