Pirna – Kreiskrankenhaus

Das Krankenhaus liegt hier nicht am Rande der Stadt, sondern mitten drin. So richtig schön zentral. Und steht leer. Seit 2007.

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Am 17. September 1859 wurde Pirnas erste Bürgerkrankhaus eingeweiht. Damals hieß die Straße noch Sandgasse. Der Platz reichte bald nicht mehr aus, so dass nach und nach weitere Gebäude errichtet wurden. Im Jahre 1918 wurde ein Gebäude für die Chirurgische Abteilung mit Platz für 80 Betten errichtet. Der heute denkmalgeschützte Ziegelbau wurde nach dem Arzt Rudolf Renner als „Dr. Rudolf -Renner-Haus“ benannt.

Im Laufe der 150 Jahre seiner Nutzung ist das Gebäude mehrfach erweitert und umgebaut worden. Insgesamt erstreckt sich das Krankenhausgelände über 1,8 Hektar. Der letzte Umbau fand von 1986 bis 1991 statt. Insgesamt entwickelten sich hier vier große Haupt-Gebäude, die alle miteinander verbunden wurden, sowie diverse Nebengebäude. Die übrig gebliebenen Wegweiser zeugen vom Umfang der angebotenen medizinischen Leistungen, zeigen heute aber ins Nirgendwo der verlorenen und leeren Flure.

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Nach der politischen Wende 1989 fingen die Kostendiskussionen an. Das Krankenhaus sollte in private Trägerschaft überführt werden. 1995 wurde erheblicher Sanierungsbedarf festgestellt. Da es Fördermittel von Bund und Ländern nur für einen Neubau gab, war schnell klar, das der bisherige Krankenhausstandort zugunsten eines Neubaus aufgegeben wird. Im Jahre 2002 wird das noch in Betrieb befindliche Kreiskrankenhaus für 8,5 Millionen Euro an die Rhön Klinikum AG verkauft, die auch für den Neubau in Pirna-Sonnenstein die Kosten tragen wird. Der erste Spatenstich für das neue Klinikgelände erfolgt dann 2004.

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Nach dem im Jahr 2006 auf dem Pirnaer Sonnenstein das neues Krankenhaus fertig gebaut worden war, erfolgte der Umzug des Krankenhauses. Die Gebäude stehen seit den Tagen des Umzuges im März 2007 leer und warten auf ein sinnvolles Nachnutzungskonzept. Im Jahre 2008 wurde das gesamte Areal des ehemaligen Kreiskrankenhauses an einen Investor weiter veräußert, in der Hoffnung, das hier ein europäisches Geriatrie- Kompetenzzentrum entsteht. Versprochen wurde viel. Passiert ist nichts. Vermutlich ging es hier – wie so oft – nur darum, Grundstücke in bester Lager „abzustauben“….

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Erschreckend ist der Grad der Zerstörung und Vermüllung im Inneren der Gebäude.Kreiskrankenhaus Pirna 06

Bei der Vielzahl an Gebäuden, Fluren und Zimmern gelingt dann doch noch der eine oder andere faszinierende Blick… unscheinbar und mit Klebestreifen an der Tür befestigt ein Zettel mit der Zimmernummer – hält noch heute…Kreiskrankenhaus Pirna 27

Dahinter eine kleine Überraschung und für mich das Bild des Tages…Kreiskrankenhaus Pirna 28

Lange Flure, soweit das Auge reicht… Ängstlich sollte man hier nicht sein. Kreiskrankenhaus Pirna 02

Lange Verbindungsgänge zwischen den einzelnen Hauptgebäuden…Kreiskrankenhaus Pirna 12

… bilden einen Kontrast zu den vermüllten Eingangsbereichen.

Überbleibsel diverser kleiner Frachtaufzüge finden sich praktisch überall.

Manche Bilder muten postapokalyptisch an…Kreiskrankenhaus Pirna 18

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An manchen Details gehen viele der Besucher vermutlich achtlos vorüber…hier ein Sicherungskasten „made in GDR“ – sogar noch mit den typischen gelben Aufklebern.

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Selbst das Typenschild ist noch zu entziffern.

