Das Ende des zweiten Weltkrieges kam für die Region westlich der Elbe bei Torgau in Gestalt von amerikanischen Truppen. Im April 1945 schien es keinen nennswerten deutschen Widerstand mehr gegeben zu haben zwischen Elbe und Mulde. In der Nähe der Dörfer Strelln und Mockrehna fiel die Luftwaffen-Hauptmunitionsanstalt nebst einer Abfüllstelle für chemische Kampfstoffstoffe den Amerikanern kampflos in die Hände. Alles schnell verwertbare, insbesondere Dokumente, wurde mitgenommen. Große Mengen an Bomben und vermutlich auch Kampfstoffe wurden zunächst in einen mit Wasser voll gelaufenen ehemaligen Steinbruch verbracht und anschließend beschossen; es brannte tagelang und die Überreste liegen noch heute im trüben Wasser des Steinbruchs.
Nach dem Abzug der Amerikaner und der Übergabe des Geländes an die Russen wurde das Gelände zunächst geplündert. Was mit den Kampfstoffen geschah, die hier in großen Mengen in der Füllstelle lagerten, lässt sich heute nicht mehr mit Sicherheit feststellen. Vermutlich wurde ein Teil an Ort und Stelle gesprengt, versickert oder verklappt. Ein Teil wird vermutlich nach Oranienbaum in die Heeresmunitionsanstalt Kapen verbracht worden sein. Der Bereich der ehemaligen Füllstelle und die Sprengplätze im Wald nördlich der Straße waren für viele Jahre nicht zu betreten.
Schon Ende 1945 beschlossen die russischen Besatzer das weiträumige Gelände im Eilenburger Ratsforst selbst weiter zu nutzen: als Munitionslager für die Artillerie. Das Gelände war bestens geeignet: ein intakter Bahnanschluss, viele unzerstörte Munitionslagerbunker; und das alles abgeschieden in einem großen Wald. So entstand in recht kurzer Zeit im Wald von Mockrehna das 17. Munitionslager der 1. Gardepanzerarmee der Roten Armee. Nur einen Bereich wollten selbst die russischen Besatzer nicht: den nordwestlichen Teil des Geländes, in dem sich die ehemalige Füllstelle befand. Dieser Teil des Geländes wurde viel später durch die Nationale Volksarmee der DDR genutzt, ebenfalls als Munitionslager.
In die ehemalige Wohnsiedlung deutscher Offiziere zogen wieder Offiziere ein, russische diesmal. Die großzügigen Häuser und die sehr weiträumige Anlage geben dem Gebäudeensemble den Charakter einer kleinen Stadt im Wald.
Da die russischen Offiziere meist mit Frau und Kind hier wohnten, herrschte hier bestimmt relativ normales Zivilleben. Um die Häuser angelegte Gärten dienten der Versorgung mit Obst und Gemüse; Veranden und Dachterrassen – mitten im Grünen – boten hier vermutlich recht guten Wohnkomfort im Vergleich zu den normalen Soldaten.
Innen schien es recht geräumig gewesen zu sein – viel Platz auf zwei Etagen (wobei man natürlich nichts darüber weiß, wie viele Menschen hier tatsächlich unter einem Dach gewohnt haben).
Der Zustand aller ehemaligen Wohngebäude ist ausgesprochen desolat. Die Häuser sind alle völlig ausgeschlachtet. Sämtliche Türen und Fenster fehlen. Die russischen Truppen haben bei ihrem Abzug wirklich alles mitgenommen, was möglich war…
Hin und wieder findet man in einem Gebäude kleinere Hinterlassenschaften, die die Ausweidung überstanden haben – aus welchem Grund auch immer. Ein einsamer Spiegel an einer Wand; ein vergessener Einbauschrank; Reste einer Deckenverkleidung aus Plastik im Stile der 1970er Jahre – einfach auf das blanke Holz geklebt.
Die Fußböden schienen alle aus Parkett zu bestehen! In einigen Zimmern hat es sogar überlebt, wenn es auch heute sehr unscheinbar daherkommt.
Die russischen Hausherren schienen überhaupt sehr spartanisch gebaut zu haben; viele Holzkonstruktionen direkt und unmittelbar entweder auf dem Erdboden oder an das Mauerwerk angebracht. In einem Gebäude hat die Eingangstür zu einem Obergeschoss überlebt. Sie erinnert eher an einen Bretterverschlag.
