NVA – Gefechtsstand FuTB-23 Pragsdorf – WGS-33

Als im Dezember 1970 das neu formierte Funktechnische Bataillon 23 (FuTB-23) seinen Standort in Pragsdorf bezog, war an eine verbunkerte Führungsstelle noch lange nicht zu denken. Der Gefechtsstand des FuTB-23 und die Jägerleitstelle für das Jagdgeschwader 2 (JG-2) in Trollenhagen befanden sich viele Jahre in einem zwei Stockwerke hohen Raum an der Giebelseite des Stabsgebäudes.

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Das JG-2 und das ihr zugeordnete FuTB-23 schrieben ein kleines Stückchen Militärgeschichte, in dem sie die Führungsstelle „Funkmeß“ und die „Flugleitung“ an einem Ort vereinten und effektive Methoden zur gemeinsamen operativen Führung der Bodentruppen und der Flieger entwickelten und umsetzten, die bis zum Ende der NVA im Jahre 1989 Bestand hatten.  Ein Ergebnis ist der seit April 1971 bestehende gemeinsame Gefechtsstand FuTB-23 / JG-2, abgekürzt gGS-2/23 – der erste seiner Art in den Luftstreitkräften der NVA.

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Da die personellen und somit auch die räumlichen Anforderungen an den gemeinsamen Gefechtsstand schnell stiegen, wurde es bald recht eng in den Räumen des Stabsgebäudes. Es dauerte noch bis Ende 1978, bis ein Schutzbauwerk in einer Bogendeckung am Standort fertig gestellt war und bezogen werden konnte. Verglichen mit den beiden Räumen im Stabsgebäude war hier genügend Platz.

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In der russischen Bogendeckung vom Typ AU-13 war über 2 Ebenen ein standardisierter Führungsbunker hineingebaut worden (Typenbezeichnung FB-360). Neben der Hauptnutzung als gGS-2/23 war hier auch der Wechselgefechtsstand der 3. Luftverteidigungsdivision (3. LVD) untergebracht (offizielle Bezeichnung: WGS-33) – der eigentliche (Haupt-) Gefechtsstand der 3. LVD befand sich in Cölpin. Die nachrichtentechnische Sicherstellung des Bauwerkes erfolgte durch eine Nachrichtenzentrale, die die Tarnbezeichnung Hilfsnachrichtenzentrale 322 hatte (HNZ-322). So konnten postalisch und fernmeldetechnisch Nachrichtenverbindungen zwischen Hilfsnachrichtenzentralen entfaltet werden (z.B. per Kabel, Funk oder Richtfunk), ohne den dahinter stehenden Nutzer zu offenbaren. Geheimhaltung war auch hier groß geschrieben.

Drei Zugänge führten in das Schutzbauwerk: der Mannschaftszugang, der Gefechtsszugang, und der Stabszugang. Alle hatten einen Tarn-Vorbau.

Am hinteren Giebel des Schutzbauwerkes war das Gelände sehr stark aufgefüllt, so dass das hintere Drittel der Bogendeckung mit Erde überdeckt war. Hier befand sich der sogenannte Mannschaftszugang.

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Er führte direkt in die obere Etage des Schutzbauwerkes. Man kann hier heute noch deutlich die Struktur der Beton-Elemente erkennen, aus denen die Bogendeckung errichtet wurde. Die eigentlichen Innen-Einbauten waren hier meistens gemauert oder bestanden aus Holz.

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Ein Blick hinter die gemauerten Wände am Rand der Bogendeckung gewährt heute Einblicke in die Bauweise, die sonst nicht möglich waren.

In diesem Bereich des Schutzbauwerkes befand sich der Bereich der Nachrichtenzentrale (sogenannte Hilfsnachrichtenzentrale HNZ 322).

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Hier befanden sich die unter anderem die Einrichtungen für die Übertragungstechnik, die Fernsprechvermittlung, die Räume für die gedeckten Nachrichtenverbindungen (SAS) für den verschlüsselten bzw. chiffrierten Fernsprech- und Fernschreibverkehr nebst Aus- und Annahmestelle für Fernschreiben (erkennbar an der sogenannten VS-Luke).