Schild VEB Elektroinstallationen

Einige der Zimmer sind zumindest noch in einem Zustand, der die einstige Funktion erahnen lässt. Man sieht hier förmlich vor dem geistigen Auge, wo die Betten gestanden haben.IMG-20220502-WA0071

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Für einen Besuch hier ist definitiv viel Zeit einzuplanen – drei Stunden vergehen wie im Fluge… vier mehrstöckige Hauptgebäude; alle sind unterkellert, teilweise mit 2 Etagen. Dazu noch einige Nebengebäude und die Verbindungsgänge…. es kommen einige Kilometer und Treppen zusammen…

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Quellen:

Möckel, Thomas „Klinik im Dauerkoma“, in: Sächsische Zeitung, 04.11.2019

„Krankenhaus Pirna wurde 160 Jahre alt“, Wochenkurier, 23.09.2019

Schlechtinger, Sabine (Pressesprecherin Stadt Pirna) „Neues Klinikum Pirna eingeweiht – Oberbürgermeister Markus Ulbig: Meilenstein in Entwicklung der Stadt“ (Pressemitteilung zur Eröffnung des neuen Klinikums Pirna), 02.03.2007, Pirna

Pirna – Elbtalzentrale

Um ein Kraftwerk zu betreiben, benötigt man mindestens Wasser in großen Mengen zum Betrieb der Dampfturbinen und zur Kühlung sowie einen Brennstoff, meist Kohle. Beide Voraussetzungen erfüllte der Standort des Kraftwerkes perfekt: unweit der Elbe und direkt an der Bahnlinie und der Hauptverkehrsstraße des Elbtals gelegen.

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Dies waren auch die Ausschlag gebenden Gründe für die AEG, als sie in den Jahren 1912/1913 in Pirna ein Kraftwerk errichtete. Dieses sollte den Südsächsischen Raum zwischen Dresden und Bischofswerda bis zu den südlichen Landesgrenzen mit Strom versorgen. Die Kohle kam aus der Revieren der Niederlausitz und wurde per Bahn oder Schiff transportiert.

1908 begannen die ersten Planungen für die Errichtung der Überlandzentrale, wie Kraftwerke damals genannt wurden. Zunächst war nur eine Stromversorgung Pirnas und des nahen Umlandes vorgesehen. Architekt war der Kraftwerksplaner Werner Issel, damals noch Angestellter in der Bauabteilung der AEG (Allgemeine Elektrizitätsgesellschaft) und noch nicht der bedeutende Industriearchitekt, als der er heute gilt.

Am 18.01.1911 wurde die Elbtalzentrale Aktiengesellschaft gegründet. Mit dem Bau des Kraftwerkes und des erforderlichen Kabelnetzes in Pirna wurde die AEG beauftragt. Das innerstädtische Kabelnetz wurde als 6 kV-Netz ausgelegt und gebaut – eine damals übliche Größe. Die Energieverteilung und die Schaltzentrale wurde 1912 fertig gestellt.

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Eine Verkopplung der Netze Pirna (Schaltzentrale Elbtalzentrale), Hirschfelde (dortiges Großkraftwerk, ca. 100 km entfernt) und Copitz (Wasserkraftwerk Copitz) gelang am 20. März 1913. Dieser Tag ist die Geburtsstunde zur regionalen flächendeckenden Energieversorgung für 8 Städte, 87 Gemeinden und 8 landwirtschaftliche Güter. Das Kraftwerk der Elbtalzentrale ging am 01. Juli 1913 ans Netz. Der Strom wurde zunächst mit einer 5.000 PS (=3.677,5 kW) starken Dampfturbine erzeugt. 1916 kam eine weitere Dampfturbine dazu, mit einer Leistung von 13.000 PS (= 9.561,5 kW).

1923 übernahm die Aktiengesellschaft Sächsische Werke die Elbtalzentrale und weitete das Stromnetz über Königstein bis nach Bad Schandau aus.

Ab 1924 (nach Inkrafttreten der Landeselektrizitätsverordnung Ostsachsen) fungierte die Elbtalzentrale nur noch als Spitzenlastkraftwerk und Umspann- und Verteilstation für den in größeren Kraftwerken (hier Lauta und Hirschfelde) erzeugten Strom. Im Jahr 1924 erzeugte das Kraftwerk insgesamt nur 4,1 Millionen kWh. Das entspricht etwa 3,5% der rechnerisch möglichen Erzeugungsleistung. Ein wirtschaftlicher Betrieb war unter diesen Bedingungen nicht möglich. Folgerichtig ging 1929 das Kraftwerk der Elbtalzentrale außer Betrieb. Es fungierte ab jetzt ausschließlich als Umspannwerk und Schaltzentrale.