Interessant sind auf jeden Fall die Eingangstüren der Offiziersvillen. Sie erinnern eher an prunkvolle Portale und stammen vermutlich noch aus deutscher Zeit.
An einem dieser Portale befand sich unter der russischen Nutzung ein handgemaltes Schild, auf dem Dobro poschalowatj (Herzlich willkommen) stand. Heute ist dieses Schild leider nicht mehr erhalten…
Die Tür führte durch eine Schwingtür in den Bereich des Kindergartens und der Schule.
Da die russischen Offiziere oft mit ihren Frauen und Familien auf den Militärstützpunkten wohnten, gab es auch jede Menge Kinder. Für diese Kinder gab es dann auch entsprechende Einrichtungen auf dem Gelände, was den Charakter einer kleinen und autarken russischen Stadt innerhalb des besetzten Deutschlands noch verstärkte.
Die Flügeltür öffnete sich zu einem größeren Saal, deren Mittelpunkt einst zwei prunkvoll verzierte Säulen bildete. Von diesen Säulen sind leider nur noch Reste vorhanden.
Links vom Saal fällt der Blick in den „Spiegelsaal“. An säulenartige Streben wurden kleine Mosaiksteinchen angebracht, die einen funkelnden und spiegelnden Säulengang illusionistisch und wunderschön darstellen. Dieser Blick ist definitiv ein überraschendes Highlight!
Am gegenüberliegenden Ende des Gebäudes ist der Blick nicht ganz so spektakulär. Das liegt vermutlich jedoch daran, das der Rest des Gebäudes sich praktisch im Rohbauzustand befindet – wer weiß, wie gerade dieses Gebäude zur Zeit seiner Nutzung ausgesehen hat – The russians love their children, too…
Eine noch recht gut erhaltene Treppe führt unmittelbar neben der Eingangstür in das Obergeschoß. Hier haben sich vermutlich ein oder zwei kleine Klassenräume befunden. Davon ist nichts mehr geblieben, außer eine recht gut erhaltene Deckenverkleidung mit den typischen Leuchtstoffröhren – Deckenleuchten der 1980er Jahre.
Im Wonbereich gab es die gesamte für das zivile Leben notwendige Infrastruktur: ein kleiner Einkaufsladen, ein Kulturhaus mit Kinosaal, eine Bibliothek, Sport- und Spielplätze, einen Arzt… diese Gebäude konnten leider nicht auf Anhieb identifiziert werden – dafür sind es zu viele Gebäude und der Erhaltungszustand der Gebäude verbietet oft auch ein Betreten…
Erhalten und gut zu erkennen ist jedoch noch das ehemalige deutsche Wachgebäude am KDL, da es sich unmittelbar im Eingangsbereich am Zufahrtsweg nach Mockrehna und an der Einfahrt für die Eisenbahn befindet.
Das ursprünglich deutsche Gebäude wurde noch vergrößert – unverkennbar ist der typisch russische weiße Ziegelbau. Noch erhalten sind ein paar Betonplatten, mit denen die Zufahrt teilweise blockiert war.
Aus der ehemaligen deutschen Kaserne 1 wurde das russische Stabsgebäude. Es ist das einzige Gebäude, das wirklich deutlich nach Militär aussieht: Eingangskontrolle mit Zimmer des Diensthabenden; der typische lange und dunkle Flur. Das Gebäude ist in einem desolaten Zustand. Überall Schutt, abblätternde Farbe, geplünderte und ausgeräumte Zimmer. Geisterhaft hängt irgendwo der Rest einer Gardine herunter, die mit einem Nagel an der Wand befestigt war. Im Keller blieb von der selbst gebauten Sauna nichts weiter übrig als der gemauerte Rundbogen am Eingang.
Da sämtliche Gebäude noch mit Kohle bzw. Holz beheizt wurden, errichteten die russischen Truppen Anfang der 1960er mitten im Wald ein Heizkraftwerk und legten Heißwasserrohre in viele Bereiche des Geländes. Die teilweise abenteuerlichen Konstruktionen sind in weiten Teilen noch sichtbar.
Der Verlade- und Umschlagplatz für den An- und Abtransport der Munition wurde vergrößert und um Hallen für LKW-Unterstände und Werkstätten ergänzt. Die russischen Ziegelbauten sind hier leicht zu erkennen.
Inschriften russischer Wehrpflichtiger verzieren die Rückwand – eines der wenigen erhaltenen und noch deutlich erkennbaren Relikte der russischen Hausherren.