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Der heutige Zustand der Räume ist ruinös – der Schutt stapelt sich mindestens kniehoch. Nichts erinnert an die einstigen Funktionen der Räume – nur die Sanitärräume erkennt man noch durch die Fliesen an den Wänden – auch hier wurde wirklich alles demoliert und nichts überlebte.

Am Ende des Flures, der die Nachrichtenbereiche für die Chiffriertechnik von den einfachen Räumen trennte, befand sich eine Treppe, die in das Zwischengeschoss und das Untergeschoss der Bogendeckung führte.

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Am ersten Treppensatz auf der der rechten Seite befand sich die Tür, die in den Bereich der Jägerleitstelle führte. Sie befand sich im Zwischengeschoss an der Längsseite der Bogendeckung. Wie üblich, war sie durch Glaswände vom eigentlichen Führungssaal getrennt, der sich unterhalb der Arbeitsbereiche der Jägerleit-Offiziere befand.

Heute sind die Glaswände alle verschwunden und große, rechteckige Löcher gähnen in den Wänden. Von den Arbeitsplätzen auf diesem galerieartigen Bunkerteil fiel der Blick direkt auf die großen Planchets, die die Luftlage darstellten und sich über die gesamte Längsseite des Führungssaals zogen.

Die Planchets befanden sich aus Plexiglas und wurden von hinten durch Planzeichner beschriftet. Die Planzeichner schrieben in Spiegelschrift auf die Scheibe, die von den davor sitzenden Offizieren dann in Klarschrift gelesen werden konnte. Jedes Luftfahrzeug wurde mit seinen Koordinaten dargestellt, sein Kurs, seine Höhe, die Kennung und die zeitliche Erfassung der Radar-Kontakte. Der Bunker-Bereich vor der Luftlagekarte wurde als Führungssaal bzw. Führungsraum bezeichnet.

Einst war er vollgestopft mit Technik, heute ist hier nur noch gähnende Leere. Die Tür an der Giebelseite ist ein Notausgang und führt zunächst in den Bereich hinter dem großen Rolltor und dann weiter zum sogenannten Gefechtszugang.

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Der offizielle Gefechtszugang führte durch einen schmalen Gang, der sich direkt unter der Galerie für die Jägerleitstelle befindet. Der Gang mündet nach einer Linkskurve dann an einer der Längsseiten der Bogendeckung in einem Garagen-Anbau. So war ein schnelles Betreten des Schutzbauwerkes direkt aus den Fahrzeugen heraus möglich.

Im Inneren des Garagenanbaus verband ein Gang sämtliche Garagenboxen. Die Fahrzeuge fuhren im Ernstfall direkt in die Garagen, die dann durch Stahltore verschlossen wurden. Die Bunkerbesatzung konnte dann die Fahrzeuge verlassen und das Schutzbauwerk direkt durch die Garage betreten. Die gasdichte Drucktür, die den Gefechtszugang verschloss, ist natürlich längst verschwunden… 

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Kaum zu erkennen ist heute die betonierte Hauptzufahrt, die zu den außen liegenden Garagen führte (auf dem oberen Bild befindet sich der Garagenbereich mit Gefechtszugang auf der rechten Seite der Bogendeckung). Auf der gegenüberliegenden Seite befand sich ebenfalls ein Garagenanbau – dieser enthielt einen großen Teil der Technik für das Schutzbauwerk: den Dieselgenerator und einen Batterieplatz für die Stromversorgung sowie die Ventilationsanlage für die Frischluftzufuhr.

Dadurch finden sich innerhalb des Schutzbauwerkes nur wenige Technikräume – der Filterraum ist einer davon und erstaunlicherweise noch recht gut erhalten.

