NVA – Gästehaus Volksmarine Nienhagen

Mitten in einem romantischen Küstenwald, der von den Einheimischen Gespensterwald genannt wird, stehen die baulichen Überreste eines Gebäudekomplexes, der von der Volksmarine der DDR als Gästehaus genutzt wurde.

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Hier wurden hochrangige Offiziere, Partei- und Politprominenz oder Staatsbesuch untergebracht. Die abseitige Lage garantierte Diskretion und machte es leicht, das Gebiet zu überwachen.

Vermutlich haben die bewachenden und überwachenden Personen auch im wörtlichen Sinne auf den Bäumen gesessen – im Wald, unweit des Gebäudes, befinden sich recht massive Aufstiegshilfen an einigen Bäumen, die an markanten Sichtachsen stehen.

Warum die Gebäude in dieser exponierten Lage dem Verfall preis gegeben wurden, darüber kann man nur Vermutungen anstellen. Inzwischen ist der Verfall im Hauptgebäude so weit fortgeschritten, dass es vermutlich nicht mehr zu retten sein wird. Der Dachstuhl ist inzwischen fast vollständig zusammen gebrochen; die Fenster fehlen schon viele Jahre, die Öffnungen nur notdürftig verschlossen.  Einzig der Zaun, der das Objekt komplett umschließt, wurde über all die Jahre hinweg gehegt und gepflegt und teilweise erneuert. Interessant ist der teilweise noch vorhandene Sichtschutz im Bereich der Hauptzufahrt.

Zaun Gästehaus

Gegenwärtig (Frühjahr 2020) wird zumindest das Grundstück von Bewuchs befreit. Zwei Bilder fast aus der gleichen Perspektive mit dem Abstand von einigen Jahren lassen zumindest erahnen, wie sich die Natur das Gelände zurück holte.

Gäastehaus 2020 (1)

An den Waldwegen in der Umgebung des Gästehauses findet man andere interessante Hinterlassenschaften: Markierungssteine für Telefonkabel der Deutschen Post – hier scheinen zumindest 2 verschiedene Kabel verbuddelt worden zu ein – zu welchem Zweck die Kabel mitten in den Wald hinein verlegt wurden, bleibt derzeit im Nebel der Geschichte verborgen.

 

 

NVA – Beobachtungsturm Börgerende

PT Börgerende 05Nur einen Steinwurf vom Strand entfernt, zwischen Heiligendamm und Börgerende, befindet sich dieses Relikt des Kalten Krieges: ein Postenturm der Grenzbrigade Küste. Im offiziellen Sprachgebrauch war es ein Beobachtungsturm vom Typ BT 11. Die Buchstaben BT sind das Kürzel für das Wort Beobachtungsturm, die Zahl 11 gibt an, aus wie vielen Standard-Fertigteilen dieser Turm bestand. Auch diese Türme waren sozusagen standardisierte Massenware – mehr als 25 derartiger Türme standen entlang der Ostseeküste der DDR, nur wenige sind noch erhalten. Ein weiteres Exemplar von diesem Typ ist noch im Ostseebad Kühlungsborn erhalten.

Wozu dieses Netz aus Beobachtungstürmen innerhalb des Grenzregimes der DDR diente, liest sich in offiziellen Dokumenten (hier die Direktive des Ministeriums des Innern Nr. 2/60 vom 8. Januar 1960) unter anderem so:

  • Überwachung und Kontrolle des Schiffs- und Bootsverkehrs in den Hoheitsgewässern,
  • Küstensicherung am Tage bei normalen Sichtverhältnissen vorwiegend durch Beobachtung,
  • Nichtzulassen von Grenzdurchbrüchen durch ununterbrochenen Einsatz der Kräfte und Mittel mit Erreichung der größten Dichte an den Abschnitten Usedom, Priwall und im Raum der Häfen

PT Börgerende 01

Der Beobachtungsturm Börgerende gehörte mit dem heute nicht mehr vorhandenen Beobachtungsturm in Warnemünde und dem Beobachtungsturm in Kühlungsborn zur großräumigen Sicherung der Ostseeküste zwischen den Hafenstädten Wismar und Rostock.

Auch dieser Turm dürfte 1972 errichtet worden sein. In diesem Jahr begann die pioniermäßige Befestigung der Seegrenze – insgesamt sollen 38 Beobachtungstürme verschiedener Typen errichtet worden sein.

Interessant an diesem Turm ist, das hier noch große Teile der ursprünglichen Umzäunung erhalten sind. So sollten die Beobachtungstürme zusätzlich geschützt werden – gegen wen auch immer.

In unmittelbarer Nähe sind noch Reste eines kleinen befestigten Bauwerkes zu erkennen, das vermutlich den Gefechtsstand beherbergte –  vermutlich ein FB-3 (das kann man durch den hohen Bewuchs nicht mehr feststellen).

