Deutsche Post – Übertragungsstelle-2 Stralsund

Ein eher unbekanntes Kapitel der jüngeren deutschen Geschichte ist die Entwicklung der Kommunikationsinfrastruktur. Auch vor 1989 galt sie als „sensitiv“ und war damit besonders geheim zu halten.

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Die (hauptsächlich zivilen) Fernmelde-Kabel liefen bis weit nach 1945 sternförmig auf Berlin zu. Durch Kriegseinwirkungen waren viele Kabel der ehemaligen Deutschen Reichspost unterbrochen, viele technische Einrichtungen zerstört oder aufgrund von Reparationsleistungen abgebaut worden.

Auf dem Gebiet der DDR fehlten insbesondere Fernmeldekabel auf wichtigen Nord-Süd-Achsen und im Norden und Süden der Republik auch auf den Ost-West-Achsen.

Der ständig wachsende Bedarf nach drahtgebundenen Kommunikationsverbindungen (insbesondere auch durch die NVA), konnte bei weitem nicht gedeckt werden. Dies führte oft zu abenteuerlichen Schaltwegen.

Genutzt wurden hauptsächlich die alten Kabel der Reichspost und die noch vorhandene Technik.

Die Lage wurde nach dem Bau der Berliner Mauer am 31. August 1961 noch schwieriger. Am 23.10.1969 fasste der Nationale Verteidigungsrat der DDR den Beschluss über den Aufbau eines gitterförmigen Grundnetzes des staatlichen Nachrichtenwesens (abgekürzt GSN).

Insbesondere waren neue Kabelverbindungen herzustellen, vier in Nord-Süd-Richtung, sechs in Ost-West-Richtung. An den Kreuzungspunkten dieser Kabeltrassen sollten sogenannte Grundnetzknoten zur Vermaschung der Kabelstränge hergestellt werden. Insgesamt 36 Stück. Diese sollten in geschützter Bauweise ausgeführt werden – sprich in Bunkern untergebracht werden.

Die Übertragungsstelle-2 Stralsund lag am nordöstlichen Knotenpunkt der Ost-West-Trasse Grevesmühlen – Wismar – Rostock – Stralsund – Anklam (sogenannte „Trasse Nord“) und der Nord – Süd – Trasse Stralsund – Neubrandenburg – Strausberg (Sitz Ministerium für Nationale Verteidigung) – Fürstenwalde (Sitz Zentraler Gefechtsstand Luftstreitkräfte / Luftverteidigung) – Finsterwalde – Dresden. Sie war der zentrale Schaltpunkt für die sogenannte „Rochade Ost“.

Für diese speziellen „Postbunker“ wurden Typenbauten entwickelt, die sich im Laufe der Jahre wandelten.

Im Wesentlichen war das Schutzbauwerk ein 1-etagiger monolithischer Bau aus Stahlbeton, an den an einer Stirnseite ein kleiner Kopfbau angebaut war. In diesem Kopfbau befanden sich Dieseltanks für die Netzersatzanlage (die im Hauptbunker – von der Wand zum Tankbunker getrennt – installiert war) und eine Pumpeinrichtung. Der Tankbunker war separat begehbar und hatte einen kleinen Wartungsraum. Die Dieseltanks konnten über eine kleine Klappe von außen befüllt werden.

Der aus Tarnungsgründen begrünte Bunkerhügel enthält die üblichen Aufbauten:

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Zu- und Abluft- Bauwerke.. die typischen „Dinohälse“ fehlen hier schon…

… den Notausstieg

… und – etwas untypisch – einen Anschaltpunkt für Telefonverbindungen.

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Der Hauptzugang schmiegt sich eng an den Bunkerhügel und sieht von außen eher wie ein Lagerschuppen aus.

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Im Inneren führt eine Treppe zunächst nach links hinunter, und biegt dann rechtwinklig nach wenigen Stufen nach rechts ab zum Bunker.

Die Treppe mündet nach einem kleinen Schleusenbereich auf einem langen, L-förmig angelegten Gang, der den nach innen liegenden zentralen Schaltraum umfasst.

Nach außen gehen von diesem zentralen Gang alle sonstigen für den Bunkerbetrieb notwendigen Räume ab:

  • Filterraum und Zuluft
  • Elektro-Anschlussraum und Wasseraufbereitung – hier alles zusammen in einem einzigen Raum an der äußeren Ecke des Bauwerks

Der Notausstieg befindet sich gleich daneben und ist durch eine kleine druckdichte Luke zu erreichen.

Küche und sanitäre Anlagen erkennt man nur noch an den gefliesten Wänden und Böden.