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Spannende Eindrücke aus den restlichen Räumen des Schutzbauwerkes – auch wenn sich die ursprüngliche Funktion der Räume nicht mehr erkennen lässt… ein recht großer Raum, der aus akkurat gemauerten Ziegelsteinen errichtet wurde und eine Wandvertäfelung hatte (die Reste sind unschwer zu erkennen)…

Die Sanitärräume sind nur noch durch die Fliesen zu erkennen… das Ausmaß der Zerstörung und des Verfalls ist unübersehbar.

Der Hauptgang des Schutzbauwerkes, der vom Stabseingang bis zum Führungssaal reicht ist in einem erbarmungswürdigen Zustand…

Das Bild des Verfalls zieht sich durch das gesamte Bauwerk.

Irritierend ist ein rosa gefliester Raum, der quasi eine Art schmale – Durchgangs-Dusche bildet, ohne das irgendwelche Armaturen erkennbar wären…

Gerade noch erkennen kann man die Dekontaminations-Schleuse für den Ernstfall. Sie wurde in unmittelbarer Nähe des Stabseinganges an den Rand des Bauwerkes gequetscht.

Der Stabseingang präsentiert sich recht großzügig…auch wenn sämtliche Drucktüren inzwischen nicht mehr vorhanden sind.

Am oberen Ende der Treppe – schon außerhalb des hermetischen Bereiches des Schutzbauwerkes, aber noch innerhalb der Bogendeckung – zweigt vom Hauptflur noch ein kleiner gefliester Bereich ab – hier handelt es sich wahrscheinlich um den Bereich der Kantine und des Speisesaals.

IMG_20210330_171201Auf dem Weg nach außen fallen noch einige Details auf, z.B. das die Schnellverschlussklappen alle ausgebaut wurden – hier befinden sich jetzt nur noch Löcher in den Wänden. Wer weiß, welche Sammler sich hier bedient haben.

Die fluoreszierenden Pfeile an der Treppe, die den Weg zum Ausgang weisen (und an vielen Stellen im Bauwerk zu finden sind), sind mit Sicherheit erst nach 1989 entstanden – zur Zeit der Nutzung durch die NVA war dies unüblich.

 

Am Ende der Treppe ist der Stabszugang durch einen kleinen, unscheinbaren Anbau getarnt, der aussieht wie ein kleiner Geräteschuppen.

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Nach dem Ende der DDR und der Nationalen Volksarmee übernahm die Bundeswehr dieses Schutzbauwerk. Teilweise mit der originalen Technik wurde hier bis zum Juni 1998 das CRC Mindreader betrieben – gleicher Standort, gleiche Technik, gleiche Aufgabe… nur eine andere Uniform derjenigen, die die Geräte bedienten…

Nach dem Auszug der Bundeswehr wurde hier alles ab- und ausgebaut, was nicht niet- und nagelfest war. Standort und Bauwerk wurden sich selbst überlassen.

Quellen:

George, Dieter (Oberst a.D., Dr. rer. mil.) „Probleme in der Führung, Gefechtsbereitschaft und damit verbundener personeller Belange in den Jagdfliegergeschwadern (1954-1971)“

NVA – FuTK-231 Pragsdorf

Bei diesem Ort lagen Begeisterung und Ernüchterung recht nah beisammen. Sechs Monate ungefähr. Ich wußte, das hier schon seit vielen Jahren die Planungen für den Bau einer Freiflächen – Photovoltaik – Anlage liefen. Da das sehr wahrscheinlich mit Abrissarbeiten einhergehen wird, nutzte ich die erste, sich mir bietenden Möglichkeit zu einem Besuch dieses Geländes. Es war an einem Nachmittag im Spätherbst des letzten Jahres (2020) und bescherte mir teilweise wunderschöne Herbstbilder in der Abenddämmerung. Die Farben leuchteten, als wolle sich dieser Ort von seiner romantischsten Seite von der Welt verabschieden.

Bei meinem zweiten Besuch, nur 6 Monate später, war von Romantik an diesem Ort nichts mehr zu sehen. Die Vorbereitungen für die Abrißarbeiten waren in vollem Gange. Das gesamte Gelände war zum großen Teil gerodet, und die Gebäude werden für den Abriss vorbereitet.