An der Bahnverladestelle ist ein russischer Anbau aus Holz zu erkennen. Die Gleise sind hier vor lauter grün nicht mehr zu erkennen; wer weiß, ob sie überhaupt noch liegen….
Der Bereich der Feuerwehr wurde ebenfalls etwas erweitert. Der Unterstand für die Löschfahrzeuge scheint noch aus deutscher Zeit zu stammen, das Gebäude ist aus massivem Stahlbeton mit einer dicken Decke.
Viel Wert scheint man eher auf manuelle Löschmittel gelegt zu haben – die zentralen Punkte zur Aufbewahrung diverser Hand-Löschmittel fallen deutlich größer aus, als man das aus anderen Objekten kennt. Die kyrillischen Buchstaben, die einen Sammelpunkt für Feuerlöschmittel kennzeichnen, sind überraschend gut erhalten und noch deutlich zu lesen..
Interessant ist ein besonderer Gebäudeteil: der russische Knast, der immerhin drei größere Zellen enthielt. Zumindest waren hier die Fenster nicht vernagelt, sondern „nur“ vergittert. Die Zellen hatten noch nicht einmal Toiletten oder Waschbecken… es waren einfach nur nackte, leere Räume.
Der innere Bereich des Munitionslagers war mit Stacheldraht und hohen Splitterschutzwällen gesichert; die Wälle stammten noch aus deutscher Zeit und wurden bei Bedarf verlängert. Heute sind die Zaunreste im dichten Wald kaum noch zu erkennen.
Der Blick in ein ehemaliges Munitionsarbeitshaus ist hoffentlich ungefährlich… Es sieht völlig ausgeräumt aus. Die massive Bauweise ist gut zu erkennen.
Was genau hier passierte, ist unbekannt. Die Geheimhaltung war und ist so groß, das nichts darüber bekannt ist.
Im wesentlichen nutzten de russischen Truppen die Munitionslagerbunker so, wie sie sie vorgefunden haben. Sie waren alle noch intakt und durch den Baumbewuchs ohnehin gut getarnt im Gelände verstreut.
Bei einigen oberirdischen Gebäuden und Lagergebäuden wurde durch die russischen Hausherren leichte Umbauten angebracht. Da die Gebäude alle aus massivem Stahlbeton waren, fallen die nachträglichen Ziegel-Einbauten heute deutlich auf.
Mitten im Wald findet sich ganz überraschend ein typisch russischer Holzbau – eine Art Raucherinsel – im gesamten Gelände herrschte aus nachvollziehbaren Gründen strenges Rauchverbot! Rauchen war nur an wenigen Stellen erlaubt – dies war so ein Ort.
Ein russisches Dienstgebäude – schön mit Zimmer für den Diensthabenden Offizier am Eingangsbereich – ganz in der Nähe der Raucherinsel enthält überraschend noch Teile der Wandverkleidung.
Auch hier typisch russisch: die Wandverkleidung war direkt am nackten Mauerwerk befestigt.
Ein eher unerwarteter Fund in dem weitläufigen Gelände war ein elektrischer Anschaltpunkt in massiv gemauerter Form. Die Kabel sind lange verschwunden, aber der Rest steht noch…
Ein anderer Blick auf russische Technik ergibt sich überraschend im recht großen Keller eines anderen Gebäudes. Vermutlich wurde hier Wasser erhitzt – ob es sich bei dem Gebäude um eine Wäscherei oder eine Art Badehaus handelte, lässt sich nicht mehr ansatzweise feststellen.
1993 zogen die russischen Besatzer aus dem Gelände ab und nahmen alles mit, was sich mitnehmen ließ. Viele Gebäude wurden schlicht in den Rohbauzustand zurückversetzt. Das Gelände wurde seit dem Abzug der russischen Truppen sich selbst überlassen. Was folgte war das Übliche: Metalldiebe, Vandalismus, illegale Müllablagerung, Abenteuerspielplatz, Souvenirjäger. Ob auf dem Gelände überhaupt eine weitergehenden Untersuchung auf Altlasten und Munitionsrückstände statt gefunden hat, lässt sich bezweifeln. Heute hat sich die Natur weite Teile des gesamten Geländes zurückgeholt. An einem sinnvollen Konzept zur Nachnutzung scheint es zu fehlen – eine Paintballanlage war hier ebenso geplant wie ein Windpark; gewollt war beides nicht, so dass hier irgendwann ganz sicher die Abrißbagger rollen werden.