Den leeren Dienst- und Aufenthaltsräumen kann man heute keine genaue Funktion mehr zuordnen. Nur in einem einzigen Raum, der heute als Lagerraum genutzt wird, befindet sich noch die originale Tapete an der Wand – es soll das Dienstzimmer des Diensthabenden Offiziers gewesen sein.

Am anderen Ende des Flures befand sich noch ein Nachrichtenraum mit einer kleinen Kabeleinführung. Vermutlich befand sich hier die Telefonanlage und der Fernschreiber.

Gleich daneben befand sich eine separate Dusche.

Einen großen Teil der verfügbaren Fläche im Bunker beansprucht der zentrale Schaltraum

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Die ursprüngliche Raumhöhe dieser Bunker betrug 3,40 m und stammte noch von der Deutschen Reichspost; es ergab sich aus den Abmessungen der Schaltschränke und der darin verbauten Technik.

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Im zivilen Bereich wurde bis Ende der 1980er fast ausnahmslos mit analoger Technik gearbeitet, der sogenannten Trägerfrequenz-Übertragungstechnik (TF-Technik). Über Amplitudenmodulation mittels Trägerfrequenzen im Abstand von 4 kHz konnten so über eine Kupferader mehrere Gespräche gleichzeitig geführt werden.

Zwischenverstärker waren viele Jahrzehnte lang noch als Röhrenverstärker im Einsatz, bevor dann Transistortechnik zum Einsatz kam.

Kontinuierlich wurde baulich, technisch und organisatorisch versucht, das GSN durch Vermaschung, Querverbindungen und Bypässe zu verknüpfen und weiter auszubauen. Man legte also weitere Netze und Verbindungen über, unter oder neben bestehende Kabelverbindungen und verknüpfte diese Punkte. Die Orte der Verknüpfung auf der Fernseite wurden als Übertragungsstellen bezeichnet. In den Übertragungsstellen wurden Daten, Telefongespräche und Telexe  in sogenannter TF-Lage bearbeitet, gewandelt, verstärkt, gepegelt und übertragen. Im großen Schaltsaal der Schutzbauwerke standen in langen Reihen Schaltschränke für die Modulationstechnik, Verstärker, Rangierverteiler, Anlagen zur Isolations- und Unversehrtheitsüberwachung sowie verschiedene Messplätze.

Im zentralen Schaltraum der Stralsunder Übertragungsstelle-2 sind von den Schaltschränken nur noch wenige Relikte erhalten – und die Abdrücke im Fußbodenbelag.

Die Vielzahl an Schaltschränken und elektronischen Bauteilen erzeugte viel Abwärme, so dass die Bunker Klimaanlagen enthielten, die die Raumtemperatur herunter kühlten.

In einem schmalen Raum direkt hinter dem Schaltraum befindet sich die zentrale Kabeleinführung.Deutsche Post -ÜSt-2 Stralsund 110

Im Jahre 1986 waren von den 36 geplanten verbunkerten Grundnetzknoten erst 15 (!) fertig gestellt worden, darunter war auch die Übertragungsstelle-2 Stralsund. Aus Gründen der Tarnung (die genauen Standorte waren geheim und waren in keiner öffentlichen Karte verzeichnet) wurde diese Übertragungsstelle als „Übertragungsstelle Pantelitz“ bezeichnet. Aufgrund der großen Deckenhöhe könnte vermutet werden, das die Übertragungsstelle-2 Stralsund schon Anfang der 1970er Jahre (als eine der ersten neuen Übertragungsstellen) gebaut wurde. In späteren Bauwerken konnte die Raumhöhe auf etwa 2,30 m reduziert werden; die Technik und die elektronischen Bauteile waren kleiner geworden und beanspruchten nun weniger Platz. Das noch erhaltene Typenschild am Druckluftkompressor stammt aus dem Jahr 1982 – entweder wurden die druckluftgesicherten Kabel erst zu diesem Zeitpunkt hier verlegt, oder das Bauwerk wurde doch erst Anfang der 1980er Jahre errichtet.Deutsche Post -ÜSt-2 Stralsund 119Die Übertragungsstellen-2 im Netz der Deutschen Post waren sämtlich militärisch bedeutsam als Stütznachrichtensystem für die Landesverteidigung der DDR. Die Übertragungsstelle-2 Stralsund diente unter anderem auch als Übertragungsstelle für die Nachrichtenzentrale des Wechselgefechtsstandes der Volksmarine in Neuhof. 

Wie die meisten dieser speziellen Schutzbauwerke war die Übertragungsstelle-2 Stralsund in Schutzklasse E ausgeführt.