Schon weitem erkennt man heute noch die aufgeschütteten Hügel im Gelände, auf denen sich einst riesige Antennen drehten. Sie waren zum großen Teil auf mobiler Technik montiert. Der Fuhrpark der Funktechnischen Kompanie 231 (abgekürzt FuTK-231), die hier stationiert war, umfasste etwa 50 schwere Fahrzeuge. Die FuTK.231 war dem ebenfalls am Standort Pragsdorf – Georgendorf ansässigen Funktechnischen Bataillion 23 (FuTB-23) zu- und untergeordnet. So erschließt sich auch die Vergabe der taktischen Nummerierung. 

Was mich im Herbst des Jahres 2020 an diesem kompakten Standort auf etwa 400 Meter mal 250 Meter Gelände faszinierte, waren natürlich die herbstlichen Farben. Und der kompakte noch sichtbare Gebäudebestand des Gesamtgeländes, so dass man tatsächlich noch sehr gut nachvollziehen konnte, was wozu genutzt wurde.

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Umso größer war der Kontrast bei meinem zweiten Besuch im Frühjahr 2021. Von Lost Place Romantik war (fast) nichts mehr zu spüren – hier hatte man eher das Gefühl, einem geschichtsträchtigem Ort ungebeten beim Sterben zuzuschauen.

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Fast alle Bäume sind inzwischen gefällt worden; wo noch vor kurzem hohes Gras war, zerpflügen Traktorspuren das Gelände. Hier wird so langsam Baufreiheit geschaffen.

Das Tor am ehemaligen Eingangsbereich ist schon lange verschwunden. Mauerreste und eine große Laterne sind noch vorhanden. Jeder Grudnwehrdienstleistende wird sich vermutlich ungern daran erinnern. Der obligatorische Frühsport startete hier am Tor mit dem 3.000 – Meter – Lauf in Richtung Pragsdorf. Dort, an der schmalen Straße, stand bis vor kurzem noch ein Markierungspfahl für die Hälfte der Strecke…. einmal bis zum Pfahl und zurück…

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Das eigentliche Wachgebäude – KDL (Kontroll-Durchlass) genannt…

… dahinter die Küchenbaracke, die die Küche und die Speiseräume für die Mannschaften (Soldaten und Unteroffiziere) und für die Offiziere enthielt…

Rechts herum – vom KDL aus gesehen – führt der kurze Weg zum Heizhaus.

Das Heizhaus selbst ist so gut wie ausgeräumt.

Hinter dem Heizhaus führt der Weg noch ein kurzes Stück weiter, an einer Barackenruine vorbei,

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und endet in einer Art Wendehammer – möglicherweise befand sich hier der provisorische Hubschrauberlandeplatz – die Lage würde Sinn machen – innerhalb des militärischen Geländes, in der Nähe der Gefechtsstände und weit genug entfernt vom Schornstein des Heizhauses und vom damaligen Antennenmast des Geländes.

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Zurück zum KDL und dem eigentlichen Hauptweg entlang… hinter den Küchenbaracken die Gebäude des Funktechnischen Bataillons 23 – rechts, das grüne Gebäude, das Stabsgebäude; links, der Plattenbau, das Unterkunftsgebäude.

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Das Unterkunfstgebäude wurde erst relativ spät errichtet (1988); vorher befanden sich hier ebenfalls Baracken.

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Das Unterkunftsgebäude für die Mannschaften der Funktechnischen Kompanie befand sich weiter im Gelände, den Weg folgend in Richtung Technische Zone, auf der linken Seite.

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Das Gebäude steht heute nicht mehr, es wurde Mitte der 1990er Jahre abgerissen – die Bundeswehr hatte für dieses nach 1989 leer stehende Gebäude keine Verwendung mehr.

In der Technischen Zone ragen die üblichen Radarhügel aus dem Gelände. Teilweise sind die mit Betonplatten befestigten Auffahrten auf die Radarhügel noch erhalten.