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Die Grenzkompanie war in unmittelbarer Nähe untergebracht – ein Teil der Baracken ist noch erhalten (und wird als Ferienwohnungs-Anlage genutzt); ebenso ist ein Teil der Garagen noch erhalten.

Nach dem Ende der DDR wurden sämtliche Beobachtungstürme an der Ostseeküste von einer gemeinsamen Kommission aus Vertretern der Bundeswehr und der NVA begutachtet. 1991 kam diese Kommission zu dem Schluss, das eine zivile Nutzung dieser Türme nicht zu empfehlen sei, da die Standfestigkeit dieser Türme nur bis zu einer Windgeschwindigkeit von 27 m/s gegeben sei. (Anders ausgedrückt heißt das: Die Türme sind so solide gebaut, das sie im Normalfall einen schweren Sturm überstehen; bei orkanartigen Stürmen oder gar bei Orkanen ist eine Standsicherheit nicht mehr gewährleistet – bei Häusern können große Schäden schon bei schweren Stürmen entstehen. Was dann zu der Schlussfolgerung führte, das damit eine zivile Nutzung nicht möglich sein soll, bleibt ein Geheimnis der gemeinsamen Kommission). In dem Übergabeprotokoll von der NVA an die Bundeswehr wurde festgehalten, dass die Türme abzureißen sind (mit eben der Begründung, die Standsicherheit sei nicht gegeben…). In den Folgejahren wurden fast alle Beobachtungstürme abgerissen.

Schwere Stürme gab es seitdem schon einige – der Beobachtungsturm in Börgerende steht noch immer.

 

Quellen:
[Hrsg.] Staatliches Amt für Landwirtschaft und Umwelt Mittleres Mecklenburg „Wie geht es weiter mit dem Grenzturm in Börgerende.“, Pressemitteilung Nr. 42-2012, 30.11.2012
Plottke, Lennart „Börgerende. Alter Wachturm soll Geschichten erzählen“, Ostsee-Zeitung, 08.06.2016

 

NVA – FRA 4332 Nienhagen

Im März 1972 begannen die Bauarbeiten an der neu zu errichtenden Stellung für Flug-Abwehr-Raketen nordöstlich von Nienhagen bei Rostock. Fertiggestellt und bezogen wurde das Objekt als FRA 436, das zur 43. Flug-Abwehr-Raketenbrigade gehörte, im Juni 1973. In das Diensthabende System der Luftverteidigung wurde das Objekt ab März 1975 einbezogen.

Das gesamte Gelände war von einer hohen Mauer umgeben, lag es doch sehr exponiert unmittelbar an der Steilküste in einem touristischen Gebiet. Jeder Radfahrer oder Wanderer zwischen Warnemünde und Nienhagen kommt unweigerlich daran vorbei.

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FRA 4322 Nienhagen – die Mauer, die das ganze Objekt umgab, ist an der Steilküste noch erhalten – man beachte den Tarnanstrich der Mauer!

Die 43. Flug-Abwehr-Raketenbrigade (43. FRBr) hatte ihren zentralen Gefechtsstand in Rövershagen. Von dort wurden 10 Flug-Abwehr-Raketen-Abteilungen (FRA) geführt.

Mit der Einführung und Umstellung auf „neue Technik“ wurde Anfang der 1980er Jahre die taktische Bezeichnung des Standortes Nienhagen geändert: von FRA 436 zu FRA 4332.

Hier waren nunmehr S-125 – Flugabwehrraketen des sowjetischen Systems „Newa“ stationiert. Reale Schießübungen mit den Raketen wurden seit den 1960er Jahren alle zwei Jahre ausschließlich auf dem sowjetischen Schießplatz Aschuluk – Kapustin Jar in der kasachischen Steppe durchgeführt. Die Verlegung der Truppen und Raketen nach Kasachstan erfolgte per Bahn! Bei einer Strecke von 2.400 km dauerte das meist acht bis neun Tage, für eine Tour.

Am 02. Oktober 1990 erfolgte der letzte Appell der NVA. Wie die anschließende Übergabe des Objektes an die Bundeswehr erfolgte, ist nicht bekannt.

Zum Objekt gehörte noch ein Hubschrauberlandeplatz auf einer Rasenfläche, der heute nicht mehr erkennbar ist.

Ab 1997 wurde des Gebiet völlig umgestaltet und seitdem als Wohn- und Technologiepark genutzt. Basis dafür war der zweite Bebauungsplan der Gemeinde Nienhagen-Elmenhorst seit 1989 – man hat hier offensichtlich die Gunst der Stunde genutzt, um einen militärisch genutzten Standort in bester Ostsee-Lage zu einem 1a-Wohn- und Gewerbegebiet umzugestalten – immerhin befindet sich das Gebiet im Außenbereich der Gemeinde!