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Nach dem Ende des zweiten Weltkrieges wurde die Kessel, Turbinen und Generatoren durch die russischen Besatzer als Reparation demontiert und in die Sowjetunion geschafft. Ebenso große Teile des Stromnetzes. Erst in den 1950er Jahren war das Stromnetz wieder stabil und die Schalt-, Umspann- und Verteilanlagen in der Elbtalzentrale versahen ihren Dienst noch bis in die 1970er Jahre hinein. Durch die Umstellung der örtlichen Verteilnetze von 6 KV auf die auch heute noch üblichen 20 kV waren die 6 kV-Schaltanlagen in der Elbtalzentrale nicht mehr zu gebrauchen. Einer Erneuerung fand nicht statt. Die Schaltanlagen und Transformatoren der Elbtalzentrale gingen vollständig vom Netz.

Die Gebäude wurden bis 1990 vom VEB Hauswirtschaft Pirna genutzt, hauptsächlich als Sitz der Verwaltung. Das Kesselhaus wurde zum Lager umfunktioniert. Nach dem Ende der DDR und dem Ende der VEB wurden die Gebäude als Fahrzeughalle und Werkstatt genutzt. Nach dem Aus für den Werkstattbetrieb 1996 wurde das Kesselhaus bis 1998 an eine Baufirma als Lager vermietet.

Seit dem stehen die inzwischen denkmalgeschützten Gebäude leer und verfallen.

Noch steht es, das sehr imposante Turbinenhaus.Elbtalzentrale 12

Das Innere fühlt sich an wie eine Kathedrale der Industriearchitektur.

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Ganz ähnliche Bilder aus dem KesselhausElbtalzentrale 01

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Die Graffitis scheinen hier nicht zu stören, sondern steigern die Surrealität des Ortes.

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Auf dem Fußboden kann man noch einige Fundamentreste erkennen (obwohl der Blick unweigerlich vom wunderschönen Oberlicht der Halle angezogen wird)

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Hier noch einmal (gänzlich ohne Ablenkung) der Fundamentrest…Elbtalzentrale 29

Nur sehr wenige Relikte sind noch zu erkennen, die auf die ursprüngliche Funktion der Halle schließen lassen. Einige undefinierbare Bauteile (die vermutlich der Beschickung der Kessel mit Kohle dienten) kann man unter dem Oberlicht erkennen; ebenso die Reste der Peitschenlampen, die aus der Nutzungsperiode um 1970 stammen dürften.

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Aus einer Wand ragt der schwenkbare Tragarm als Rest einer kleinen Winde. Die maximale Traglast kann man noch erkennen: eine Tonne.Elbtalzentrale 19

Eine Öffnung im Fußboden führt in die Unterwelt… hier liefen vor allem die Zu- und Ableitungskanäle für das Brauch- bzw. Kühlwasser. Ein großer Teil des Untergeschosses steht heute voller Wasser.Elbtalzentrale 38

Im Schalthaus finden sich noch diverse Zeugnisse der über 50jährigen Nutzung. Vandalen haben hier jedoch viel zerstört und beschmiert.

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Gut zu erkennen sind noch die vielen beschrifteten Schalt – (Abgangs-) Felder, obwohl die einzelnen Beschriftungen heute kaum noch zu entziffern sind.

Von den Kabeln und Schaltanlagen blieb inzwischen nichts mehr übrig.

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Vom einstmals prächtigen Treppenhaus kann man heute kaum noch etwas erahnen. Hier schreiten Verfall und Verwüstung mit großem Tempo voran.

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Vor allem die nach dem Ende der Elbtalzentrale als Schaltzentrale und Umspannwerk vorgenommenen Um- und Einbauten haben dem Charakter des Gebäudes nicht gut getan, um es vorsichtig zu formulieren.

Man kann nur hoffen, das sich recht bald ein finanziell tragbares Konzept findet, mit dem dieser Bau der Industriekultur erhalten werden kann.

Quellen:

[Hrsg.] Müller, Dr. Max „Illustrierter landwirtschaftlicher Vereins-Kalender für den Freistaat Sachsen und die Provinzen Sachsen und Brandenburg“, 49. Jahrgang, 1926, Dresden

[Hrsg.] Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Sächsische Landesstelle für Museumswesen „Industriearchitektur in Sachsen. Erhalten. Erleben. Erinnern“, 2020

Jensch, Hugo „Ein Beitrag zur Bevölkerungsgeschichte von Stadt und Kreis Pirna“, Pirna, 2005

Jurkiewicz, Falk „Umnutzung des E-Werks ELBTALZENTRALE Pirna“ (Studienarbeit an der FH Liechtenstein, 2005, Vaduz)