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Die Aufgabe des FuTB-23 in Verbindung mit seiner örtlichen FuTK-231 war die funktechnische Luftraumüberwachung. Über ein Automatisches Führungs- und Leitsystem (AFLS) bestand ständige Verbindung mit dem zugeordneten Gefechtsstand und der Jägerleitstelle (des Jagdfliegergeschwaders 2 [JG 2] mit Standort Flugplatz Trollenhagen) sowie dem Divisionsgefechtsstand in Cölpin.

Der Luftraum konnte bis in eine Entfernung von etwa 600 km und einer Höhe von etwa 23.000 m überwacht werden.

Die Ausrüstung der FuTK-231 (die sich üblicherweise auf den Radarhügeln und in den Fahrzeugboxen befand) bestand unter anderem aus:

1 x P 18 (Funkmess-Station im Meter-Bereich)

2 x P 37 (Funkmess-Station im Zentimeter-Bereich)

2 x PRW 17 (Höhenmesser)

1 x PRW 11 (Höhenmesser)

Im Jahr 1972 wurde das FuTB-23 mit der FuTK-231 in das Dienstahbende System der Luftstreitkräfte / Luftverteidigung des Warschauer Vertrages eingebunden.

Der Gefechtsstand der FuTB-23 befand sich in den ersten Jahren im Erdgeschoss des Stabsgebäudes. Hier wurde die Luftlage, die von den zugeordneten FuTKs geliefert wurde, auf großen senkrecht stehenden Karten von Planzeichnern dargestellt.

Erst Ende der 1970er Jahre konnte der neue Gefechtsstand auf dem Gelände bezogen werden, der in einer Bogendeckung errichtet wurde.

Überall im Gelände verteilt befinden sich – meist unter oder neben den Radarhügeln – die entsprechenden Fahrzeugboxen.

Etwas abseits, fast am Ende des Geländes, befindet sich der typische Garagen-Bau der Luftverteidigung, wie man ihn eher in einer Raketen-Stellung der Flugabwehr erwarten würde… hier jedoch beherbergte sie die Stellung der Höhenfinder (PRW-11 und PRW-17).

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An einigen der Fahrzeugboxen finden sich die angebauten Schlafbunker vom Typ FB-3.

Die Bunkereingänge im Gelände sind mitunter gut versteckt…

… und geben den Blick auf kleinere Überraschungen frei… hier eine Kombination von zwei russischen Kleinbunkern (Typ SBU), was diese „2er – Kombination“ mitten im Gelände darstellte, können wohl nur Zeitzeugen beantworten.

Nach 1989 wurde dieser Standort von der Bundeswehr übernommen. Aus dem FuTB-23 wurde die Radarführungsabteilung – 33 und aus der FuTK-231 die Radarführungskompanie-161.

1998 wurde der Standort Pragsdorf endgültig aufgegeben, die Radarführungsabteilung – 33 zog nach Trollenhagen um, die Radarführungskompanie-161 ins benachbarte Cölpin. Die bis dahin genutzte russische Technik aus NVA-Beständen wurde daraufhin verschrottet. Das Gelände wurde sich selbst überlassen.

Quellen:

Internetpräsenz der ehemaligen Funktechnischen Truppen der NVA unter nva-futt Punkt de

NVA – FuTB-23 Pragsdorf

Dieses Objekt stand schon länger auf der persönlichen to – do – Liste. Eile tat inzwischen Not, da hier auf dem Gelände der Bau einer Freiflächen – Photovoltaik – Anlage geplant ist und demnächst vermutlich Abrissarbeiten in größeren Ausmaßen erfolgen werden.

Schon von weitem erkennt man den heute beim Gelände stehenden Richtfunkmast. An fast der gleichen Stelle stand zu Zeiten der militärischen Nutung durch die NVA ein großer Antennenmast für Funk- und Richtfunk. Das gesamte Gelände versinkt inzwischen im Grün. Die künstlich aufgeschütteten Hügel im Gelände, auf denen sich einst die riesigen Antennen der Funktechnischen Kompanie-231 (FuTK-231) drehten, die sich ebenfalls auf dem Gelände befand, erkennt man kaum noch – die Natur hat sich das Gelände fast gänzlich zurück erobert.