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Ein Teil der Kabel steckte in einer druckluftgefüllten Ummantelung. Dies diente vor allem dem Schutz vor eindringendem Wasser und zum anderen der Sicherheit – ein Druckverlust signalisierte Beschädigung der Kabel-Außenhülle. Der Druckluftkompressor hat in einem separaten Raum hinter der Kabeleinführung die Zeiten überdauert.

Der Raum der Netzersatzanlage grenzt unmittelbar an den Tankbunker, der den Dieselhaupttank enthielt.

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Vom Tankbunker führten Treibstoffrohre in den Raum der Netzersatzanlage – die Rohrdurchführungen sind noch zu erkennen.

Von den Generatoren, den Schiffsdieseln und den erforderlichen Schaltanlagen blieb leider nichts erhalten.

Dienstbetrieb in der Übertragungsstelle fand rund um die Uhr im Rahmen des sogenannten Diensthabenden System (DHS) statt. Dienstzeit war immer 24 Stunden. Sehr wahrscheinlich bestand die diensthabende Schicht aus zivilen Post-Angestellten und aus Angehörigen der Nationalen Volksarmee. Die Unterkunftsräume des Schichtpersonals sowie die Dienst- und Sozialräume der zivilen Angestellten befanden sich in den zwei oberirdischen Gebäuden direkt neben dem Bunkergelände. Das gesamte Gelände war mit Zaun, Stacheldraht und Streifenposten gesichert.

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Nach 1989 nutzte die Telekom die Übertragungsstelle noch eine Zeit lang zur Sicherstellung der Kommunikation. Laut einem Typenschild am Warmwasseraufbereiter muss der Bunker im Jahre 1993 noch einmal modernisiert worden sein.

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Mit der Neuorganisation des Netzes und dem Verlegen neuer Kabel entlang neuer Trassen wurde dieses Bauwerk jedoch Anfang der 2000er Jahre nicht mehr benötigt. Die Kabelverbindungen wurden gekappt, das Bauwerk völlig ausgeräumt, verkauft und zu einem Fledermaus-Quartier umgestaltet.


Hinweis: Der Bunker befindet sich in Privatbesitz und ist gesichert. Vielen Dank an den Eigentümer für die Besichtigungsmöglichkeit (natürlich außerhalb der Fledermaus-Schutzzeit) und die tollen Gespräche! Vielen Dank an Thomas Kubala für die Organisation des Besichtigungstermins!


Quellen:

BArch DVW 1/39493 („36. Sitzung des NVR am 23. Oktober 1969, Sitzungsprotokoll, TOP 11 – Schaffung eines Fernmeldegrundnetzes des staatlichen Nachrichtenwesens entsprechend den Erfordernissen der Landesverteidigung im Zeitraum 1971 bis 1975 “)

BArch DVW 1/39534 („73. Sitzung des NVR am 05. Dezember 1986, Sitzungsprotokoll, TOP 4 – Bericht zum Stand der Erfüllung der Beschlüsse des NVR über die Schaffung des einheitlichen Nachrichtensystems zur Sicherstellung der Führung der DDR im Verteidigungszustand“)

BStU, Rst Abt XIX/263 „Auskunftsbericht über die Nieder-/Trägerfrequenzübertragungsstelle des Post- und Fernmeldeamtes Stralsund“

Kampe, Hans Georg „Handbuch zur Geschichte des militärischen Fernmeldewesens – Teil VI: Das militärische Fernmeldewesen in der DDR bis 1990 : Bestand, Gliederung, Stellenbesetzung, Zahlen, Fakten“, Hoppegarten bei Berlin, 2008

Kampe, J. – Karte: „Das Grundnetz des Staatlichen Nachrichtenwesens der DDR“, 2003 (c); lizensiert unter der Creative Commons-Lizenz „Attribution Noncommercial ShareAlike 2.5“ – Lizenztext – (Namensnennung-Nicht kommerziell-Weitergabe unter gleichen Bedingungen, Version 2.5); Quelle: Stadtwiki Strausberg

Internetpräsenz nachrichtenbetriebsamt Punkt de (mit sehr guten Hintergrundinformationen über die Systematik der Übertragungsstellen im Netz der Deutschen Post)

Stadtwiki minus strausberg Punkt de – Eintrag „Grundnetz des Staatlichen Nachrichtenwesens der DDR“


waswostatus
verbunkerte Übertragungsstelle-2 StralsundStralsund – Wendorfoberirdische Gebäude nachgenutzt; Bunker in Privatbesitz und zu einem Fledermausquartier umgebaut