Nach einer Umstrukturierung in der Organisation und Struktur der Luftraumverteidigung der DDR Ende der 1960er Jahre wurden am 01.12.1970 aus dem ehemaligen Funktechnischen Regiment-2 (FuTR-2) die Funktechnischen Batallione 23 und 33 gebildet. Das FuTB-33 zog nach Pudagla, das FuTB-23 wurde in das eigens neu errichtete Objekt nach Pragsdorf verlegt.

Die Unterkünfte befanden sich zunächst nur in Baracken. Eine hat die Zeiten noch überdauert und wird vermutlich bald dem Abrissbagger zum Opfer fallen – der Zustand der Gebäudehülle ist mehr als desolat.

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Etwas besser erhalten ist noch das ehemalige Stabsgebäude, das sich in sattem grün präsentiert. Der graue Neubaublock gegenüber ersetzte erst 1988 (!) einige Unterkunftsbaracken.

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Zum FuTB-23 gehörten drei Funktechnischen Kompanien:

  • die FuTK-231 in Pragsdorf – Georgendorf
  • die FuTK-232 in Rohlsdorf – Hahlenbeck
  • die FuTK-233 in Elmenhorst – Kalkhorst

Die Aufgabe des FuTB-23 in Verbindung mit seinen zugeordneten Funktechnischen Kompanien war die funktechnische Luftraumüberwachung. Über ein Automatisches Führungs- und Leitsystem (AFLS) bestand ständige Verbindung mit dem zugeordneten Gefechtsstand und der Jägerleitstelle des Stabes der 3. Luftverteidigungsdivision (Gefechtsstand-33 in Cölpin).

Mehr als drei FuTKs konnten zur damaligen Zeit technisch nicht in das Automatisierte Führungssystem integriert werden – sowohl die Geschwindigkeit in der Datenfernübertragung (damals immerhin stolze 1.200 baud) als auch die Rechenleistung waren nicht ausreichend hoch genug – die automatisierte Berechnung von Abfang-Kursen für Jagdfleugzeuge bzw. die Berechnung von Zielkoordinaten und Zielzuweisungen für Flugabwehrraketen mussten schnell erfolgen, damit noch genügend Zeit zum Handeln blieb – sprich zum Start der Jagdflugzeuge bzw. zum Abschuß von Flugabwehrraketen. Hier zählte tatsächlich jede Sekunde.

Der Luftraum konnte von jeder zugeordneten FuTK bis in eine Entfernung von etwa 600 km und einer Höhe von etwa 23.000 m überwacht werden, wobei das technische Optimum im Bereich 300 km bis 400 km gelegen haben soll.

Technisch war das FuTB-23 mit einem Automatischen Führungs- und Leitsystem (AFLS) ausgestattet, genannt Objekt 02 M (bzw. Wosduch 1 M) und Objekt 6 BU.

Im Jahr 1972 wurde das FuTB-23 mit seinen drei Funktechnischen Kompanien in das Diensthabende System der Luftstreitkräfte / Luftverteidigung des Warschauer Vertrages eingebunden.

Der Gefechtsstand des FuTB-23 befand sich in den ersten Jahren seines Bestehens im Erdgeschoss des Stabsgebäudes an der zum Gelände liegenden Giebelseite. Von außen ist dies nur zu erahnen – am Gebäude fehlen in diesem Teil die Fenster.

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Der Hauptraum für den Gefechtsstand zog sich tatsächlich über zwei Gebäudeetagen und wurde – wegen der riesigen Deckenhöhe – heimlich „Turnhallen-Gefechtsstand“ genannt.

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Der Hauptzugang zum Gefechtsstand war – vom Eingang des Stabsgebäudes im Erdgeschoss aus gesehen – linker Hand am Ende des Flures – gesichert mit zwei Türen, die einen kurzen Flur bildeten und nur von innen geöffnet werden konnten.

Groß und schwer können die Türen zum Gefechtsstand nicht gewesen sein – weder Türrahmen noch Scharniere hätten eine große (druckdichte) Tür halten können.

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Etwa Mittig des Raumes befanden sich die großen, senkrecht stehenden, Karten zur Darstellung der Luftlage. Hinter den Karten war der Bereich der Planzeichner, die in Spiegelschrift die Luflage auf die Karten zeichneten, die dann von den davor sitzenden Offizieren gelesen werden konnten – mit dem Rücken zum Haupteingang saßen der diensthabende Offizier des Gefechtsstandes, der diensthabende Offizier des Jagdgeschwaders und die Funkorter mit ihren Sichtgeräten. Welche Funktion der kleine, separate Raum hatte, der sich rechts des Haupteinganges befand, erschließt sich heute nicht mehr und kann nur durch Zeitzeugen beantwortet werden.

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An der Giebelseite – hinter den Luftlagekarten – befand sich ein Ausgang aus dem Gefechtsstand, der zu einem garagenartigen Bau führte, in den zwei Schlafbunker integriert waren.

Das Bodenniveau war hier am Ausgang etwas höher – circa 80 Zentimeter über dem Erdboden. Vermutlich war hier eine Art Podest, das sich bis zu den Schlafbunkern zog, denn auch das Einstiegsniveau in die Schlafbunker lag merkwürdigerweise recht hoch.

Der garagenartige Anbau mit den Schlafbunker liegt sehr dicht an der Giebelseite des Stabsgebäudes und bildete eine Art Splitterschutz für den Gefechtsstand.

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Erst Ende der 1970er Jahre konnte der neue Gefechtsstand bezogen werden, der unweit des Stabsgebäudes in einer Bogendeckung errichtet worden war.

Gleich neben bzw. vor dem Gefechtsstand befand sich der Nachrichtenraum, der heute kaum noch als solcher zu erkennen ist. Ein Rest der hölzernen Konstruktion für die Nachrichtenverteilung und der Kabelschacht im Fußboden sind alles, was auf die Funktion dieses Raumes schließen lässt.

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Hier ware vor allem Zivilbeschäftigte für den täglichen Dienst verantwortlich. Der Rest des Stabsgebäudes befindet sich in einem absolut desolatem Zustand.

Leere und ausgeräumte Flure, die Farbe blättert ab, die Tapeten fallen von den Wänden, die Fenster zertrümmert, alles aus- und leer geräumt. Der Wind pfeift und es ist unheimlich!

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Versteckt in zwei Räumen auf einem der langen Flure befand sich eine Art kleiner Kinoraum nebst Vorführraum – zu erkennen nur noch an den typischen Wanddurchbrüchen.

Auffallend im ganzen Gebäude sind vor allem die massiven Stahlbetonträger überall – das Grundgerüst scheint wesentlich stabiler zu sein, als das des gegenüberliegenden Unterkunftsgebäudes für die Mannschaft des Funktechnischen Bataillons. Dies war ein typischer 1970er Jahre Plattenbau und ist heute völlig verwahrlost.

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Auch hier ist alles ausgeräumt und verfällt. Berge von Müll und Schutt überall. Die Sanitärräume sind nur durch die Fliesen zu erkennen. Sinnlose Zerstörungswut!

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Ein Raum ließ sich durch die – immerhin (!) – noch vorhandene Wandtafel als Schulungs- bzw. Unterrichtsraum identifizieren.

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Metalldiebe und Vandalen ließen nichts zurück. Einfach erschreckend.

Das kleine Flurbild täuscht – hier waren wenige Meter einmal ohne Schutt…

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Vom Giebelfenster hat man einen schönen Blick auf die Baracke, die die Küche und die Speiseräume beherbergte.

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Baulich erkennt man in der Baracke noch die räumliche Trennung für die Speiseräume der Offiziere und für die Soldaten. Auch wenn hier alles ausgeräumt ist. Der allgemeine Zustand des Gebäudes lässt nur einen kurzen Aufenthalt zu.

Neben der Baracke mit der Küche und den Speisesälen befand sich das Wachgebäude an der Hauptzufahrt.

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Ein Blick von einem Radarhügel über das Gelände der FuTB zeigt die noch erhaltenen Gebäudeensemble einschließlich Heizhaus und einem Garagenbunker, der zur Funktechnischen Kompanie 231 gehörte.

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Nach der Deutschen Einheit und dem letzten Appel der NVA am 02.10.1990 wurde dieser Standort am 03.10.1990 um 0.00 Uhr zunächst von der Bundeswehr übernommen. Die Objektwache (die immer 24 Stunden Dienst hatte), war schon am Nachmittag des 02. Oktober 1990 in der neuen Bundeswehruniform zum Dienst vergattert worden. Am 04.10.1990 wurde das FuTB-23 im ersten Appell in Bundeswehruniform formal dem Kommando der 5. Luftwaffendivison der Bundeswehr unterstellt. Aus dem FuTB-23 wurde die Radarführungsabteilung – 33 (ab 1994 dann Radarführungsabteilung-16) und aus der FuTK-231 die Radarführungskompanie-161. Schon ab dem 05.10.1990 arbeitet die Führungsstelle nun als NATO-CRC und wurde bekannt als CRC Mindreader. Das CRC (Command and Reporting Center) ist die NATO-Bezeichnung für eine militärische Zentrale zur Luftraumüberwachung – nichts anderes war es zu Zeiten der NVA auch. Es war bestimmt ein merkwürdiges Gefühl für die bundesdeutschen Soldaten, an einem NVA – Standort mit russischer Technik ihre Aufgaben zu erfüllen. Erst am 06.01.1997 werden die letzten russischen Radarortungsgeräte (P-37 und PRW-13) in Pragsdorf abgeschaltet. Die in Pragsdorf Dienst tuenden Soldaten nannten den Objektstandort gerne „Pragsburry Hill“.

Schon 1995 wurde am Standort Pragsdorf damit angefangen, nicht mehr benötigte Gebäude abzureißen. Mit der Inbetriebnahme des neuen CRC im benachbarte Cölpin (an der Stelle des ehemaligen Divisonsgefechtsstandes) ging das CRC Mindreader in Pragsdorf am 17.04.1998 außer Betrieb. Der Stab der Radarführungsabteilung zog nach Trollenhagen um, die Radarführungskompanie ins benachbarte Cölpin. Das Gelände wurde sich selbst überlassen.

Bis zum 30.September 2005 war das CRC Mindreader noch in Cölpin aktiv. Um 10.03 Uhr dann der (inzwischen berühmte) letzte Funkspruch des CRC Mindreader:

Mindreader to all.
This is Commander CRC Mindreader on loop.Today, our CRC will be released from the NATO Integrated Air Defence System by CAOC 2, will cease service and close down. Mindreader was established right after the German unification in 1990 and has provided service to the cornerstone of the Alliance, the NATINADS for 15 years. We would like to thank all stations that have been working with us over the years for the excellent cooperation, support and partnership. It has always been a pleasure and great honor to operate with all of you in the Air Defence community. We wish you all the best for the future and hope that you will always keep Mindreader in good remembrance. Mindreader leaving loop now. Mindreader out.

Quellen

Internetpräsenz der ehemaligen Funktechnischen Truppen der NVA unter nva-futt Punkt de

Internetpräsenz Nachrichtenbetriebsamt Punkt de

(heute leider nicht mehr existierende Internetpräsenz von Gerold Schelm unter crc-mindreader Punkt de – die sehr anschaulich die Arbeit in der Zeit nach 1990 bis zur Abschaltung 1998 in Pragsdorf bzw. 2005 in Cölpin beschrieb und auch einiges an Bildmaterial zu bieten hatte – sehr schade, das es diese Seite nicht mehr gibt! Reste findet man noch im „Internet-Archiv“)